Inzidenz von psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Anpassungsstörungen sowie somatoformen Störungen im Kontext von induzierten Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland

Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, wie komplex die langfristigen Auswirkungen eines Schwangerschaftsabbruchs auf die psychische Gesundheit von Frauen sein können. Im Rahmen der beiden durchgeführten Studien konnte dargelegt werden, dass ein positiver Zusammenhang zwischen einem indu-zierten Schwang...

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Main Author: Gerhard, Paul Christian
Contributors: Kalder, Matthias (Prof. Dr. med.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2024
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
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Description
Summary:Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, wie komplex die langfristigen Auswirkungen eines Schwangerschaftsabbruchs auf die psychische Gesundheit von Frauen sein können. Im Rahmen der beiden durchgeführten Studien konnte dargelegt werden, dass ein positiver Zusammenhang zwischen einem indu-zierten Schwangerschaftsabbruch und der Entstehung von drei der vier der hier untersuchten psychiatrischen Erkrankungen im Verlauf von zehn Jahren in Deutschland besteht. Bei der Analyse von mehr als 35.000 Frauen konnte belegt werden, dass die Inzidenz einer Depression und einer somatoformen Störung höher war als bei Frauen mit Lebendgeburten. Mit Hilfe von Cox-Regressionsmodellen konnte infolgedessen verdeutlicht werden, dass induzierte Schwangerschaftsabbrüche positiv mit Depressionen, Anpassungsstörungen und somatoformen Störungen assoziiert waren. In einer weiteren Fall-Kontroll-Studie mit fast 58.000 Frauen in Deutschland konnte außerdem gezeigt werden, dass sowohl ein spontaner Abbruch einer Schwangerschaft als auch eine bestehende Unfruchtbarkeit bei Frauen ein er-hebliches Risiko bergen, die o.g. vier untersuchten psychiatrischen Erkrankun-gen zu entwickeln. Darüber hinaus konnte diese Analyse herausarbeiten, dass die Stärke des Zusammenhangs zwischen Schwangerschaftsabbruch und der psychiatrischen Erkrankungen abhängig war von dem Kontext, in dem ein Abbruch der Schwangerschaft stattfand. Unterschiedlich stark ausgeprägt zeigten sich die Zusammenhänge von einem Schwangerschaftsabbruch und psychiatrischen Erkrankungen bei a) kinderlo-sen Frauen, b) bei Frauen, bei denen ein Schwangerschaftsabbruch einer Le-bendgeburt vorausging, c) bei Frauen, bei denen der Schwangerschaftsabbruch einer Lebendgeburt folgte. Überraschend ist: Auch Frauen, die bereits ein Kind hatten und weder einen spontanen noch einen induzierten Schwan-gerschaftsabbruch vorher oder nachher hatten bzw. an Infertilität erkrankt wa-ren, wiesen ein erhöhtes Risiko auf eine der psychiatrischen Störungen zu entwickeln (vgl. Kapitel 7.5). Zurückgegriffen wurde in der vorliegenden Arbeit auf Daten der landesweiten Datenbank Disease Analyser (IQVIA), die diese direkt und in voll-anonymisierter Form aus Computersystemen von Praxen der Gynäkologie und Allgemeinmedizin erhält. Die Auswahl der Praxen basiert auf deren bundesweiten Ver-teilung nach Region und Fachgebieten. IQVIA bewertet regelmäßig die Quali-tät der Informationen und deren Repräsentativität für die medizinische Grund-versorgung. Aus den Erkenntnissen der Arbeit lässt sich folgern, dass nach der Diagnose einer Schwangerschaft und vor allem vor einem geplanten Schwangerschafts-abbruch umfangreich und transparent informiert werden sollten, damit die be-troffenen Frauen letztendlich eine wohlüberlegte Entscheidung für ihre psychi-sche Gesundheit treffen können. Dies gilt insbesondere für diejenigen Frauen, die bereits ein hohes Risiko haben eine Depression oder eine andere psychische Erkrankung zu entwickeln. Weitere Untersuchungen sind nötig, um mög-liche Zusammenhänge zwischen einem Schwangerschaftsabbruch und der psychischen Gesundheit bei Frauen ohne Kinder und bei Frauen, die bereits Kinder haben, zu untersuchen. Zudem ist weitere Forschung erforderlich, um die Rolle potenzieller negativer Einflussfaktoren, wie beispielsweise eine sexuelle Dysfunktion, eine ungünstige intime Beziehung oder aber auch rezidivierende Harnwegsinfekte im Zusammenhang mit einem induzieren oder spontanem Schwangerschaftsabbruch bzw. einer Infertilität und sich daraus entwickelnden langfristigen Folgen für die psychische Gesundheit von Frauen besser verstehen zu können. Schlussendlich trägt diese Arbeit dazu bei, mehr Sensibilität, Aufmerksamkeit und Transparenz für das Thema des Schwangerschaftsabbruchs und dessen mögliche langfristigen Folgen auf die psychische Gesundheit zu lenken. Es hat sich gezeigt, dass ein medizinisch sicherer und sehr häufig durchgeführter Eingriff für viele Frauen eine enorme psychische Belastung im Verlauf der folgenden Lebensjahre darstellen kann. Insofern lässt sich aus den Ergebnissen schließen, dass es mehr Transparenz und vor allem mehr Wissen über die potenziellen Folgen eines solchen Eingriffs bedarf, sodass eine gut informierte Patientin eine wohlüberlegte Entscheidung für sich und ihr weiteres Leben treffen kann.
DOI:10.17192/z2025.0018