Protokoll der 33. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. III, S. 29f.

[Datum: [Mai-Juni] 1923. - Protokollant: Erich Gawronski]


Den Auftakt bildet die Edwardballade mit Begleitung auf dem Flügel.

Zu den Neuwahlen bemerkt Blume, daß wir so lange mit der Wahl gewartet hätten, bis auch die neuen Kameraden mehr Einblick in das Wesen Scharfenbergs hätten, auch sei das Wählen nicht das Wichtigste der Selbstregierung. Die Wahl vollzog sich diesmal nicht unter der bisher in Scharfenberg gepflegten ruhig zurückhaltenden Form.

Das Ergebnis der 43 Stimmen war:

Vorsitzender der Abendaussprache: Blume mit 41 Stimmen (Wolff, Baader, Grotjahn mit je einer Stimme)
Ausschußlehrer: Wolff mit 33 Stimmen (Bandmann mit 9)
3 Ausschußschüler:Gawronski mit 33 Stimmen, Kroll mit 18 Stimmen, Metz mit 11 Stimmen.


Ferner hatten Baader 7; Jandt, Geister, Heidtmann je 6; Heinrichsdorff, Berisch, Krämer, Woldt je 5; M. Grotjahn, P. Grotjahn je 3 Stimmen. Eine später veranstaltete Stichwahl zwischen Baader, Jandt, Geister, Heidtmann entschied für Jandt.

Werkzeugwart: Schramm
Musikwart: Geister
Spielwart:P. Grotjahn
Bullenbauwart:Röhrborn
Ziegenwart: Ulm
Läutenant:Jandt
Zeitungswart: Woldt
Laboratoriumswart:M. Grotjahn
Fährkassenwart: Heinrichsdorff
Badewart: Haffner
Berichterstatter:M. Grotjahn
Hauswart: Grundschöttel
Postagent: Geister, der dies Amt aber dem nächstgewählten Paulmann übertrug, da er selbst schon ein Amt besitzt.
Apotheker:Reschke
Buchbinderwart: Berisch
Brotkartenwart: Baader


Nach der Wahl verliest Blume den nicht in der Chronik umschriebenen Pflichtenkreis des Ausschusses vor. -

Der nächste Antrag von Frey lautet auf Bewilligung von 4.000 M aus der Fährkasse für ein Schulherbarium , um unbekannte Pflanzen zu katalogisieren und unseren Pflanzenreichtum den Gästen vorführen zu können. Gegen solche "Pflanzenschändung" erhebt sich Widerspruch. Aber trotzdem wird der Antrag angenommen und M. Grotjahn, Frey, Sommer gewählt, um den Antrag auszuführen. Plötzlich dreht sich alles um, der Tisch wackelt, die Lampe drohte zu kippen, - da wird noch mit Gewalt der Beginn einer Prügelszene zwischen zwei Oberstüflern verhindert.

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Der nächste Antrag von Blume lautet auf Einrichtung einer Bannmeile um das Haus herum, die den Arbeitswilligen im Hause Ruhe verschaffen soll, so daß alles Raufen, Lärmen, Radfahren, Musizieren, laute Sprechen innerhalb dieser Bannmeile untersagt wird. Der Antrag wird angenommen.

Blume schlägt einen engeren Bannkreis um das Haus herum vor. Ulm und Reschke fordern, diese Bannmeile auf den Scharfenberg auszudehnen, da sie im Gartenhaus oft durch Lärm gestört werden. Da protestieren die Versteckspieler, der Scharfenberg müßte dem Versteckspiel erhalten bleiben. Man einigt sich bei der Abstimmung dahin, die Bannmeile vom Schulplatz bis auf den Scharfenberg auszudehnen, mit der Einschränkung, daß der Berg nach Anmeldung abends für das Versteckspiel frei steht.

Der nächste Punkt: " Mehr Rücksicht." Das Türenklappen, Treppauftreppabklotzen vor dem Wecken ist unnötig. Die Holzschuhe sind für den Dreck draußen, nicht für's Haus. Beim Dauerlauf müssen die Pünktlichen warten und sich erkälten, bis auch alle Schlafmützen erschienen sind. Bisher war es auch üblich beim Reden in der Schulgemeinde aufzustehen. Kurz: Mehr Rücksicht auch auf die äußere Form!

Darauf fragt Blume besonders die neuen Kameraden, ob ihnen nicht die Pause vom Mittagessen bis zum Abend zu lang sei. Erst nach dringendem Bitten, sich doch zu äußern, bejahen die einen diese Frage, andere verneinen sie. Die Besserungsvorschläge sind noch ungeklärt. Deshalb wird diese Frage noch vertagt. Als Anregung fragt Reschke Metz und Baader, ob in ihrer Bude die Wasserschlachten nicht abgestellt werden könnten. Es sei recht unangenehm, eine Schüssel Wasser über den Kopf zu bekommen. Man putzt sich nicht die Zähne über das Treppengeländer und gießt das Seifenwasser auf's Dach aus. Vielleicht genügt die Anregung, diese Mißstände zu heben.

Die Abendaussprache klingt heiter aus mit den "Deutschen Tänzen" von Schubert.

E. Gawronski



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