Protokoll der 23. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. II, S. 18-20

[Datum: Di, 23.01.1923 - Protokollant: Karl Berisch]


Als Einleitung singt Hans Baader mit Begleitung von Fritz Geister: Vom Mond und den Sternlein, ein Lied von E.M. Arndt, Musik von Siegfr.[ied] Ochs. - Herr Blume weist darauf hin, die Abendaussprache mit einer angenehmen Pflichterfüllung zu beginnen und Frau Karasch unseren Dank zu sagen; wenn sie uns nicht ausgeholfen hätte, wären wir verhungert oder hätten den Betrieb schließen müssen. Daran an schließt er die Vorstellung von Frau Prengel und die ihres Sohnes Otto Prengel, unseres jüngsten Mitgliedes, und bittet Frau Karasch, bis morgen noch dazubleiben, da außer Frau Prengel noch niemand sonst dasei. Darauf zeigt er der neuen Band der Chronik, der im Vergleich zum alten sehr schwindsüchtig ist, und erklärt, daß er noch 3 Stück davon sehr preiswert (102 M. pro Stück) gekauft hätte, und außerdem hätte es den Vorteil, daß das Chronikschild oft erneuert werden könne. Die Chronik ist bis zur Gawan-Aufführung geführt, es werden Berichte über die Aufführung von Außenstehenden, Eltern, Verwandten verlangt, sowie Berichte von Leuten, die während der Ferien hier waren.

1. Punkt: Ordnung ist die Grundlage eines fruchtbaren Gemeinschaftslebens. Blume: Diese Banalität braucht nicht weiter begründet zu werden, es sollte eigentlich selbstverständlich sein, daß Gerätschaften immer an Ort und Stelle sind, und es ist lächerlich, daß man sich immer mit Schrubben und ähnlichen Nichtigkeiten abgeben muß. Er macht den Vorschlag, einen "Hauswart" zu wählen, der allabendlich das Haus durchsieht, ob alles an Ort und Stelle ist und dann den Schuldigen "in netter Form an den Ohren kriegt" und auf sein Vergehen aufmerksam macht; doppelte Fahrlässigkeit soll öffentlich bekannt gemacht werden. Es werden vorgeschlagen: Willi Grundschöttel, der indessen wenig Lust zu diesem Ehrenamt zu haben scheint, und Heinz Röhrborn. Die Vorschläge Gawronski, Woldt und Geister werden abgelehnt, da die Vorgeschlagenen schon Ämter innehaben. Es wird Grundschöttel 14stimmig gegen Röhrborn (5 Stimmen) gewählt, wobei der Umstand, daß sich Herr Wolff (Ausschuß!), der es offenbar mit keinem verderben wollte, doppelt an der Wahl beteiligt, unliebsames Aufsehen erregt. Als zweiten positiven Vorschlag empfiehlt Blume die Einrichtung einer Bettmachpause, da die Betten vielfach noch bis 4 Uhr nachmittags noch nicht gemacht wären, was natürlich kein Zustand sei. Es wird vorgeschlagen, nach der 2. Stunde, und erklärt, daß in der Frühstückspause noch genug Zeit übrig wäre, wenn man sich etwas beeilte, wobei Netzband meint, daß das Bett des Küchendienstes auch von den Kameraden gemacht werden könnte. Ferner sollen die Zimmer bis zum Mittagessen aufgeräumt werden, dieser Vorschlag Blumes wird probeweise angenommen. Frau Karasch möchte, daß das Wasserholen für den Waschdienst vor 3 Uhr geschieht, da dann die Küche aufgewischt sei und durch die Wasserkannen nur verdreckt würde. Der Vorschlag wird angenommen, wobei Blume es auf das lebhafteste begrüßt, daß sich auch einmal die weiblichen Mitglieder der Abendaussprache an letzterer beteiligen. - Blume erkärt, daß das Rumschnüffeln in der Küche keine Sache sei, die Mädchen hätten sich beschwert, da es sie

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bei der Arbeit hindere. Blume wies in diesem Zusammenhang noch auf einen Vorfall hin, der ihn und in anderer Weise auch Frl. Agnes seltsam berührt habe: die heimliche Kontrolle der in der Elternversammlung aufgestellten Berechnung, daß aus einem Brot 25 Stullen geschnitten werden - an der Brotmaschine - eine Handlungsweise, die auf eine völlige Verkennung der Tatsache schließen läßt, daß wir hier kein Geschäftsunternehmen, keine Pensionshaltung sind, sondern nur das gedeckt werden muß, was verbraucht wird und nicht einmal das. --- Blume forderte dann zu weiteren positiven Vorschlägen auf, zu Vorschlägen, aber nicht zu Klagen, und wies darauf hin, daß man jetzt bei diesem Matschwetter seine Holzpantinen anziehen und die Türen immer schließen solle. Es hat keinen Zweck, wenn wir heizen und die Kälte durch die offenen Türen wieder hereinkommt, auch ist schon einige Male die Lampe im Vorraum durch den Windzug ausgegangen, wir können doch nicht auch noch die anderen Türen abschließen. - Dann wies er noch auf einige Unregelmäßigkeiten, die Schülerversicherung betreffend, hin und machte die Abendaussprache mit den Kassenverhältnissen bekannt: Für das Fest hatten wir an Auslagen 4.153 M. für Fahrgelder, Gips, Stöcke, Wachskerzen, Fackeln, Karbit etc., und an Einnahmen von Herrn Freese 1.500 M., von Frl. Rotten 1.000 M., von dem Holländer, der uns besucht hatte, 1.000 M. und durch den Verkauf der Programme 4.173 M., sodaß ein Überschuß von 4020 M. bleibt. Die Stiftung von Frau Weyl, 100.000 M., ist schon ausgegeben, Herr Blume hat dafür bei Gaege noch "billig" eingekauft, wenn man einen Blick in die Gerätekammer tut, wird man staunen, die 100.000 M. müssen durch die Verpflegungsgelder natürlich wieder eingebracht werden. In der Buchbinderkasse sind 50.000 M., durch Vermittlung von Frl. Kraus aus Amerika gestiftet. Die Fährkasse ist gesprengt worden durch Einkauf der Preßbretter, es bleiben 120 M., hinzu kommen 241 M. durch Fund und durch Fähreinnahme 80 M., jetziger Bestand also 441 M. Soll man die Festkasse zur Fährkasse schlagen, oder selbstständig weiter behalten? Wahle: Weder - noch, sondern möglichst schnell dafür einkaufen. Blume meint, daß es Unsinn sei, die Festkasse etwa bis zum nächsten Fest aufzuheben, wir wollen aus beiden Kassen - ungefähr 4.500 M. - einkaufen, aber was? Es werden Ackergeräte vorgeschlagen, Spaten, Hacken, Harken, Mistforken; E.L. Schmidt schlägt vor, Samen zu bestellen, A. Fritz einen Schubkarren. Blume sagt, daß 10 Gramm Radieschen 200 Mark kosten und daß vielleicht im Inventar Brauns, das er zurücklassen muß, Mistforken wären, und Spaten etc. könne man vielleicht von Frau Weyl borgen. Wir haben ferner noch 1 Dollar von Frau Netzband und 25 Gulden - verkaufen oder liegen lassen? Blume will Mist bei Braun kaufen, den er schon nach außerhalb abfährt, es wird beschlossen, dafür Dollar und Gulden zu verwenden. Ferner soll die Buchbinderkasse in Waren umgesetzt werden. Für die Ausmalung des Eßsaales hatten wir 2.000 Mark Einnahmen und 4.000 Mark Ausgaben.

2. Punkt: Landwirtschaft. Glasenapp schreibt in einem Brief an Blume, er erwartet hier 40 Zentner

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Saatkartoffeln, einen genauen Plan der Insel nebst Angabe, was voriges Jahr auf den Feldern war, und wenn es irgendwie geht, ein Doppelgespann zum Pflügen. Ferner soll Brauns Garten flach umgegraben werden.

3. Punkt: Petroleumfrage. Baader teilt mit, daß wir noch 1 1/2 Kannen Petroleum haben und damit noch einen Monat reichen. Das Petroleum haben wir noch für 60 M. das Liter bekommen, jetzt kostet ein Liter schon 840 M. Er schlägt vor, das billige Petroleum für Gemeinschaftslampen zu verwenden und für Privatlampen neues, teueres Petroleum zu kaufen, was angenommen wird.

4. Punkt: Heizfrage. Blume teilt mit, daß wir augenblicklich für 24 Personen 14 Öfen heizen, was natürlich kein Zustand ist. Wernecke schlägt vor, nur einige Zimmer für Kränkliche zu heizen. Es wird gefragt, wer, wieviel geheizt schlafen wollen, worauf sich 2 melden. Blume: Wir müssen mehr Zimmer heizen, da wir mehr Freistunden haben. Da wir nur 21 statt 22 sind, könnten wir vielleicht eine Stube sprengen und dadurch einen Ofen sparen. Er fordert auf, sich Vorschläge zu überlegen, denn es wird kalt, und wir wollen einen Kohlenbestand bis nächsten Winter aufheben. Es geht weder wie vor den Ferien, noch wie jetzt. Wolff meint, daß möglichst immer derselbe in einem Zimmer heizen soll, da sonst viel verschwendet würde. Blume schlägt vor, daß der Küchendienst alle 3 Tage Kohlen aus dem Gartensaal holt und an die Zimmer verteilt. Grotjahn schlägt vor, ein fünftes Gemeinschaftszimmer ein[zu]richten. - Blume fordert auf, den Dauerlauf wieder aufzunehmen.

5. Punkt: Anregungen. Ulm will das Absprungbrett auf dem Spielplatz erneuert wissen. Auf Anfrage beteiligen sich am Buchbinderkurs: Schramm, Stenger, Woldt, Frey, Böhm, Ulm, Fritz, Metz, Berisch, Wolff, es werden 2 Gruppen gebildet. Netzband weist darauf hin, daß Buchbindern wegen teuren Materials nicht billig sei. Am Linearzeichnen und Zeichnen der Oberstufe beteiligen sich Frey, Ulm, Baader, Wernecke, Grotjahn, es wird alle drei Wochen in die letzten beiden Vormittagsstunden des Donnerstags gelegt.

Karl Berisch



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