Analyse des Bedarfs an Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen im Landkreis Marburg-Biedenkopf

Hintergrund Seit der Verabschiedung des deutschen Präventionsgesetzes im Jahr 2015 haben sich die Mittel für Setting-bezogene Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland vervielfacht. Besondere Aufmerksamkeit erhalten dabei unter anderem Interventionen im Kindes- und Jugendalter, da hier Ges...

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Main Author: von Graefe, Gabriel
Contributor: Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie (Issuing body)
Contributors: Geraedts, Max (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2024
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
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Description
Summary:Hintergrund Seit der Verabschiedung des deutschen Präventionsgesetzes im Jahr 2015 haben sich die Mittel für Setting-bezogene Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland vervielfacht. Besondere Aufmerksamkeit erhalten dabei unter anderem Interventionen im Kindes- und Jugendalter, da hier Gesundheitsbiographien nachhaltig beeinflusst werden können und so gesundheitliche Ungleichheit bekämpft werden kann. Die Effekte derartiger Interventionen können dabei durch eine partizipative, an lokalen Bedarfen orientierte Planung positiv beeinflusst werden, weshalb das Präventionsgesetz beziehungsweise die ihm angegliederten Bundesrahmenempfehlungen lokale Bedarfserhebungen vorschreiben. Vor diesem Hintergrund hat der Landkreis Marburg-Biedenkopf eine Bedarfsanalyse in Auftrag gegeben, die Gegenstand dieser Arbeit ist. Fragestellungen Die vorliegende Arbeit analysiert den Bedarf für Kinder und Jugendliche in diesem Landkreis unter Berücksichtigung lokaler Probleme und Ressourcen entlang folgender Leitfrage und weiterer, ihr beigeordneter Fragestellungen: Wie ist der Bedarf an Gesundheitsförderung und Prävention hinsichtlich Kinder und Jugendlichen im Landkreis Marburg-Biedenkopf strukturiert? 1. Bestehen Unterschiede der Gesundheitszustände der Kommunalbevölkerungen, die auf kommunal-differenzierte Bedarfslagen schließen lassen? 2. Wo bestehen aus Sicht von Akteur:innen Bedarfsschwerpunkte? 3. Wie stellt sich der Bedarf Vulnerabler Gruppen dar, unter denen in dieser Arbeit Menschen mit Migrationshintergrund, die in Armut oder mit Behinderung leben verstanden werden? 4. Eignen sich die Ergebnisse als Grundlage für eine evidenzbasierte Interventionsplanung? Methoden Folgende quantitativen und qualitativen Herangehensweisen wurden im Sinne eines Mixed-Methods-Ansatzes kombiniert: 1. Small Area Estimation (SAE): Mithilfe von öffentlich verfügbaren Daten wurden erwartete Prävalenzen von Gesundheitsmerkmalen berechnet, indem bekannte epidemiologische Zusam-menhänge an die lokal unterschiedlichen Bevölkerungsstrukturen (Geschlecht, Alter, Einkommen) angepasst wurden. Die Ergebnisse wurden nach Kommunen aufgeschlüsselt und (karto-)grafisch dargestellt. 2. Expert:innen-Interviews: Die 22 Kommunen des Landkreises wurden aufgefordert, lokale Akteur:innen zu benennen, mit denen semistrukturierte Interviews zur Erfassung von lokalen präventionsbezogenen Strukturen, Problemen und Bedarfen durchgeführt wurden. Dabei wurde auf einzelne Altersgruppen und gesundheitlich Vulnerable Gruppen (Migrationshintergrund, Armut und Behinderung) eingegangen. Die Ergebnisse wurden zu Kategorien verdichtet, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kommunen hervorgehoben und Good Practices benannt. Ergebnisse Die Ergebnisse der SAE zeigen gesundheitliche Ungleichheiten auf, die am deutlichsten zwischen den sozioökonomisch depriviertesten und priviligiertesten Kommunen zutage treten. In 23 Interviews (2 Kommunen fehlten, in Marburg aber 4 Stadtteilinterviews) benannten 70 Akteur:innen Strukturen, Probleme und lokale Bedarfe für Heranwachsende zentrale Settings (Kitas, Jugendarbeit, Vereine, Kommunen) und Gesundheitsfaktoren (Bewegung, Ernährung und psychische Gesundheit). Die Ergebnisse zeigten Setting-bezogene Bedarfsunterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Beispielsweise war Jugendarbeit im städtischen Raum professionalisiert, konnte den anhaltend hohen Bedarf jedoch nicht decken. Im Kontrast dazu war professionalisierte Jugendarbeit im ländlichen Raum selten, weshalb Bedarf am Aufbau derartiger Strukturen geäußert wurde. Good Practices wurden benannt und umfassten unter anderem ein professionalisiertes Angebot, welches selbstverwaltete Jugendräume unterstützte. Hinsichtlich spezifischer Gesundheitsfaktoren wiesen Akteur:innen einen breiten Bedarf an vermehrten Bewegungsangeboten, wie der Instandsetzung von „Bolzplätzen“, hin. Bedenken wurden hinsichtlich mangelhafter Kindergartenernährung geäußert, während Schulernährung nicht diskutiert wurde. Hinsichtlich psychischer Gesundheit wurden verschiedenste Bedarfe, wie die Förde-rung der sexuellen Gesundheit oder Suchtbekämpfung dokumentiert, während das sonst oft diskutierte Bullying nicht erwähnt wurde. Begrenzte Informationen wurden über Schulen und die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen gesammelt. In ländlichen Gebieten galt dies auch für Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen, die in Armut leben. Die getroffenen Äußerungen wiesen aber auf einen umfassenden Interventionsbedarf hin. Diskussion & Fazit Die durch die SAE gezeigte interkommunale gesundheitliche Ungleichheit kann Schwerpunktsetzungen der Interventionsplanung informieren. Die Setting- und Gesundheitsfaktoren-bezogenen Ergebnisse bieten vielfältige, oftmals grundsätzlich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmende Anknüpfungspunkte für lokale Interventionsplanungen, die die SAE-Ergebnisse auf Kommunalebene sinnvoll ergänzen. Hinsichtlich einiger Bevölkerungsgruppen und Settings ist die Aussagekraft wegen geringer Informationsdichte, die im Zusammenhang mit der Zusammenstellung des Interviewtenkollektivs steht, eingeschränkt. Mögliche Verzerrungen (biases) können die Verlässlichkeit der Good Practice-Nennungen beeinflussen. Weitere lokale Untersuchungen zur Bedarfserhebung wurden empfohlen. Aus den Limitationen wurden zudem methodische Verbesserungsmöglichkeiten abgeleitet, womit die Arbeit zur Weiterentwicklung von Bedarfserhebungen beitragen kann.
Physical Description:196 Pages
DOI:10.17192/z2024.0395