Erzählen und Relevanzsetzung in der Schwangerenberatung
Wenn Menschen erzählen, geben sie Einblick in ihr persönliches Erleben und Erfahren. Diese Perspektive wird im medizinischen Kontext in den letzten Jahren und Jahrzehnten vermehrt beleuchtet. Schwangerschaften wiederum können besonders intensive Phasen des Lebens und Erlebens darstellen, in denen im...
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Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2024
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Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
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Summary: | Wenn Menschen erzählen, geben sie Einblick in ihr persönliches Erleben und Erfahren. Diese Perspektive wird im medizinischen Kontext in den letzten Jahren und Jahrzehnten vermehrt beleuchtet. Schwangerschaften wiederum können besonders intensive Phasen des Lebens und Erlebens darstellen, in denen immer wieder medizinische Kontexte sowie die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit berührt werden. Das Erleben und Erzählen von Schwangerschaften und Geburten im medizinischen Umfeld werden im Rahmen dieser Dissertationsschrift über einen erzähl- und konversationsanalytischen Ansatz beleuchtet.
Den Forschungsgegenstand bilden Gespräche innerhalb der Schwangerenberatung der Geburtshilfe des Universitätsklinikums in Marburg, die als Teil des Projektes „Verstehen, Relevanzsetzung und Wissen in Gesprächen der Schwangerenberatung und der Geburtshilfe“ in einer Kooperation der Philipps-Universität Marburg und des Universitätsklinikums Gießen und Marburg unter der Leitung von Prof. Dr. Kati Hannken-Illjes und Dr. Siegmund Köhler videographiert wurden. In diesen die Geburt vorbereitenden Gesprächen wird unter anderem im Rahmen der Anamneseerhebung sowie in der Besprechung der bevorstehenden Geburt wiederholt die persönliche Vorgeschichte der Schwangeren z.B. hinsichtlich Vorerkrankungen oder zurückliegender Geburten relevant. Hieraus resultieren Erzählsequenzen, die im analytischen Mittelpunkt stehen.
Dabei werden die Forschungsfragen: Welche Form hat Erzählen in Gesprächen der Schwangerenberatung? Welche Funktion erfüllt es in diesen Gesprächen für die Hochstufung oder Rückstufung von Relevanz? beantwortet.
Relevanzsetzung wird dabei nach Sator (2003) als interaktives Verfahren verstanden. Im Großteil der analysierten Gespräche erzählen die beteiligten Schwangeren, wobei die Länge und Anzahl der Erzählsequenzen variieren. Die Erzählsequenzen des Korpus nehmen in der Regel die Form von Erzählfragmenten an (Birkner, 2013), in denen eine spezifische Situation (mitunter eingebettet in einen längeren Zeitraum) referiert wird. Überdies sind die Erzählsequenzen in der Regel nicht weiter inszeniert. Dennoch liegen diesbezüglich eine Vielzahl von Variationen vor und auch szenisch-episodisches Erzählen konnte im Rahmen der Analysen festgestellt werden (Lucius-Hoene & Deppermann, 2002). Um alle identifizierten Erzählsequenzen des Korpus zu beschreiben, muss auf eine weite Begriffsdefinition im Sinne beispielsweise Lucius-Hoenes und Deppermanns (2002) oder der small stories nach Bamberg und Georgakopoulou (2008) zurückgegriffen werden.
Die über Erzählen mögliche individuelle Schwerpunktsetzung verdeutlicht die Bedeutung von Erzählen als wichtiges Mittel zur Relevanzsetzung. Das Erzählen selbst sowie die Form der Initiierung zeigen Relevanzen der Gesprächsbeteiligten an.
Bamberg, M. & Georgakopoulou, A. (2008). Small stories as a new perspective in narrative and identity analysis. Text & Talk, 28(3), 377–396. https://doi.org/10.1515/TEXT.2008.018
Birkner, K. (2013). Erzählfragmente: Narrative Funktionalisierungen zur Lösung der schweren Beschreibbarkeit von Schmerzempfindungen. In M. Hartung & A. Deppermann (Hrsg.), Gesprochenes und Geschriebenes im Wandel der Zeit: Festschrift für Johannes Schwitalla (S. 82–98). Verlag für Gesprächsforschung.
Lucius-Hoene, G. & Deppermann, A. (2002). Rekonstruktion narrativer Identität: Ein Arbeitsbuch zur Analyse narrativer Interviews. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11291-4
Sator, M. (2003). Zum Umgang mit Relevanzmarkierungen im ÄrztInnen-PatientInnen-Gespräch: Eine konversationsanalytische Fallstudie eines Erstgesprächs auf der onkologischen Ambulanz. Diplomarbeit. Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultät Wien. |
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DOI: | 10.17192/z2024.0248 |