Heteronomie, Autonomie und Self-Empowerment in Beratungskontexten der „Eingliederungshilfe“ in Thüringen Ermöglichung einer selbstbestimmten und unabhängigen Lebensführung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen durch bedarfsorientierten Informationstransfer

Wohn- und Lebensräume haben für Menschen eine hohe Bedeutsamkeit. Sie bilden den Mittelpunkt, welcher direkte Auswirkung auf die Gestaltungsmöglichkeiten hat und Handlungsspielräume eröffnen oder auch verschließen kann. Vom Wohnraum ausgehend, gestaltet der Mensch das ganze Leben: Wohin er gehen kan...

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Main Author: Fischer, Julia
Contributors: Weber, Erik (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2024
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
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Description
Summary:Wohn- und Lebensräume haben für Menschen eine hohe Bedeutsamkeit. Sie bilden den Mittelpunkt, welcher direkte Auswirkung auf die Gestaltungsmöglichkeiten hat und Handlungsspielräume eröffnen oder auch verschließen kann. Vom Wohnraum ausgehend, gestaltet der Mensch das ganze Leben: Wohin er gehen kann, welche Sozialkontakte geknüpft und gepflegt werden, welche Angebote zur Freizeitgestaltung genutzt werden können und auch, welche beruflichen Tätigkeiten möglich sind. Auffällig dabei ist, dass vor allem Menschen mit kognitiven Beeinträchtigung keinen flächendeckenden personen- und bedarfsorientierten Zugang zu Informationen und Wissen zum Themenbereich des selbstbestimmten Wohnens im Rahmen der „Eingliederungshilfe“ erhalten, was unmittelbare Auswirkungen auf die Möglichkeit eines autonomen Entscheidungs-findungsprozess hat. Dies bestätigt auch die von Trescher veröffentlichte Pilotstudie aus dem Jahr 2018. Diese Tatsachen verstoßen maßgeblich gegen die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (BTHG) in Verbindung mit dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention). Denn nur, wer einen bedarfsorientierten Zugang zu Informationen und Wissen erhält hat die Möglichkeit, sich selbst zu ermächtigen (Self-Empowerment), über die eigene Teilhabemöglichkeiten aktiv selbst zu entscheiden (Autonomie) und sich aus Abhängigkeitsbeziehungen und Fremdbestimmung (Heteronomie) herauszulösen. Ein barrierefreier Zugang zu Informationen sowie die Möglichkeit einer störungsfreien Kommunikation stellt die Basis einer gesellschaftlichen Partizipation. Die aktuell vorliegenden Barrieren in der Beschaffung von Informationen für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigung führen unmittelbar zu starken Einschränkungen in der Selbstbestimmung. Im Rahmen der vorliegenden Dissertationsschrift wird die Qualität der Informationsaufbereitung, die Informationstransferierung sowie die Qualität des Theorie-Praxis-Transfers in den Beratungsstrukturen der „Eingliederungshilfe“ in Thüringen in Bezug auf eine selbstbestimmte und unabhängige Lebensführung differenziert untersucht und Korrelationslinien zur Beratungsqualität hergestellt. Leitend ist hierfür die Hauptforschungsfrage „Welche Möglichkeiten und Grenzen bieten aktuelle Beratungsprozesse in der ‚Eingliederungshilfe‘ in Thüringen hinsichtlich der Informationsaufbereitung, des Informationstransfers und der allgemeinen Informationsqualität für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen bezüglich einer autonomen und selbstbestimmten Wohn- und Lebenssituation?“. Es wurde eine methodenplurale Forschung im explanativen Design (nach Kuckartz, 2014) durchgeführt. Ziel war es, einen weitestgehenden „Stärke-Schwächen-Ausgleich“ der eingesetzten Methoden zu ermöglichen und dadurch ein beispielhaftes Abbild des gegenwärtigen Zustandes darzustellen sowie ein dynamisches Konstrukt eines etwaigen Soll-Prozesses abzuleiten. Hierfür wurden sowohl die Perspektiven beratender Fachkräfte als auch ratsuchender Personen quantitativ und qualitativ untersucht und auf die Prozessualität von assistierender Wohnberatung adaptiert. Diese kann als Teil pädagogischer (Beratungs-)Praxis und dabei mehrdimensional verstanden werden. Die hier zugrunde liegenden pädagogischen Aufgaben verlaufen demzufolge auf mehreren Ebenen, mit dem übergeordneten Ziel der Überprüfung adäquater Maßnahmen in Bezug auf die Umsetzung tatsächlicher Gleichstellung und Partizipation entsprechend des Disability Mainstreamings und in Bezug auf Umsetzungsprozesse, die sich inklusiv, partizipativ und partizipativ-deinstitutionalisierend vollziehen. In Bezug auf eine umfassende Versorgung mit Wohnberatungsstrukturen bedarf es effizienter und wirksamer Kooperationen zwischen Behörden, Organisationen der „Eingliederungshilfe“ und der Zivilgesellschaft (vor allem mit Selbstvertretungsorganisationen). Durch eine adäquate Vernetzungsarbeit können Synergien geschaffen sowie Ressourcen organisations- und anbieterübergreifend so geteilt werden, dass die Sicherstellung einer effizienten und umfassenden Versorgung gewährleistet wird.
DOI:10.17192/z2025.0041