Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Patientenfluss orthopädisch-unfallchirurgischer Patienten in der Notaufnahme eines Krankenhauses der Maximalversorgung und Traumazentrums der Stufe 1
Die klinische Notfallmedizin stellt ein obligates Bindeglied zwischen der ambulanten und klinischen Versorgung dar. Hauptaugenmerk liegt auf der Versorgung von Notfallpatienten mit größtmöglichem Anspruch an die medizinische Versorgungsqualität. Dabei steigt die Inanspruchnahme der Notaufnahmen sowo...
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Contributors: | |
Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2024
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Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
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Summary: | Die klinische Notfallmedizin stellt ein obligates Bindeglied zwischen der ambulanten und klinischen Versorgung dar. Hauptaugenmerk liegt auf der Versorgung von Notfallpatienten mit größtmöglichem Anspruch an die medizinische Versorgungsqualität. Dabei steigt die Inanspruchnahme der Notaufnahmen sowohl national wie international stetig. Mehr niedrig-akute Patienten werden vorstellig, wie in der steigenden Anzahl ambulant Versorgter deutlich wird. Berichte von überfüllten Notaufnahmen und damit verbundene negative Folgen für die Versorgungsqualität und das medizinische Outcome häufen sich.
Nachdem im Dezember 2019 eine Häufung von Pneumonien aufgrund eines unbekannten Virus in der chinesischen Provinz Hubei aufgetreten sind, breitete sich der ursächliche Coronavirus SARS-CoV-2 innerhalb des Frühjahrs 2020 aus und sorgte weltweit für COVID-19 Fälle. Beginnend mit dem ersten Fall Ende Januar konnten in den folgenden Wochen auch stetig steigende Infektionszahlen in Deutschland festgestellt werden. Zum Schutz vor Erkrankungen sowie der Prävention der Überlastung des Gesundheitssystems wurden umfassende Maßnahmenpakete beschlossen. Dazu gehörten neben privaten Kontaktbeschränkungen auch Grenzschließungen sowie vermehrtes Homeoffice und Kurzarbeit. Um medizinische Ressourcen für Infizierte vorzuhalten, wurde auch der klinische Alltag eingeschränkt, indem alle verschiebbaren und elektiven, operativen Eingriffe aufgeschoben werden sollten. Durch die erfassten Maßnahmen sowie der Angst vor Ansteckung veränderte sich die Zahl der Vorstellungen in deutschen Notaufnahmen. Im Zuge dessen warnten verschiedene Fachrichtungen vor dem Ausbleiben von Notfallpatienten und verzögerten Vorstellungen während der Pandemie. Dabei lagen noch keine Daten für das Ausbleiben von orthopädisch-unfallchirurgischen Akutpatienten vor.
Diese retrospektive Untersuchung beschäftigte sich mit der Fragestellung, inwiefern sich die Vorstellungen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Zentralen Notaufnahme im Vergleich zum Vorjahr verändert haben und ob es Hinweise auf ein Ausbleiben von Akutpatienten oder eine sich veränderte Behandlungsdringlichkeit während der SARS- CoV-2 Pandemie gegeben hat.
Dazu wurden alle Vorstellungen aufgrund muskuloskelettaler Beschwerden zwischen 16.03. und 10.05. im Jahr 2020 und 2019 der Zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Gießen und Marburg am Standort Marburg ab einem Alter von 13 Jahren erfasst. Neben demografischen Merkmalen wurde das Erreichen der Notaufnahme, die Leitsymptome, die Unfallmechanismen und die Weiterbehandlung erhoben. Zusätzlich wurden geriatrische Frakturen berücksichtigt.
Insgesamt wurden 2.441 Patientenfälle eingeschlossen. Es zeigte sich, dass sich der Patientenfluss im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel reduzierte (p<0,001). Gleichzeitig wurden vergleichbare Tagesmittelwerte von Frakturen (p=0,386), operationspflichtigen Verletzungen (p=0,328) und Polytraumata (p=0,322) beobachtet. Dementsprechend stieg der Anteil dieser Merkmale an (p<0,001; p<0,001; p=0,022). Auch stieg der Anteil an rettungsdienstlich zugewiesenen Patienten (p<0,001). Eine Veränderung wurde zudem in der Verteilung der Triage-Kategorien gefunden (p<0,001), wobei sich die Tagesmittel der beiden höchsten Kategorien nicht zwischen den Jahren unterschieden (p=0,674; p=0,317). Die zugrundeliegenden Unfallmechanismen veränderten sich dahingehend, dass weniger Arbeits- (p<0,001), Sport- (p<0,001), Schul- (p<0,001), Verkehrs- (p=0,049653) und Freizeitunfälle (p<0,001) auftraten. Die Anzahl der Haushaltsunfälle blieb dagegen unverändert (p=0,867). Keine Unterschiede konnten bei Vorstellungen aufgrund von häuslicher Gewalt (p=0,813) oder Selbstverletzungen (p=0,821) gezeigt werden. Auch geriatrische Frakturen unterschieden sich nicht (p=0,839).
Insgesamt zeigte diese Untersuchung, dass sich als Folge der Pandemie sowie der erhobenen Maßnahmen der Patientenfluss im Erhebungsintervall verglichen mit dem Kontrollzeitraum deutlich verringert hat. Auch konnten klare Auswirkungen der Einschränkungen auf die Unfallmechanismen Arbeit, Schule, Sport, Freizeit und Verkehr gezeigt werden. Weiter wurde am Beispiel der geriatrischen Patienten deutlich, dass sich die Pandemiemaßnahmen selektiv nach der Verletzungsrealität der verschiedenen Patientengruppen auf die Vorstellungshäufigkeit auswirkten. Abschließend fehlten Hinweise auf ein pandemiebedingtes Ausbleiben von Akutpatienten, was sich in einer gestiegenen Behandlungsdringlichkeit widerspiegelt. |
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DOI: | 10.17192/z2024.0355 |