Protokoll der 06. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. I, o.S.

[Datum: Mi, 21.06.1922 - Protokollant: Alfred Kraemer]


Baader gibt zunächst die beiden Punkte an, die unbedingt erledigt werden müßten: es seien dies die Fragen 1.) ob noch eine Elternversammlung vor den großen Ferien stattfinden, und ob sie dann am nächsten oder übernächsten Sonntag (27.VI. oder 2.VII.) einberufen werden solle, 2.) ob die Fahrt, die für den übernächsten Sonnabend (1.VII.) nach Stolpe geplant sei, freiwillig oder Zwang, oder - wie er sich ausdrückte - Privatausflug oder "Schulfahrt" sein solle.

I. Herr Blume ist unbedingt zu einer Elternversammlung vor den Ferien; die Frage sei nur, an welchem der beiden Sonntage. Frey erklärt sich für den letzten Sonntag, die Eltern könnten dann gleich "mehr Klarheit über die Ferien" haben, auch sei nicht von ihnen zu verlangen, bei dieser kurzen Benachrichtigung alles stehen und liegen zu lassen; wogegen Wernecke meint, viele Eltern führen schon vor den Ferien; es sei deshalb geraten, die Versammlung bereits am nächsten Sonntag einzuberufen. "Die Beteiligung gleicht sich aus", sagt Herr Blume, "einige werden am nächsten Sonntag fehlen, die erst am 2.VII. können, und umgekehrt ist es ebenso." Gawronski: "Gegen die Versammlung am 2.VII. spricht die Fahrt am Sonnabend vorher nach Stolpe. Spätes Zurückkommen. Arbeiten am Sonntag." Baader stimmt ihm zu während Herr Wahle findet, daß das wohl keine Schwierigkeiten machen könne. Auch Grotjahn ist der Ansicht, man dürfe nicht zu kurz anrennen. Wernecke ruft dazwischen: "Wir können doch über unsere Eltern nicht abstimmen!" Herr Dorn: "Der Entschluß, zu kommen, ist wohl nicht so schwer zu fassen." Herr Blume sagt, es bestehe die Möglichkeit, wenn wir die Versammlung auf den übernächsten Sonntag legen, daß dann einige Eltern, die bereits nächsten Sonntag zu Besuch herkämen, möglicherweise in einer Woche nicht wiederkommen würden. Auch könne er es nicht kurz angeraumt finden, wenn wir die Versammlung auf den 25.VI. legten. Beim vorigen Male seien die Eltern auch erst am Mittwoch benachrichtigt worden. Er schlägt dann vor, gleich zur Abstimmung zu schreiten. Der Vorschlag wird einstimmig angenommen. Die Abstimmung ergibt mit 11:10 Stimmen, bei 3 Stimmenthaltungen die Festsetzung der 2. Elternversammlung auf den übernächsten Sonntag (2.VII).

Nach der Abstimmung schlägt Frey vor, die Elternversammlungen regelmäßig, z.B. alle vier Wochen abzuhalten, worauf Herr Blume erklärt, daß dieser Vorschlag von den Eltern bereits abgelehnt sei. Auf die Frage nach den am 2.VII. zu verhandelnden Punkten gibt Herr Blume an: die Frage der Haftpflicht, der Rechenschaftsbericht für die Finanzen, Mai - Juni, und einige Unterrichtsfragen. -

II. Man geht darauf zum zweiten Punkte über, ob die Fahrt nach Stolpe als Privatausflug oder Schulfahrt anzusehen sei. Herr Blume erzählt, daß er früher die Absicht gehabt hätte, mit einigen wenigen diese Fahrt zu machen, bis sich der Kreis vergrößert hätte und schließlich nun diese Frage aufgetaucht wäre. Herr Wahle fragt, was uns wohl dort (in Stolpe) erwarte. Herr Blume: Eine wundervolle, mehrstündige Kahnfahrt auf der Havel, in Stolpe ein Fest mit Sportspielen, einer Theateraufführung (Hans Sachs), und dann die Rückfahrt, gleichfalls auf dem Wasserwege. Frey wünscht, daß alle fahren sollen. Es wirke komisch, wenn nur einige führen! Herr Blume meint, das käme hier zunächst nicht in betracht. "Da wir selbst eine Theateraufführung zu machen beabsichtigen," - läßt sich Wernecke vernehmen, - "ist es für alle sicher von Interesse zu sehen, wie ein Theaterstück von Schülern dargestellt wird." Herr Wahle ist ganz anderer Ansicht darüber: "Schulfeste haben doch eigentlich nur für die Bedeutung, die mit den Ausrichtenden in Verbindung stehen." Was würde man sagen, wenn er zu einem Fest seiner früheren Schule [=Werner-Siemens-Realgymnasium] einladen würde. - Lebhafte Erregung! Baader ruft, es würde [für] alle sicher höchst interessant sein, einem Fest dieser Schule Werner Siemens beizuwohnen. Nicht die persönliche Verbindung mit Stolpe, mit dem Humboldtgymnasium sei hier maßgebend. Stolpe selbst, an sich, solle interessieren. Herr Blume erklärt, das Fest in Stolpe sei nur der äußere Anlaß zur Fahrt. Nach einigen Äußerungen von Hoernecke und Wernecke, die Fahrt freiwillig zu lassen, schlägt Grotjahn vor, den Sonnabend zum Studientag zu machen und am Mittwoch dafür Unterricht zu nehmen. Man schreitet dann zur Abstimmung über die Frage, ob der Ausflug Schulfahrt sein solle oder nicht. Mit 12:8 Stimmen wird beschlossen, die Beteiligung daran jedem zu überlassen. Baader äußert nach der Abstimmung, daß ja nun allerdings das geplante Chorsingen hinfällig würde, an welche Äußerung sich noch eine längere Debatte anschließt, die hauptsächlich von Baader einerseits und Herrn Wahle - Grotjahn andererseits geführt wird. Zum Schluß gibt Baader "zur Überlegung auf", daß wir am 2.VII. gleichzeitig mit den Eltern zur Versammlung zusammenkommen würden. Herr Blume schließt die Abendaussprache.



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