Longitudinale Betrachtung der Nierenfunktion von Kindern mit Bartter-Syndrom unter Indometacin-Therapie

Das Bartter-Syndrom ist eine seltene hereditäre Nierenfunktionsstörung aus dem Bereich der Tubulopathien. Durch Defekte in 5 verschiedenen Genen, die für Ionen-Kanäle (Typ I-III), beziehungsweise deren Regulatoren (Typ IV und V) kodieren, kommt es zu einer verminderten Salzrückresorption, welc...

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Main Author: Weil, Stefanie
Contributors: Kömhoff, Martin (Prof. Dr. med.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2024
Subjects:
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Description
Summary:Das Bartter-Syndrom ist eine seltene hereditäre Nierenfunktionsstörung aus dem Bereich der Tubulopathien. Durch Defekte in 5 verschiedenen Genen, die für Ionen-Kanäle (Typ I-III), beziehungsweise deren Regulatoren (Typ IV und V) kodieren, kommt es zu einer verminderten Salzrückresorption, welche bei dieser Form der Tubulopathie insbesondere den aufsteigenden Teil der Henle-Schleife betreffen. Die klinische Präsentation ist abhängig von Art und Ausmaß des Defekts und umfasst eine Bandbreite von milden Symptomen bis hin zu lebensbedrohlichen Elektrolytverschiebungen. Die vorherrschenden Symptome erklären sich durch den Salzverlust infolge des Resorptionsdefizits und bestehen vor allem in Polyurie und Polydipsie sowie einer Hypokaliämie. Bis auf das klassische Bartter-Syndrom (Typ III) zeigt sich eine pränatale Präsentation mit ausgeprägtem Polyhydramnion und den folgenden Problemen, insbesondere der Frühgeburtlichkeit, besonders bedrohlich. Eine kausale Therapie ist bisher nicht möglich. Durch die Therapie mit Cyclooxygenaseinhibitoren kann jedoch eine Symptomkontrolle erreicht werden. Aufgrund des günstigen Wirkung-Nebenwirkung-Profils ist Indometacin von entscheidender Bedeutung. Aufgrund der hereditären Kanaldefekte wird auch in der Macula densa der Natrium-Chlorid-Einstrom reduziert, was in einer vermehrten Expression der Cyclooxygenase 2 und damit in erhöhten Prostaglandin E2 -Werten resultiert. Dieses wiederum bedingt über eine erhöhte Renin Ausschüttung die gesteigerte Aktivierung des Renin Angiotensin-Aldosteron-Systems, was indirekt die hypokaliämische Alkalose aggraviert. In diesen Prozess greifen Cyclooxygenaseinhibitoren ein, indem sie die Synthese von Prostaglandin E2 aus Arachidonsäure hemmen. Allerdings haben Cyclooxygenase-Inhibitoren eine Reihe unerwünschter Nebenwirkungen, von denen in diesem Zusammenhang die Nephrotoxizität die wichtigste Rolle spielt. Das Ziel dieser Dissertation war, die Nierenfunktion von Kindern mit Bartter-Syndrom, welche zumindest zeitweilig mittels eines Cyclooxygenase-Hemmers (meist Indometacin) therapiert wurden, im longitudinalen Verlauf zu betrachten. Als Nebenzielgrößen wurden Serum- und Sammelurinwerte im Langzeitverlauf betrachtet. Ausgewertet wurden retrospektiv die erhobenen Daten der ersten 20 Lebensjahre von 23 Patientinnen und Patienten mit Bartter-Syndrom, welche am Universitätsklinikum Marburg behandelt wurden. Innerhalb dieses Kollektivs konnte die Tendenz zur Frühgeburtlichkeit durch den Polyhydramnion bestätigt werden. Dementsprechend lag auch das Geburtsgewicht (absolut, sowie bezogen auf die Perzentilen des Gestationsalters) unterhalb der Norm. Bei der Betrachtung der Körpergröße nach Abschluss des Längenwachstums, zeigen sich leicht unterhalb der Norm liegende Werte. In der longitudinalen Betrachtung aller erhobenen Werte für die glomeruläre Filtration, lagen der größte Anteil im Stadium 2 der chronischen Nierenschädigung nach KDIGO. Auch bei der Auswertung der transversalen glomerulären Filtrationsraten nach Erreichen des Erwachsenenalters, zeigte sich, dass mit 11 Patienten der größte Anteil eine normale GFR von über 90 ml/min/1,73m2 97 aufwies. Keiner der Patienten entwickelte eine Nierenfunktionseinschränkung größer als das CKD Stadium 3a. Ein weiterer Marker der Nierenschädigung ist der Albumin /Kreatinin Quotient. Bei diesem Parameter lag der größte Teil der erhobenen Werte im Grad A1. Den schwersten Schädigungsgrad A3 erreichte nur ein geringer Anteil. Die Serumwerte für Natrium, Calcium, Chlorid, Magnesium und Alkalische Phosphatase waren erwartungsgemäß überwiegend im Normbereich zu finden. Wie auch in der Literatur beschrieben, liegt die überwiegende Anzahl der erhobenen Messungen des Serumkaliums unterhalb der Norm, was in Kombination mit den erhöhten Werten des Standardbikarbonats den Symptomkomplex der hypokaliämischen metabolischen Alkalose als typische Ausprägung des Bartter-Syndroms repräsentiert. Im Zuge der überschießenden Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems waren sowohl die Serumwerte für Renin wie auch für Aldosteron überwiegend erhöht. Selbst wenn die Therapie mit einem Cyclooxygenasehemmer offenbar die Symptomschwere reduzieren konnte, war die Senkung der Prostaglandin E2 Synthese nicht ausreichend, um die überschießende Renin Angiotensin-Aldosteron-System -Aktivierung vollständig zu verhindern. Anders als in der Literatur beschrieben, lag im vorliegenden Patientenkollektiv der Großteil der Werte für das Serumphosphat im Normbereich und oberhalb der Norm, anstatt die Tendenz zur Hypophosphatämie zu bestätigen. Es kann diskutiert werden, dass dies durch die gesteigerte tubuläre Reabsorption, infolge des intravasalen Volumenmangels sowie der metabolischen Alkalose bedingt ist. In der Auswertung des Sammelurins ist insbesondere die Polyurie von Bedeutung, welche sich auch im vorliegenden Patientenkollektiv, in Form der stark gesteigerten Diurese, manifestierte, welche ab der Pubertät rückläufig war. Mit abnehmender Polyurie sanken auch die Tagesausscheidungen pro Kilogramm Körpergewicht von Natrium, Kalium und Calcium, während die Werte für die Kreatininausscheidung mit zunehmender Muskelmasse anstiegen. Die Korrelation von Indometacindosis und glomerulärer Filtrationsrate war schwach positiv, jedoch nicht signifikant. Signifikant war hingegen die negative Korrelation, mit mittlerer Effektstärke, von Indometacin und Proteinurie. Demzufolge gingen höhere Indometacin Tagesdosen mit einer geringeren Proteinurie ein. Abschließend wurde ein t-Test durchgeführt, um die Frage zu beantworten, ob Menschen mit Bartter-Syndrom, welche langfristig mit einem Cyclooxygenase-Hemmer (meist Indometacin) therapiert wurden eine schlechtere Nierenfunktion haben als die Normalbevölkerung. Der t-Test ergab keinen signifikanten Unterscheid zwischen den Mittelwerten der glomeruläre Filtrationsrate im Erwachsenenalter, sodass die Nullhypothese (die Nierenfunktion bei Menschen mit Bartter-Syndrom und langfristiger Cyclooxygenase-Hemmer Gabe (meist Indometacin) ist nicht schlechter als die der Normalbevölkerung) nicht verworfen werden konnte. Um eine Aussage über das langfristige Outcome der Nierenfunktion treffen zu können, ist eine Weiterbeobachtung des Kollektivs notwendig sowie in folgenden Studien gegebenenfalls die Messung der glomerulären Filtrationsrate mit sensitiveren Markern, zum Beispiel durch die Bestimmung von Cystatin C.
DOI:10.17192/z2024.0263