Protokoll der 22. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. II, S. 6-10

[Datum: Di, 12.12.1922 - Protokollant: Wilhelm Blume]


[Zur Weihnachtsfeier hätten wir gern] unsere Freunde und

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Lieferanten aus Tegel und Tegelort eingeladen, aber die Rücksicht auf den beschränkten Raum verbot es; wurde uns doch so schon angst und bange, je näher der Tag kam und je mehr die Zahl der Zusagen schwoll. So erklärt sich auch der Antrag Wahle - Kraemer, der in der 22. Abendaussprache am 12.XII. verhandelt wurde: "niemand darf mehr als zwei Angehörige zum Fest als Gäste begrüßen." Der Antrag wurde abgelehnt und nur für untunlich erklärt, etwa 7 Gäste einzuführen, die ein Kamerad erwartete; man sprach die Erwartung aus, sich nur auf Eltern und Geschwister zu beschränken, da sonst tatsächlich die von den Antragstellern befürchtete "Katastrophe im Zuschauerraum" unausbleiblich sei. Noch ein anderer Punkt dieser Abendaussprache handelte von den Festvorbereitungen. Blume schlägt vor, alles, was noch im Unterricht vor den Ferien erledigt werden solle, bis Donnerstag möglichst ablaufen zu lassen, also die Stunden vom Freitag und Sonnabend vorzuverlegen, auch unter Zuhilfenahme des Studientags [...].

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[...]. In der 22. Abendaussprache ward auch die draußen noch vor Ferienanfang zu erledigende Arbeit verteilt: Bergung des Barrens im Schulpavillon, Aufhöhung des Boots unter dem wasserdichten Fichtenschirm am Bullenbau, Abfuhr des noch draußen liegenden Holzes in den Gartensaal, Einstellung des Wagens in den Ziegenstall. Der Antrag Kraemers, die Ferien noch um einen Tag zu verlängern, damit man nicht am Sonntag aufbrechen müsse, wurde angenommen; Blume stellte fest, daß bei unserer Ferienfixierung nun schon die 5 Tage, die das Ministerium auf ein Gutachten der Reichsschulkonferenz hin zugelegt habe, inbegriffen seien. Es wurde durch Mehrheitsbeschluß festgesetzt, daß niemand am 22. später als 4 Uhr eintreffen dürfe. Zur Mithilfe bei der Ferienbewachung des Hauses erklärten sich bereit Baader, Grotjahn, Stenger, Grundschöttel, Böhm und Metz. Die beiden Letztgenannten wollen Herrn Netzband helfen beim Ausmalen des Eßsaals, das in den Ferien geschehen soll; Berisch hofft bis dahin vielleicht noch einen Entwurf fertig zu haben, sonst muß man Netzband selber darum angehen. Von den in dieser Abendaussprache gegebenen Anregungen müssen hier nach dem von Walter Schramm geführten Protokoll noch folgende erwähnt werden: Schramm und Böhm beantragen, da ihnen bei den Festvorbereitungen zu viel Handfertigkeitsholz verbraucht scheint, Bretter

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stets erst bei dem Werkzeugwart anzufordern, damit dieser erst etwaige Reste anweisen könne; die Gemeinschaft tritt diesem Vorschlage bei und erhebt zum Gesetz, daß alle aus diesem Holz verfertigten Gegenstände der Schule verbleiben. Rolf Wernecke wird gebeten, den Kosmosverlag um weitere Lieferung des Handweisers zu ersuchen, Ferdi Stenger ermächtigt, sich um ein Freiexemplar des Berliner Tagesblatts zu bemühen; er hält dies für wünschenswert, da in den uns zur Verfügung stehenden Zeitungen die zusammenfassenden Rückblicke von höherer Warte fehlten. Die Hängelampe im Eßsaal soll als dort überflüssig entfernt werden. Auch die von Blume ausgehende Anregung weist auf die Zeit nach den Ferien; er demonstriert sie recht drastisch ad oculos, indem er einen ganzen Haufen gefundener Sachen aus einem ebenfalls herrenlosen Rucksack - Badeanzüge, Messer, Handtücher, Bücher, einen Strumpf, ein Hemd und handschriftliche Gedichte, zu denen sich der Hemdenverlierer bekannte - feilbot. Die mit dem Rucksack huckepack auftretende Erscheinung ward zunächst mit fröhlichem Lachen als Weihnachtsmann begrüßt; doch bald schlug die Stimmung um; denn in ernster

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Knecht-Ruprechtscheltrede fragte er, ob die Wirtschaft im neuen Jahr abgestellt werden könne, ohne die Straflosigkeit, unseren bisherigen Stolz, aufzugeben ?? ---



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