Klafki, Wolfgang: Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus in autobiografischer Sicht. Marburg 1998: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1998/0003/k11.html - 1993 sprachlich geringfügig korrigiertes und bei einzelnen Beiträgen um einige Anmerkungen ergänztes Typoskript der 1991 erstellten Textfassung, die in japanischer Übersetzung veröffentlicht wurde als: Klafki, Wolfgang: Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus in autobiografischer Sicht. In: Klafki, Wolfgang: Erziehung - Humanität - Demokratie. Erziehungswissenschaft und Schule an der Wende zum 21. Jahrhundert. Neun Vorträge. Eingel. und hrsg. von Michio Ogasawara. Tokyo 1992. S. 179-192.


Wolfgang Klafki

Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus in autobiografischer Sicht


I. Vorbemerkung

Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus (NS), und zwar in autobiografischer Sicht, das könnte auf den ersten Blick als eine sehr spezielle und dazu noch rein historische Fragestellung erscheinen, die sich auf eine kurze Periode der deutschen Erziehungsgeschichte in unserem Jahrhundert bezieht, nämlich auf den pädagogischen Aspekt der dunkelsten Periode der deutschen Geschichte. Aber ich hätte dieses Thema nicht in der Themenliste für mögliche Vorträge während meiner Reise durch Japan genannt, wenn ich nicht der Auffassung wäre, daß in diesem speziellen Thema wahrscheinlich zugleich allgemeinere politisch-pädagogische Probleme und Erkenntnismöglichkeiten stecken, nämlich generelle Einsichten in die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unter den Bedingungen neuzeitlicher, totalitärer politischer Systeme, also sowohl rechter, faschistischer wie linker, kommunistischer Diktaturen. - Mir liegt jedoch sehr daran, ein Mißverständnis abzuwehren: Wenn ich hier auf Ähnlichkeiten linker und rechter totalitärer Systeme hinweise, so geschieht das nicht unter inhaltlichen Gesichtspunkten bzw. im Blick auf die Ziele solcher Systeme. Inhaltlich gesehen waren der deutsche Nationalsozialismus und der Sozialismus bzw. Kommunismus etwa der Sowjetunion Todfeinde. Aber die Formen, die Mittel, die Strategien, mit denen beide Systeme ihre absolut unterschiedlichen Zielvorstellungen in diktatorischer Weise durchzusetzen versuchten, waren überraschend und erschreckend ähnlich, ja z. T. identisch. Das gilt nicht zuletzt für die von diesen Systemen propagierten und praktizierten Formen und Mittel der Erziehung oder vielleicht besser: der Formierung der Kinder und Jugendlichen. Denken Sie z. B. an das System der staatlich organisierten Jugendverbände, an die Uniformen, an das vormilitärische Exerzieren, an die Fahnen, die Trommeln und Fanfaren der marschierenden jungen Menschen, die straffe Befehlsstruktur, die Aufmärsche und Fackelzüge, die politisierten Lieder, die von oben befohlenen "Einsätze" und Aktionen oder Kampagnen - Ernteeinsätze, Beteiligung an politischen Feiern, an Sammelaktionen usf. -, an die unkritische Verherrlichung des jeweiligen politischen Systems in den Schulbüchern, nicht zuletzt an den Personenkult bzw. Führerkult, d. h. den propagandistischen Aufbau von idealisierten Vorstellungen über die jeweiligen politischen Leitungsfiguren. Dann fallen Ihnen vermutlich sogleich formale Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen der Kinder- und Jugendformierung im deutschen Nationalsozialismus, im italienischen Faschismus, in den sogenannten sozialistischen Systemen der Sowjetunion (bis vor wenigen Jahren), Chinas, Nordkoreas, der Diktatur Ceaucescus in Rumänien, der einstigen Deutschen Demokratischen Republik usf. ins Auge.

Aber es scheint auch in einer anderen Hinsicht manche Ähnlichkeiten zu geben, obwohl wir hier einstweilen noch am Anfang entsprechender Forschung stehen. Ich ziele mit dieser Bemerkung auf folgende Fragen ab: Welche Wirkung haben die Formierungsabsichten und - bemühungen in diktatorischen Systemen nun tatsächlich auf Kinder und Jugendliche gehabt? Wieweit gelang bzw. gelingt in solchen Systemen die angestrebte Mobilisierung der Jugend für das betreffende System? Wie direkt oder wie lückenhaft war bzw. ist das Netz der Beeinflussungsformen, der Disziplinierungsmaßnahmen, der Kontrollen? Wie reagieren bzw. reagierten junge Menschen auf die totalitären Formierungsversuche, wie setzten sie sich mit ihnen auseinander? Gab es Tendenzen, die den politischen Einordnungsversuchen entgegenwirkten? - Ich habe die Vermutung, daß es auch in dieser Hinsicht erhebliche Ähnlichkeiten zwischen den Entwicklungsprozessen junger Menschen in rechten und in linken Diktaturen gab und gibt.

Nun kann man solche Prozesse meistens nur in der Rückschau rekonstruieren, nämlich dann, wenn ein diktatorisches System zusammengebrochen oder gestürzt worden ist und wenn man die betroffenen Menschen befragen kann oder wenn sie sich selbst rückblickend, autobiografisch über ihren Entwicklungsprozeß unter dem betreffenden politischen System äußern. Gegenwärtig eröffnet sich in Deutschland die Chance, entsprechende Untersuchungen im Hinblick auf diejenigen jungen Menschen durchzuführen, die in der DDR aufwuchsen. Ob irgendwo bereits solche Forschungen vorbereitet werden, kann ich nicht sagen. Ich weiß jedoch, daß das Institut für Jugendforschung an der Universität Leipzig schon während des SED-Regimes Befragungen durchgeführt hat, die sicherlich auch in der fraglichen Hinsicht interessante Ergebnisse enthalten, zumal diese Resultate in der bisherigen DDR nicht veröffentlicht werden durften.

An der Forschung über Kindheits- und Jugendentwicklung in Deutschland während der NS-Zeit bin ich selbst seit einigen Jahren beteiligt. Zunächst betraf diese Mitwirkung die Bereitstellung von autobiografischen Quellen. So habe ich einen eigenen Beitrag über meine Entwicklung als Kind und Jugendlicher in der nationalsozialistischen Zeit veröffentlicht [1] und dann eine Sammlung vergleichbarer Beiträge von Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftlern angeregt und herausgegeben, die ihre Kindheit und Jugend ebenfalls unter dem NS-Regime erlebten . [2] Toshiaki Miyazaki hat vor kurzem in Japan eine ausführliche Rezension dieses Buches publiziert. [3] - Ein nächster Schritt war dann die Sammlung und Sichtung weiterer Autobiografien und einiger Studien, bei denen Frauen und Männer in intensiven Interviews über ihre Kindheit und Jugend in jener Zeit berichteten. [4] Die folgenden Ausführungen sind Ergebnisse aus einer ersten Untersuchung von etwa 50 Autobiografien und aus Interviewstudien einer Arbeitsgrup-pe an der Universität Münster [5] ; ich nenne diese Untersuchung im folgenden nach dem Namen der Projektleiterin "Rosenthal-Studie". - Meine Forschungen zu diesem Problem möchte ich in Zukunft fortführen.


II. Zur Methode der Untersuchung

Auf ausführlichere methodologische Überlegungen zum Problem von Autobiografien oder mündlichen autobiografischen Berichten als Quellen wissenschaftlicher Untersuchungen muß ich hier verzichten [6] . Ich beschränke mich auf einen knappen Hinweis zum Verfahren der Analyse meines Quellenmaterials. Ich habe diese Untersuchung mit Hilfe eines Kategorierasters durchgeführt, in dem 18 Wirkungsfaktoren oder Faktorenkomplexe unterschieden werden. An dieser Stelle genügt die Nennung weniger Beispiele; weitere Elemente werden später bei der Darstellung ausgewählter Resultate zur Sprache kommen. Unter den Faktoren bzw. Faktorenkomplexen finden sich z. B. folgende:


Die Hauptfrage lautet immer: Welche Rolle spielten nach den Selbstaussagen der autobiografischen Berichterstatter solche Faktoren? Bewirken Sie bei der jeweiligen Person eher eine Identifizierung mit dem nationalsozialistischen System - ich nenne solche Wirkungen im folgenden "identifikatorisch" -, oder lösten sie eher Kritik am System, mehr oder minder weitgehende Distanzierungsschritte aus?


III. Vorinformationen über einige nationalsozialistische Organisationen zur Erfassung der Jugend

Bevor ich über einige Ergebnisse der Untersuchung berichte, muß ich kurze Informationen einschalten. Sie beziehen sich auf die außerschulischen Organisationen, in denen das nationalsozialistische Regime die deutsche Jugend zu erfassen versuchte, um sie in das System zu integrieren und sie zum Einsatz für dieses System zu formieren. Ich beschränke mich auf sieben Punkte, die für das Verständnis der folgenden Teile meines Beitrages notwendig sind.

  1. Die nationalsozialistische Partei, die sich Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) nannte, hatte schon in den 20er Jahren, also vor der Machtübernahme im Frühjahr 1933, eine Jugendorgangisation unter dem Namen "Hitlerjugend" aufgebaut, die jedoch auf männliche Jugendliche beschränkt war.

  2. 1933 wurden alle anderen freien, politischen oder kirchlichen Jugendverbände - außer der vorläufig geduldeten Deutschen Katholischen Jugend - entweder ausgeschaltet oder sie schlossen sich unter mehr oder minder großem Druck der Hitlerjugend an. Die Mitgliedschaft in der HJ war zunächst freiwillig. 1936 wurde die HJ zur Staatsjugend erklärt, aber erst 1939 wurde der sogenannte HJ-Dienst zur Pflicht für alle Kinder vom 10. Lebensjahr ab, und zwar für Jungen und Mädchen.

  3. Die Hitlerjugend war in sich folgendermaßen gegliedert: Die 10- bis 14-jährigen Jungen gehörten dem sogenannten "Jungvolk" an, sie wurden auch "Pimpfe" genannt, die gleichaltrigen Mädchen den "Jungmädeln". - Die Organisation für die 14- bis 18-jährigen Jungen hieß nun i. e. S. d. W. "Hitlerjugend", die entsprechende Einrichtung für die gleichaltrigen Mädchen trug den Namen "Bund Deutscher Mädel".

    Innerhalb der "Hitlerjugend", also für die Jungen ab 14 Jahren, entstanden im Laufe der Zeit neben der allgemeinen HJ etliche Spezialeinheiten: Die Flieger-HJ, die Marine-HJ, die Funker-HJ, die Motor-HJ, die Reiter-HJ, jeweils mit Segelflug-, Segel-, Motorrad-, Funk- oder Reitausbildung.

    Normalerweise waren für Jungen und Mädchen in beiden Altersstufen ab 10 bzw. ab 14 Jahren an einem Nachmittag der Woche etwa 2 - 3 Stunden HJ-Dienst verpflichtend. Bei den Jungen umfaßte er vormilitärische Ordnungsübungen, Singen, Sport und sogenannte "Heimabende", die u. a. der politischen Schulung dienen sollten. Dazu kamen gelegentliche Sonderveranstaltungen, etwa bei Parteifeiern, außerdem in den Ferien ein- oder mehrwöchige Fahrten oder Lager, die aber nur z. T. verbindlich waren.

  4. Mit Beginn des 2. Weltkrieges, also ab September 1939, wurde für alle Jugendlichen ab 10 Jahren eine Jugenddienstordnung erlassen. Wir damaligen Jungen und Mädchen konnten nun im Bedarfsfalle zu verschiedenen Tätigkeiten, z. B. an Wochenenden oder in den Ferien, herangezogen werden. Besonders häufig handelte es sich um Ernteeinsätze, z. T. auch um Mithilfe in der Krankenversorgung, später häufig um den Bau von Schutzwällen und Schutzgräben, die Beseitigung von Trümmern nach Luftangriffen der Kriegsgegner u. ä.

  5. 1942/43 wurde für die Schüler höherer Schulen (heute würden wir sagen: für Schüler der Gymnasien), in einzelnen Fällen auch für Realschüler der Geburtsjahrgänge 1926 - 1928/29 eine besondere, vormilitärische bzw. quasi-militärische Einrichtung geschaffen: der Dienst als sogenannte "Luftwaffenhelfer" bzw. "Marinehelfer". Zahlreiche Schüler wurden hier für die Bedienung von Flugabwehrgeschützen ausgebildet und dann in dieser Funktion eingesetzt. Schulunterricht wurde oft nur noch in stark reduzierter Form erteilt. Ich selbst bin 1943 als 16-Jähriger mit vielen Schulkameraden als Lufwaffenhelfer - etwa 700 km von meinem Heimatort entfernt - eingesetzt gewesen, und es gab im Zusammenhang mit diesen Einsätzen bereits Tote und Verwundete.

  6. Seit 1935 galt für alle jungen Männer und Frauen vom 18. Lebensjahr ab eine halbjährige Arbeitsdienstpflicht. Die Männer erhielten in großen Lagern erstens eine vormilitärische Ausbildung. Zweitens wurden sie zu verschiedenen volks- bzw. kriegswirtschaftlich wichtigen Arbeiten eingesetzt. - Die jungen Frauen leisteten ihren praktischen Dienst vor allem in der Landwirtschaft und in sozialen Bereichen ab.

  7. Für die jungen Männer schloß sich an die Arbeitsdienstzeit seit 1935 die zweijährige Wehrpflicht bzw. seit 1939 der zeitlich unbegrenzte Kriegsdienst an.


IV. Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung von Autobiografien oder Interview-Berichten über Kindheit und Jugend im NS

Die Darstellung ausgewählter Ergebnisse der Analyse gliedere ich in zwei Unterabschnitte. Der erste trägt die Überschrift


A. Typische Einstellungs- und Handlungsformen, die Kinder und Jugendliche in der NS-Zeit ausbildeten.

In meinem Material zeichnen sich fünf Haupttypen ab; sie entsprechen übrigens weitgehend den Typen, die auch für die Erwachsenen in der NS-Zeit herausgearbeitet worden sind:

  1. Der überzeugte junge Nationalsozialist bzw. die überzeugte junge Nationalsozialistin.

  2. Der zweite Typus ist der "Mitläufer" bzw. die "Mitläuferin".

  3. Den dritten Typus kann man als "Pragmatiker" bzw. "Pragmatikerin" bezeichnen. Jugendliche, die diesem Typus zugerechnet werden können, identifizierten sich in begrenztem Umfang mit Teilelementen des nationalsozialistischen Systems oder besser: mit ihrer meistens idealisierten Vorstellung vom Nationalsozialismus. Im übrigen aber machten sie sich geschickt jene Angebote des Systems zunutze, die ihnen für die Verwirklichung ihrer subjektiven Interessen geeignet schienen, z. B. die Sportangebote, das Musizieren in HJ-Spielscharen, den Flugzeug-Modellbau und das Segelfliegen in der Flieger-HJ usw. Den Anforderungen aber, die ihren subjektiven Interessen nicht entsprachen, versuchten sie sich soweit wie möglich zu entziehen.

  4. Den vierten Typus bilden die Distanzierten. Gemeint ist die Haltung derjenigen jungen Menschen, die wesentliche programmatische und/oder faktische Charakteristika des NS-Herrschaftssystems ablehnten. Sie versuchten, sich den Beeinflussungen und Ansprüchen des Systems soweit wie möglich zu entziehen, ließen ihre Anti-Haltung entweder mehr oder minder deutlich erkennen oder maskierten sich durch eine scheinbare Anpassung. Für ihr "eigentliches" Leben suchten sie sozusagen verborgene, abgeschirmte Orte. Ein Beispiel bietet hier die Jugendbiografie des späteren Schriftstellers Heinrich Böll . [7]

  5. Zum letzten Typus gehörten diejenigen, die aktiv Widerstand leisteten. Entweder entwickelten sie eigene Widerstandsformen, wie die Münchner Studenten Sophie und Hans Scholl und ihre Freunde [8] , oder sie schlossen sich bestehenden Widerstandsgruppen an, so etwa der spätere Sozialpsychologe Peter Brückner ab etwa 1941/42. [9]

B. Wirkungsfaktoren der Sozialisation und Erziehung in der NS- Zeit und Reaktionsformen der jungen Menschen

Ich werde im folgenden acht Hauptresultate meiner bisherigen Analyse hervorheben.

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  • Das erste Ergebnis betrifft individuelle Entwicklungsprozesse junger Menschen in der Zeit zwischen 1933 und 1945.
    Hier gibt es in den untersuchten Autobiografien einen Sonderfall, die bereits erwähnten Geschwister Sophie und Hans Scholl. Sie waren nach 1933 kurze Zeit begeisterte Mitglieder der Hitlerjugend bzw. des Bundes deutscher Mädel. Ab 1935 distanzierten sie sich innerlich schrittweise deutlicher vom Nationalsozialismus und bauten dann ab 1942 als Studenten an der Münchner Universität eine kleine Widerstandsgruppe auf. Bei einer ihrer Flugblattaktionen gegen das NS-Regime wurden sie von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) festgenommen und nach einem Prozeß vor dem berüchtigten "Volksgerichtshof" 1943 hingerichtet.

    Es gibt im untersuchten Material keinen vergleichbar radikalen Frontwechsel, auch nicht in entgegengesetzter Richtung, also von ursprünglicher Distanz oder Gegnerschaft zum NS zur späteren Identifikation mit dem System. Jedoch gibt es eine hohe Zahl von Belegen für Prozesse der Erosion oder Veränderung anfänglich bezogener Positionen und für Distanzierungsprozesse in weniger radikaler Konsequenz. Wo solche Prozesse beschrieben werden, laufen sie alle den offiziellen Zielen der politischen Jugenderziehung des NS zuwider. Meistens setzten solche Entwicklungen bereits vor Beginn des 2. Weltkrieges ein; sie wuchsen aber vor allem seit der Wende des Krieges ab 1942/43, also seit der Niederlage bei Stalingrad, nach Zahl und Intensität an.

  • Ich komme zu einem zweiten Resultat unter der Frage: Lassen die Quellen eine Aussage darüber zu, ob es unter den Faktoren, die auf junge Menschen in der NS-Zeit einwirkten, in der Mehrzahl der Fälle einen besonders hervorstechenden Faktor gegeben hat? Die Antwort lautet: Ja!

    Als entscheidender Faktor für die politisch-moralische Grundorientierung im NS aufwachsender Menschen erscheint, mindestens bis zur Pubertät, in den meisten Autobiografien die Familie. Das gilt zum einen dann, wenn in den Herkunftsfamilien die politisch-moralische Wertorientierung im wesentlichen einheitlich ausgeprägt war bzw. von einem dominierenden Familienmitglied bestimmt wurde; sei es, daß solcher Wert-Konsens pronazistisch war, sei es, daß ein Junge oder ein Mädchen eine betont distanzierte oder anti-nationalsozialistische familiäre Sozialisation und Erziehung erlebte. Das war z. B. bei Heinrich Böll, der nach 1945 einer der namhaftesten deutschen Schriftsteller wurde, der Fall. Die Familie, in der er aufwuchs, war im Zwischenfeld zwischen proletarischer und kleinbürgerlicher Existenz angesiedelt und zugleich von einem liberalen Katholizismus bestimmt.

    Die hohe Bedeutung der Familie galt aber meistens auch dann, wenn die Jungen oder Mädchen in ihren Herkunftsfamilien deutlichen politisch-moralischen Wertkonflikten begegneten. Ein Beispiel ist die proletarische Familie des späteren Schriftstellers Max von der Grün [10] . In ihr begegnete der Junge sehr unterschiedlichen weltanschaulichen und politischen Positionen: Der Vater schloß sich den ernsten Bibelforschern, heute Zeugen Jehovas genannt, an; ein Onkel war bis zum Verbot 1933 aktives Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, ein anderer Onkel bis 1934 engagierter Nationalsozialist; für eine Tante galt das in der gesamten NS-Zeit; auch die Großmutter hatte mindestens starke Sympathien für Hitler und seine Bewegung, während die Mutter eher als politische Pragmatikerin bezeichnet werden kann; die für Max von der Grün wohl bedeutendste Bezugsperson aber der Großvater, der entschiedener, wiewohl nicht parteigebundener Nazigegner war.

  • Die Fälle, in denen sich die im NS aufwachsenden Jungen oder Mädchen von den Grundorientierungen ihrer Familien oder der für sie bis dahin dominierenden familiären Bezugspersonen ganz oder fast ganz lösten, sind selten. In solchen Fällen scheint ein zu-nächst eher unpolitisches Motiv der in die Pubertät eintretenden Jungen oder Mädchen eine entscheidende Rolle gespielt zu haben: der Wunsch, sich gegenüber der Familie zu verselbständigen. Die Bedingungskonstellation im NS war nun folgende: Das nationalsozialistische System machte den jungen Menschen gleichsam das Angebot, gegenüber ihrem Elternhaus eine selbständige Position aufzubauen, indem es ihnen eine neue Identifikationschance mit politischer Akzentuierung eröffnete, nämlich die Übernahme "ernster", überdurchschnittlicher Verantwortung, einer Führerinnen- oder Führerrolle, die das Selbstbewußtsein des jungen Menschen, sein Geltungsbedürfnis ansprach und ihm das Gefühl vermittelte: "Du wirst für eine große Aufgabe gebraucht". Eine solche Rolle ermöglichte dem Jugendlichen - mindestens scheinbar - aktive Mitgestaltung. - In Autobiografien von Autorinnen oder Autoren, die dem Typ "überzeugter junger Nationalsozialist" zugeordnet werden können, stößt man immer wieder auf Belege für diese sie damals motivierende Perspektive, besonders prägnant in Melita Maschmanns Bericht "Fazit. - Mein Weg in der Hitlerjugend ." [11] In Wahrheit lag hier eine Selbsttäuschung vor, die die Betroffenen meist erst sehr spät, gewöhnlich erst nach dem Zusammenbruch des Systems und in einem oft langen und mühsamen Selbstreflexionsprozeß erkannt haben: Sie erkauften die Verselbständigung gegenüber dem Elternhaus durch den fast totalen Gehorsam gegenüber dem hierarchisch aufgebauten NS-Herrschaftsapparat.

  • Ich nenne einen vierten Befund: Die Schule scheint nach dem Ausweis der meisten Autobiographien im politischen Sozialisationsprozeß im Sinne nationalsozialistischer Zielsetzungen eine relativ geringe, eher bremsende als fördernde Rolle gespielt zu haben. Sie hat in diesem Sinne im Bewußtsein der Kinder und Jugendlichen deutliche Ambivalenzen erzeugt. Die besuchten Schulen sind von den Schülerinnen und Schülern meistens nicht als Institutionen, in denen relativ einheitliche nationalsozialistische Beeinflussung versucht worden ist oder tatsächlich stattgefunden hat, wahrgenommen worden. M. a. W.: In der Wahrnehmung bzw. Einschätzung der autobiografischen Berichter taucht selten das Bild einer durch und durch nationalsozialistischen Schule auf.

    Die meisten Berichterstatter begegneten zwar in den von ihnen besuchten Schulen jeweils einigen entschieden nationalsozialistischen Lehrerinnen und Lehrern und erlebten deren ns-parteilichen Unterricht. Aber daneben stand einerseits meistens eine größere Zahl traditionell- unpolitischer bzw. vermeintlich unpolitischer Lehrkräfte; andererseits erinnern sich viele, auffällig beeindruckt, an bestimmte Lehrerinnen und Lehrer, die - bisweilen offen, meistens formal kaschiert, inhaltlich aber für alle oder mindestens einen Teil der Schüler erkennbar, - Distanz zum System oder Kritik an wesentlichen Systemelementen erkennen ließen. Obwohl die Zahl solcher Lehrerinnen und Lehrer gewöhnlich gering und ihre systemkritischen Äußerungen naheliegenderweise selten erfolgten, hatten sie nach der Einschätzung der Berichterstatter in deren Wahrnehmung ein unverhältnismäßig hohes Gewicht; sie gaben Impulse mindestens zum kritischen Aufmerken und wurden als Bekundungen persönlichen Mutes registriert. Sie bewirkten oder verstärkten Distanzierungstendenzen, sofern solche Tendenzen durch andere Sozialisationsinstanzen bereits angeregt worden waren. In diesen Fällen konnten solche Lehrerinnen und Lehrer auf dem Weg einzelner Berichterstatter zu zunehmender Abwendung vom NS sogar herausragende Bedeutung erhalten.

  • Auch die HJ mit ihren altersspezifischen Unterorganisationen für Jungen und Mädchen scheint für die politische Sozialisation im Sinne des NS in der Mehrzahl der Fälle eine geringere Bedeutung gehabt zu haben, als das bis heute - auch in der Fachliteratur - vielfach noch angenommen wird.

    Die autobiografischen Aussagen deuten - mit Ausnahme der Gruppe der "überzeugten jungen Nationalsozialisten" - auf folgende Tendenzen hin: Für die 10- bis 14-Jährigen beruhte die Attraktivität des Jungvolks bzw. der Jungmädel zunächst gewöhnlich auf den spielerischen und den abenteuerähnlichen Aktivitäten und auf den erhofften und z. T. auch wirklich erfahrenen neuen Kontaktmöglichkeiten; für etliche auch darauf, daß sie der Enge des familiären Erfahrungs- und Bezugsraums und der elterlichen Kontrolle zeitweise entweichen konnten, insgesamt also auf den sozusagen "ju-gendbewegten Elementen" des Angebots.

    Pflichtsport betrieben die sportlich Interessierten gern, viele andere aber empfanden ihn als unangenehmen Zwang. - Das Marschieren und Exerzieren hatte offenbar allenfalls für einen Teil der Jungen, seltener für Mädchen, und fast ausschließlich in den ersten Wochen oder Monaten der Mitgliedschaft im Jungvolk oder bei den Jungmädeln, einen gewissen Reiz. Der verflog aber gewöhnlich sehr bald und schlug dann oft in Ablehnung um, zumal diese Disziplinierungsformen häufig als Bestrafung eingesetzt wurden. -

    Auf der Stufe der 14- bis 18-Jährigen war bei der Hitlerjugend die Attraktivität der Spezialeinheiten (Flieger-, Marine-, Motor-, Funk-, Reiter-HJ) häufig mit dem Tatbestand verbunden, daß hier der Exerzierdienst stark reduziert worden war. Schließlich: Hinsichtlich der sogenannten Heimabende, die offiziell ausdrücklich als Ort nationalsozialistischer Vorstellungsbildung betrachtet wurden, überwiegt in den autobiografischen Berichten auffällig das Urteil: langweilig, öde. Positive Urteile sind seltene Ausnahmen.

    Für eine spezielle Gruppe aus der Kriegsphase, nämlich die 16- bis 17- jährigen Luftwaffenhelfer, bestätigen die autobiografischen Zeugnisse einhellig ein Ergebnis der umfassenderen Untersuchung von Rolf Schörken [12] : Die Distanzierung von der Hitlerjugend, ja oft ausgesprochene Gegnerschaft gegen dieses Element des nationalsozialistischen Systems der Jugenderziehung war eines der zentralen Momente im Selbstverständnis der Luftwaffenhelfer.

  • Eine sechste Erkenntnis, die - pädagogisch gesehen - von ganz besonderem Interesse sein dürfte, ist folgende: Innerhalb der von den Autobiografen rückblickend als pronazistisch, identifikatorisch eingeschätzten Sozialisationseinflüsse tauchen fast nie "signifikante Personen" auf, d. h. Bezugspersonen, die von den Berichterstattern als für ihre persönliche Entwicklung bedeutsame, eindrucksvolle Persönlichkeiten erfahren wurden und die das, was die betreffenden Kinder oder Jugendlichen - idealisierend - als "Natonalsozialismus" verstanden, überzeugend repräsentiert hätten.

    Der tendenziell entgegengesetzte Befund aber ergibt sich hinsichtlich der distanzschaffenden, systemkritischen Einflüsse: Immer wieder werden hier in den Autobiografien signifikante Personen als zentrale Repräsentanten der Gegensozialisation genannt. Bis in die Stilistik der betreffenden Passagen in den Autobiographien hinein, die von Dankbarkeit, Bewunderung, ja nicht selten Verehrung geprägt sind, wird die Bedeutsamkeit dieser Frauen oder Männer für die autobiografischen Zeugen deutlich: sei das nun bei Walter Jens, dem späteren Professor der Altphilologie und Rhetorik, seine Erinnerung an seinen Lehrer Ernst Fritz [13] oder bei Max von der Grün die Würdigung seines antinazistischen Großvaters, eines Kutschers; sei es die systemkritische Komplizenschaft, die sich zwischen der 15-jährigen Renate Riemeck und einer anthroposophisch orientierten Gymnasiallehrerin entwickelte, [14] sei es die Vorbildwirkung, die für Wendelgard von Staden ihre Mutter gewann, die in ihrer mutigen, unpathetischen, unermüdlichen Humanität Insassen eines Häftlingslagers - Fremdarbeitern und politischen Sträflingen - auf ihrem Gutshof half und ihnen so z. T. das Überleben bis zum Zusammenbruch des Regimes ermöglichte . [15] Schließlich nenne ich als Beispiel noch den Vater einer Interviewpartnerin aus der Untersuchung der Rosenthal-Gruppe, einen halbjüdischen Handwerker. Er war bis 1933 Sozialdemokrat gewesen. Wegen seiner unehelichen Geburt konnte er in der NS-Zeit verheimlichen, daß er Halbjude war. Er hat seine Tochter bewußt und erfolgreich gegen die Ver-lockungen immunisiert, die der BDM zunächst auch für sie darstellte. [16]

  • In einem erheblichen Teil der Autobiografien wird - als identifikationsstiftender Wirkungsfaktor - die emotionale Faszination bezeugt, die insbesondere für die Jungen und Mädchen in der Kindheitsphase etwa bis zur Pubertät, z. T. auch darüber hinaus, von den ästhetischen Inszenierungen der Nazis ausging [17] : von den Massenfeiern und Fahnenaufmärschen, den Uniformen, Sprechchören und Fackelzügen, nicht zuletzt auch der NS-Programm-Musik und von manchen Filmen, u. a. dem Film über die Olympiade 1936. Allerdings scheint die rauschartige Faszinationswirkung dieser Inszenierungen bei vielen jungen Menschen im Zuge der Pubertätsentwicklung weitgehend abgeklungen zu sein.

    Insbesondere für die älteren Schülerinnen und Schüler höherer Schulen enthält die autobiografische Literatur zahlreiche Belege dafür, daß an die Stelle jener nazistisch-ästhetischen Faszinationen häufig emotional hoch besetzte, ganz anders geartete, nämlich distanzschaffende Sozialisationsfaktoren traten. Ich verdeutliche das an Elementen a- oder antinationalsozialistischer jugendlicher Subkulturen und nenne einige Beispiele: die Tendenz der Jungen, ihre Haare länger wachsen zu lassen; westliche Modeelemente wie die breitkrempigen Hüte und langen Staubmäntel; das Schminken bei den Mädchen; Swingmusik, Interesse für Elemente des Jazz usw. Die indirekte politische Bedeutung dieser Faktoren lag darin, daß hier Aspekte a- oder antinationalsozialistischer Lebensstile und Orientierungen zur Geltung kamen: Genuß, Lässigkeit, weltmännische Attitüden, freies Spiel, Ansätze liberaler Sexualität, spontane Motorik u. ä. Wir Jugendlichen empfanden diese Elemente durchaus als Orientierungen, die gegen die ns-offiziellen Leitbilder des "deutschen Jungen" und des "deutschen Mädchens" gerichtet waren. Die hektischen und oft brutalen Gegenaktionen der NS-Kontrollorgane, etwa des HJ-Streifendienstes oder auch der Gestapo sowie die dies-bezüglichen geheimen Lageberichte des NS- Kontrollapparats belegen, daß das System die subversive "Gefährlichkeit" durchaus erkannt hatte, ja wohl oft enorm überschätzte.

  • Die Erosionsprozesse, Widerspruchserfahrungen, mehr oder minder weitgehenden Distanzierungen haben nun - trotz aller Gegenläufigkeit zu den programmatischen Zielsetzungen autoritär-nationalsozialistischer Jugenderziehung - auch bei den Gruppen der Mitläufer, der Pragmatiker und der Distanzierten, deren Gesamtanteil nach meiner sehr vorläufigen Schätzung im Laufe der zwölfjährigen NS-Periode vielleicht 60 - 80 % der jungen Menschen umfaßt hat, zweifellos meistens nicht zu einer umfassenden Systemkritik und Systemgegnerschaft geführt. Einer der offenbar wichtigsten Faktoren, der in den autobiografischen Zeugnissen häufig genannt wird (auch in meinem eigenen Beitrag [18] ), ist das Führer-Idol, das bis in die Gruppe der Distanzierten hinein und mindestens bis 1943, z. T. bis in die letzten Kriegsmonate und bisweilen auch darüber hinaus wirksam blieb. Es ist dem verzweigten Netz der offiziellen NS-Propaganda gelungen, in den Köpfen vieler Kinder und Jugendlicher der NS-Zeit ein Hitler-Idol, ein idealisiertes Hitlerbild von verhängnisvoller Wirkungskraft zu erzeugen. Dieses Idol wirkte als ideologische Versöhnungsklammer und gleichsam letzte Verankerung des Systems im politischen Identitätsbewußtsein der jungen Menschen jener Zeit: Hitler erschien als der mutige und verantwortungsvolle Führer des deutschen Volkes, der ihm zu internationalem Ansehen und zu allgemeinem Wohlstand verhelfen wollte und der sein Leben angeblich ausschließlich der "Volksgemeinschaft" widmete. Er erschien als "Kunstfreund", "Kinderfreund", "Tierfreund", später als "großer Feldherr". Dieses Hitler-Idol wirkte als Deutungsfolie, die eine ideologische Versöhnung mit der zunehmenden Zahl von Widerspruchserfahrungen möglich machte, etwa mit dem miserablen Niveau vieler NS- bzw. HJ-Funktionäre, mit Bonzentum, Korruption, rigiden Disziplinierungsmaßnahmen usf. "Wenn das der Führer wüßte, er würde für Abhilfe sorgen, die Schuldigen bestrafen" usf. - diese und ähnliche Formeln tauchen im autobiografischen Material häufig auf, als subjektiv ehrlich gemeinte, objektiv gleichwohl falsche Rechtfertigungs- und Selbstberuhigungsformeln.

    V. Schluß

    Ich komme mit drei Feststellungen zum Abschluß.

    Erstens: Meine vorläufigen Untersuchungsergebnisse bestätigen ein Ergebnis, zu dem auch einer der maßgeblichen deutschen Forscher über Jugendprobleme im Nationalsozialismus, nämlich Arno Klönne von der Universität Paderborn, auf der Basis vorwiegend anderer Quellen gekommen ist [19] : Es ist der nationalsozialistischen Führung glücklicherweise nicht gelungen, in den 12 Jahren ihrer Herrschaft ein völlig geschlossenes und durchgreifend erfolgreiches System der Formierung der Jugend im Sinne des Regimes zu ent- wickeln. Zahlreiche junge Menschen, die zwischen 1933 und 1945 wesentliche Phasen ihrer Jugendentwicklung erlebten, sind - noch einmal: glücklicherweise - offenbar nicht zu fanatischen, völlig unkritischen Befürwortern des Nationalsozialismus, zum kompromißlosen jungen Nationalsozialisten im Sinne Hitlers und seiner Funktionärsschicht geworden. Die bisherige Forschung spricht vielmehr dafür, daß es bei der Mehrzahl der damaligen Jugendlichen ein breites Spektrum unterschiedlicher Mischungen aus identifikatorischen und distanzierenden Bewußtseins- und Einstellungsmomenten und entsprechender Verhaltensweisen gegeben hat. Die totale Identifikation mit dem System ist auf eine vermutlich recht kleine Anzahl junger Menschen beschränkt geblieben.

    Solche Feststellungen darf man nun keineswegs als Entlastungsargumente für das NS-System verstehen, als sei es offenbar ja "gar nicht so schlimm gewesen". Davon kann keine Rede sein: Dieses System war inhuman, imperialistisch, verbrecherisch, es war der unvergleichliche Tiefpunkt der deutschen Geschichte.

    Zweitens:Unter der Voraussetzung, daß sich Ergebnisse wie die von Klönne, anderen Forschern und mir selbst in Zukunft weiter bestätigen lassen, könnten sie folgendes Phänomen erklären: Diejenigen Deutschen, die der Jugendgeneration zwischen 1933 und 1945 angehörten, haben sich in den Jahren nach 1945 wahrscheinlich großenteils ohne tiefe Identitätskrisen von den verbliebenen Bewußtseins- und Einstellungselementen ihrer Sozialisation unter dem Nationalsozialismus gelöst und sind - soweit sie in den Westzonen Deutschlands bzw., seit 1949, in der Bundesrepublik lebten - fähig geworden, sich mehr oder minder bewußt und mehr oder minder entschieden in die Entwicklung demokratischer Verhältnisse zu integrieren oder sie aktiv mitzugestalten.

    Drittens:Die zu Beginn dieses Beitrages aufgeworfene Vermutung, daß Erscheinungsformen und Wirkungszusammenhänge kindlicher und jugendlicher Entwicklung im Nationalsozialismus und in anderen politischen Diktaturen trotz inhaltlicher Gegensätze zahlreiche Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen zeigen, muß durch weitere Untersuchungen gründlich überprüft werden.


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    Anmerkungen


    [1] ) Wolfgang Klafki: Zwischen Führerglauben und Distanzierung. In: W. Breyvogel (Hrsg.): Subjektivität und Schule. Essen 1983, S. 100 - 126.

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    [2] ) Ders.: Verführung - Distanzierung - Ernüchterung. Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus. Autobiographisches aus erziehungswissenschaftlicher Sicht. Weinheim 1988. (Enthält u. a. die erweiterte Fassung des in Anm. 1) genannten Beitrages unter dem Titel "Politische Identitätsbildung und frühe pädagogische Berufsorientierung in Kindheit und Jugend unter dem Nationalsozialismus - Autobiographische Rekonstruktionen", S. 131 - 183.)

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    [3] ) Toshiaki Miyazaki, Rezension: W. Klafki (Hrsg.): Verführung, Distanzierung, Ernüchterung. Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus. Autobiographisches aus erziehungswissenschaftlicher Sicht. Weinheim/Basel 1988. In: Studien zur Pädagogik (japanisch), hrsg. von der Japanischen Gesellschaft für pädagogische Forschung, Bd. 57, Nr. 2, Jg. 1990, S. 206 - 210.

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    [4] ) Typische Faktorenkonstellationen für Identitätsbildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen im Nationalsozialismus im Spiegel autobiographischer Berichte. In: 25. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik. (Bilanz für die Zukunft. Beiträge zum 12. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft vom 19. - 21.03.1990 in der Universität Bielefeld. Weinheim 1990), S. 119 - 122. - Eine ausführliche Fassung dieses Beitrages erschien in folgendem Band: Christa Berg / Sieglind Ellger-Rüttgardt: "Du bist nichts, Dein Volk ist alles!" Forschungen zum Verhältnis von Pädagogik und Nationalsozialismus. Weinheim 1991, S. 120 - 133.

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    [5] ) Gabriele Rosenthal u. a.: Die Hitlerjugend- Generation. Biographische Thematisierung als Vergangenheitsbewältigung. Essen 1986.

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    [6] ) Vgl. meine Einleitung zu dem in Anm. 2) genannten Buch, S. 7 - 17.

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    [7] ) Heinrich Böll: Was soll aus dem Jungen bloß werden? Kindheit und Jugend im Dritten Reich. 2. Aufl. München 1983.

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    [8] ) Inge Scholl: Die Weiße Rose. Frankfurt/M. 1980.

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    [9] ) Peter Brückner: Das Abseits als sicherer Ort. Kindheit und Jugend im Dritten Reich. Darmstadt/Neuwied 1981.

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    [10] ) Max von der Grün: Wie war das eigentlich? Kindheit und Jugend im Dritten Reich. Darmstadt/Neuwied 1981.

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    [11] ) Melita Maschmann: Fazit. - Mein Weg in der Hitlerjugend. München 1980.

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    [12] ) Rolf Schörken: Luftwaffenhelfer und Drittes Reich. Die Entstehung eines politischen Bewußtseins. Stuttgart 1985.

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    [13] ) Walter Jens: Mein Lehrer Ernst Fritz. In: M. Reich-Ranicki (Hrsg.): Meine Schulzeit im Dritten Reich. Erinnerungen deutscher Schriftsteller. Köln 1982, S. 103 - 112.

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    [14] ) Renate Riemeck: Unversehrt durch das Dritte Reich. In: Vgl. Anm. 2, S. 45 - 55.

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    [15] ) Wendelgard von Staden: Nacht über dem Tal: Eine Jugend in Deutschland. München 1982.

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    [16] ) Vgl. Anm. 5, S. 180 - 205.

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    [17] ) Vgl. Anm. 2, S. 155.

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    [18] ) Vgl. Anm. 2, S. 151/152, 167/168.

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    [19] ) Arno Klönne: Jugend im Dritten Reich. Die Hitler-Jugend und ihre Gegner. Düsseldorf/Köln 1982.

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