Protokoll der 01. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. I, o.S.

[Datum: Mo, 08.05.1922 - Protokollant: Alfred Stenger [Anm. 1]]


Herr Blume eröffnete die Sitzung, indem er darauf hinwies, daß die nun folgende Ämterbesetzung nur eine provisorische sei. Dann traten wir in die Tagesordnung ein.

Der erste Punkt war die Besetzung des Schriftwartsposten, zu dem Ferdi Stenger bestimmt wurde.

Zu Punkt zwei, Schulbeginn, wurde der Anfang des Unterrichtes auf 6, 1/2 7, 7 1/2 und 8 Uhr vorgeschlagen und mit Majorität beschloß die Gemeinschaft um sieben Uhr die Schule zu beginnnen. -

III. Pausenordnung. Soll eine festgelegte Pausenordnung eingeführt werden oder nicht? Auf Antrag Herrn Dorns beschlossen wir, nach jeder Stunde eine Pause von 10 Minuten eintreten zu lassen mit der Ausnahme, daß, wenn der Zusammenhang der Stunde ein Durcharbeiten erfordere, natürlich die Pause wegfallen könnte. -

IV. Da nun schon eine Unterbrechung des Unterrichts eintritt, sagte Herr Blume, so steht dem nichts im Wege, daß wir die im vorigen Jahr so "beliebten" Freiübungen wieder aufnehmen, denn der Einwand, der aus der Mitte der Versammlung gemacht wurde, die Konzentration des Unterrichts wäre durch die Störung gefährdet, ist durch den Beschluß der Pausenordnung hinfällig. Also wurde beschlossen, die Freiübungen nach der zweiten Stunde obligatorisch zu machen, denn Körper und Geist sind gleichberechtigt, war die Ansicht Herrn Wahles und Genossen. Die Diskussion wurde sehr lebhaft. "Aus welchem anderen Grunde als aus dem, den Körper wenigstens genauso zu üben, wie den Geist, sind wir denn hergekommen", sagte unser guter Martin Grotjahn. -

V. Nun waren wir soweit bearbeitet, daß Herr Blume uns anheimstellen konnte, jeden Morgen einen Dauerlauf zu machen. Herr Blume erinnerte an die guten Ergebnisse, die der Dauerlauf in Landerziehungsheimen gehabt hat. Prinzipiell beschlossen wir nun den Dauerlauf zu machen und zwar obligatorisch (Die Abstimmung ergab 13 zu 12). Wir einigten uns, den Dauerlauf vor dem Waschen in beliebiger Kleidung zu machen und zwar in Gruppenform, d.h., daß immer die Großen, Kleineren und Kleinen je eine Gruppe bilden. - Wie treffen wir uns zum Lauf, das war der Wegweiser zum nächsten Punkt:

VI. Wahl des Glöckners alias Läutenant. Rudi Frey wurde ernannt und es wurde ihm aufgetragen, jeden Morgen 5.50 zum Dauerlauf zu läuten.

VII. Spielen. Es wurde lange debattiert, endlich beschlossen, täglich Spiele anzusetzen, an denen sich beteiligen kann, wer Lust hat. Wir gaben uns der Hoffnung hin, daß sich jeder aus Vernunftsgründen wenigstens einige Tage außer Sonntag beteiligen werde. Zum Hüter der Spielgeräte wählten wir Hans Baader [Anm. 2].

VIII. Antrag Stenger, einen Besuchstag in der Woche anzusetzen. Herr Wahle erwiderte dem Antragsteller, daß, wenn die Eltern am Sonntag nicht Zeit hätten, sie uns gestohlen bleiben könnten. Nachdem sich Rolf Wernecke noch sehr für den Antrag eingesetzt hatte, schritten wir zur Abstimmung, die 12 zu 13 gegen den besonderen Besuchstag ergab.

IX. Der Antrag Stenger, in der Anredeform dadurch eine Vereinheitlichung herbeizuführen, daß die Lehrer gebeten werden, auch zu den Oberstufenschülern, wie zu den Zwischenschülern Du zu sagen, wird vertagt; zur tiefen Begründung seines Antrags sagte der Redner, daß das Du in einer wirklich zusammen lebenden Gemeinschaft das Natürliche sei [Anm. 3].


Anmerkungen::

Anm. 1:
Der letzte Punkt der Abendaussprache wurde von Blume eingefügt.

Anm. 2:
Im Original wurden zwei Punkte mit VI bezeichnet; die Zählweise wurde hier korrigiert.

Anm. 3:
Als Anhang eine Zeitungsausschnitt über 'Das Du'.



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