Akute Nierenschädigung – Evaluation klassischer Parameter und Indices zur Unterscheidung einer prä- und intrarenalen Genese im klinischen Alltag sowie Untersuchung verschiedener Faktoren auf renales Outcome und Mortalität

Hintergrund: Die akute Nierenschädigung (AKI) ist eine häufige Diagnose im Krankenhaus mit signifikantem Einfluss auf Morbidität und Mortalität. Die Erkrankung kann je nach der Schwere der Funktionseinschränkung entsprechend der AKIN-Kriterien in die Stadien I-III sowie anhand der Genese in ein pr...

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Main Author: Siebler, Nadja Heike
Contributors: Haas, Christian S. (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2024
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Description
Summary:Hintergrund: Die akute Nierenschädigung (AKI) ist eine häufige Diagnose im Krankenhaus mit signifikantem Einfluss auf Morbidität und Mortalität. Die Erkrankung kann je nach der Schwere der Funktionseinschränkung entsprechend der AKIN-Kriterien in die Stadien I-III sowie anhand der Genese in ein prä-, intra- sowie postrenales AKI eingeteilt werden. Am häufigsten handelt es sich um ein prärenales AKI oder es liegt eine intrarenale Schädigung im Sinne einer akuten Tubulusnekrose (ATN) vor. Obgleich die Differenzierung beider Entitäten für das therapeutische Vorgehen und das Outcome der betroffenen Patienten relevant ist, kommt es nur selten zu einer zeitnahen nephrologischen Konsultation - sowohl aufgrund fehlender Verfügbarkeit der Fachexpertise vor Ort als auch durch Unterschätzung der klinischen Relevanz. Unklar ist außerdem, inwiefern eine vorbestehende chronische Nierenerkrankung (CKD), Infektionen oder die Ätiologie des AKI eine relevante Rolle im Hinblick auf das renale Outcome und die Mortalität haben. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Untersuchung klassischer Parameter und Indices zur Unterscheidung eines prä- und intrarenalen AKI und die Identifizierung pragmatischer, einfacher und überall verfügbarer Tests mit hoher Sensitivität und Spezifität, um Nicht-Nephrologen ein praktisches Tool zur Differentialdiagnose im klinischen Alltag zu geben. Des Weiteren sollte der Einfluss einer vorbestehenden CKD, der Ätiologie des AKI sowie von Infektionen auf die Entwicklung der Nierenfunktion und die Gesamtmortalität bei hospitalisierten Patienten mit AKI im kurz- und langfristigen Verlauf untersucht werden. Methode: In einer retrospektiven Analyse wurden über einen Zeitraum von 12 Monaten alle auf der nephrologischen Normalstation am Universitätsklinikum Marburg behandelten Patienten ≥18 Jahre mit AKI identifiziert. Patienten, die bereits vor Aufnahme dialysepflichtig waren sowie nierentransplantierte Patienten wurden ausgeschlossen. Nach Erhebung demographischer und klinischer Daten, wurden retrospektiv verschiedene Parameter und Indices (spezifisches Gewicht im Urin [USG], Urin-Natrium [UNa], Urin-Osmolalität [UOsm], Urin/Plasma-Kreatinin-Ratio [UCr/PCr], fraktionelle Natriumexkretion [FENa], fraktionelle Harnstoffexkretion [FEUrea], Renal Failure Index [RFI]) zur Differenzierung eines prä- und intrarenalen AKI im Hinblick auf ihre Verlässlichkeit im klinischen Alltag analysiert. Des Weiteren wurde das intrahospitale sowie poststationäre Outcome der Patienten untersucht: Primärer Endpunkt war die Kombination aus terminaler Niereninsuffizienz und Tod; als sekundäre Endpunkte wurden Liegedauer, intrahospitale Dialysepflichtigkeit bzw. Mortalität definiert. Ergebnisse: Von 1.402 gescreenten Patienten wurden 431 Patienten mit einem mittleren Alter von 71,7 ± 15,4 Jahren eingeschlossen, von denen 2/3 männlich waren und ca. ¾ ein schweres AKI (AKIN II-III) aufwiesen. Bei ca. der Hälfte der Patienten (49,5%) lag bereits zuvor eine CKD vor, die bei der Mehrzahl der betroffenen bereits fortgeschritten war (KDIGO G3b-G5). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 15,1 Tage, die mittlere Nachbeobachtungszeit lag bei 304 Tagen. Im Verlauf wurden 173 Patienten (40,1%) passager auch auf der nephrologischen Intensivstation mitbetreut, ca. ¼ aller Betroffenen entwickelte ein AKI parainfektiöser Genese. UNa, UOsm, USG und RFI zeigten eine hohe Spezifität >85% für eine prärenale Genese bei niedriger Sensitivität, UNa und RFI waren spezifisch für ein ATN. Schleifendiuretika, ACE-Hemmer und AT1-Blocker sowie eine vorbestehende CKD und Komorbiditäten hatten keinen wesentlichen Einfluss. Überraschenderweise waren FENa und FEUrea bei der Differentialdiagnose von prä- und intrarenalem AKI wenig hilfreich. Im kurzfristigen Verlauf zeigte sich, dass AKI-Patienten mit vorbestehender CKD häufiger dialysepflichtig entlassen wurden, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer jedoch kürzer und die intrahospitale Mortalität geringer war. Eine Intensivpflichtigkeit erwies sich als Risikofaktor für eine erhöhte Mortalität. Weder die Genese des AKI noch eine vorbestehende CKD hatten einen signifikanten Einfluss auf den primären kombinierten Endpunkt terminale Niereninsuffizienz und Tod, während die Schwere des AKI signifikant das Outcome beeinflusste. Patienten mit Urosepsis hatten den kürzesten Krankenhausaufenthalt und benötigten signifikant seltener ein Nierenersatzverfahren. Die übrigen Sepsispatienten mit AKI zeigten dagegen die höchste intrahospitale Mortalität und die längste Krankenhausverweildauer. Schlussfolgerung: Es konnte bei Patienten mit AKI gezeigt werden, dass: (1) UNa, USG und RFI drei praktikable, zuverlässige Parameter/Indices zur Differenzierung einer prä- und intrarenalen Genese im klinischen Alltag sind; (2) Schleifendiuretika, ACE-Hemmer oder AT1-Blocker sowie eine vorbestehende CKD die Aussagekraft dieser Parameter/ Indices nicht wesentlich beeinflussen; (3) die Ätiologie unter fachspezifischer Behandlung keinen Einfluss auf renales Outcome und Mortalität hat; (4) der Schweregrad negativ mit dem Outcome korreliert, jedoch unabhängig von einer vorbestehenden CKD ist; und (5) sich Patienten mit Urosepsis bei gleicher AKI-Schwere schneller erholen.
Physical Description:105 Pages
DOI:10.17192/z2024.0366