Perioperative, immunsuppressive Therapie mit Tacrolimus im Rahmen von Darmresektionen bei Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn – eine retrospektive, unizentrische Analyse
Am Universitätsklinikum Marburg wird eine perioperative Immunsuppression mit intravenösem Tacrolimus für 10-14 Tage bei Patient*innen mit MC im Rahmen einer Darmresektion durchgeführt. Ziel ist es, die entzündliche Aktivität am Darm zu reduzieren und so die Integrität der Anastomose zu stärken und p...
Saved in:
Main Author: | |
---|---|
Contributors: | |
Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2024
|
Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
Tags: |
Add Tag
No Tags, Be the first to tag this record!
|
Summary: | Am Universitätsklinikum Marburg wird eine perioperative Immunsuppression mit intravenösem Tacrolimus für 10-14 Tage bei Patient*innen mit MC im Rahmen einer Darmresektion durchgeführt. Ziel ist es, die entzündliche Aktivität am Darm zu reduzieren und so die Integrität der Anastomose zu stärken und postoperativen Komplikationen vorzubeugen. Diese Form der perioperativen Immunsuppression mit Tacrolimus bei MC-Patient*innen wurde unserer Kenntnis nach bislang in der Literatur nur unzureichend untersucht. Daher ist das übergeordnete Ziel der vorliegenden Arbeit die retrospektive Auswertung dieser Therapieanwendung. Es soll hierbei nach Hinweisen gesucht werden, ob diese Intervention zu einem Schaden und/oder einen Nutzen für die Patient*innen geführt hat. Die Arbeit wurde methodisch in zwei Teile aufgegliedert. Im ersten Teil wurde die Studienpopulation sowie die pharmakologischen Aspekte der Tacrolimus-Therapie näher beschrieben. Weiterhin wurde explorativ nach Unterschieden zwischen Patient*innen mit und ohne Tacrolimus-Therapie gesucht. Im zweiten Teil wurde mittels der logistischen Regressionsanalyse eine spezifische Hauptfragestellung genauer untersucht. Ziel war hier herauszufinden, ob es Hinweise für einen Einfluss der Tacrolimus-Therapie auf die Auftretenswahrscheinlichkeit von postoperativen infektiösen Komplikationen gibt.
86 Patient*innen wurden in unsere Studie eingeschlossen. 30 Patient*innen (34,88%) erhielten Tacrolimus perioperativ, 56 Patient*innen (65,12%) erhielten keine Tacrolimus-Therapie. Tacrolimus wurde im Median mit 1mg/Tag über einen Zeitraum von 11 Tagen verabreicht. Der Tacrolimus-Serumspiegel wurde insgesamt bei ca. 23 % der Patient*innen bestimmt und betrug im Median 12 µg/l. UAW traten bei drei Patient*innen auf. Neurologische UAW, wie Parästhesien und Kopfschmerzen, waren dabei die häufigsten. Bei drei Patient*innen wurde die Dosierung angepasst, bei zwei Patient*innen musste die Therapie pausiert und bei einer Person abgebrochen werden. Es zeigten sich signifikante Unterschiede hinsichtlich des Krankheitsverhaltens zwischen Patient*innen mit und ohne Tacrolimus-Therapie. So hatten Patient*innen mit Tacrolimus-Therapie signifikant häufiger präoperativ Abszesse und/oder Fisteln. Diese Unterschiede spiegelten sich auch in signifikanten Unterschieden hinsichtlich der Montreal-Klassifikation wider, bei der Patient*innen mit Tacrolimus-Therapie präoperativ häufiger ein penetrierendes und seltener ein striktuierendes Krankheitsverhalten aufwiesen. Schwere Komplikationen wie eine präoperative Sepsis lagen ebenfalls häufiger bei Patient*innen mit Tacrolimus-Therapie vor. Laborchemisch und klinisch wiesen Patient*innen mit einer Tacrolimus-Therapie zudem signifikant häufiger Zeichen einer aktiven Inflammation auf. Antibiotika und Steroide wurden präoperativ signifikant häufiger bei Patient*innen mit einer Tacrolimus-Therapie eingesetzt, Biologika wie das Infliximab dagegen signifikant seltener. Patient*innen mit Tacrolimus-Therapie wurden signifikant häufiger mit einer dringlichen Indikation operiert und auch signifikant häufiger postoperativ auf einer Intensiv- oder Intermediate-Care Station betreut. Weiterhin war der stationäre Aufenthalt signifikant länger bei Patient*innen mit Tacrolimus-Therapie. Im Hinblick auf postoperative Komplikationen wurde bei Patient*innen mit Tacrolimus-Therapie signifikant häufiger eine intraabdominelle Flüssigkeitsansammlung festgestellt. Ansonsten gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Patient*innen mit und ohne Tacrolimus-Therapie bezüglich postoperativer Komplikationen. Im weiteren poststationären Verlauf gab es ebenfalls keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Auftretens von Rezidiven oder des endoskopischen Entzündungsstatus im Sinne des Rutgeerts-Scores. In der simplen Regressionsanalyse identifizierten wir die präoperative Sepsis, eine ASA-Wert größer oder gleich 3, die Dringlichkeit der Operation, die Anlage eines Stomas, den CRP-Wert bei Aufnahme, das Geschlecht, die postoperative Dauer und ein Aufenthalt auf der Intensiv- oder Intermediate-Care Station als signifikante Einflussfaktoren auf postoperative infektiöse Komplikationen. Tacrolimus zeigte keinen signifikanten Zusammenhang zu dem Auftreten von postoperativen infektiösen Komplikationen. Auch in der multiplen Regressionsanalyse zeigten sich keine Hinweise für einen positiven oder negativen Einfluss von Tacrolimus auf die postoperativen infektiösen Komplikationen. Der CRP-Wert bei Aufnahme, die Anlage eines Stomas, das Geschlecht, die postoperative Dauer des stationären Aufenthaltes, der ASA-Wert größer oder gleich 3, sowie die Dringlichkeit der Operation zeigten sich auch in der multiplen Regression als signifikante Einflussfaktoren.
Unter Berücksichtigung der geringen Fallzahl und der damit einhergehenden Limitationen kann aus dieser Arbeit vorsichtig der Schluss gezogen werden, dass wir in unserer Stichprobe keine Hinweise eines Effektes der Tacrolimus-Therapie auf das Auftreten von postoperativen infektiösen Komplikationen feststellen konnten. Tacrolimus wurde vornehmlich bei Patient*innen mit aktiv-komplizierten Verläufen und bereits vorbestehender Steroid-Therapie eingesetzt. UAW traten selten auf und es konnten keine schwerwiegenden UAW mit Tacrolimus in Verbindung gebracht werden. Für eine genauere Beurteilung der Tacrolimus-Therapie in diesem perioperativen Setting sind jedoch Studien mit größerer Fallzahl notwendig. Für weitere Untersuchungen kann diese Arbeit als Grundlage genutzt werden. |
---|---|
DOI: | 10.17192/z2024.0319 |