Untersuchung einer transienten Bindetasche am Beispiel der humanen Aldose Reduktase durch hochaufgelöste Röntgenkristallstrukturen mithilfe von Mutations- und Ligandstudien
Immer mehr Menschen leiden an Diabetes mellitus, einer Stoffwechselerkrankung, wobei der erworbene Diabetes Typ II in unserer Gesellschaft auf beunruhigende Weise immer weiter ansteigt. Eine unbehandelte Hyperglykämie führt in aller Regel zu ernsten Folgeerkrankungen wie Herzkreislauferkrankungen, S...
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Contributors: | |
Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2024
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Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
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Summary: | Immer mehr Menschen leiden an Diabetes mellitus, einer Stoffwechselerkrankung, wobei der erworbene Diabetes Typ II in unserer Gesellschaft auf beunruhigende Weise immer weiter ansteigt. Eine unbehandelte Hyperglykämie führt in aller Regel zu ernsten Folgeerkrankungen wie Herzkreislauferkrankungen, Schlaganfall, Nephropathien, Neuropathien oder Retinopathien. Eine Idee zur Behandlung der diabetischen Folgeschäden sind Eingriffe in den Polyolstoffwechselweg, wobei die Adressierung der humanen Aldose Reduktase (hAR) ein vielversprechender Ansatzpunkt ist.
Obwohl die humane Aldose Reduktase das wahrscheinlich am besten untersuchteste Protein ist, mit Kristallstrukturen von durchschnittlichen Auflösungen von <1.0 Å, gibt es noch keinen geeigneten Therapieansatz zur Inhibition der hAR. In der vorliegenden Arbeit wurde die humane Aldose Reduktase als Modellprotein für die Aufklärung von transienten Taschen und zur Aufklärung von Wirkmechanismen verwendet. Ein Austausch einer einzelnen Aminosäure in der aktiven Tasche, die für das Öffnen und Schließen dieser Spezifitätstasche verantwortlich ist, führte zur permanenten Öffnung, Flutung von Wassermolekülen und Bindung von Liganden, die im Wildtyp nicht in der Lage waren, die Tasche überhaupt zu öffnen. Durch Mutagenese geeigneter Aminosäuren wurden fünf verschiedene Varianten hergestellt und durch heterologe Expression in E. coli produziert. Die aufgereinigten Proteine wurden mithilfe der Röntgenkristallografie und zwei isostrukturellen Liganden analysiert. Dabei wurde vor allem die transiente Tasche untersucht, wobei auf die Aminosäuren, die das Öffnen und Schließen regulieren, ein besonderer Fokus gelegt wurde. Alle getesteten Varianten konnten mit einer Auflösung von ~1 Å bestimmt werden. Aufgrund der räumlichen Verkürzung der Torwächter Aminosäure Leu300, findet bei einer Besetzung des Liganden in die transiente Tasche kein Peptidflip mehr satt. Die Vorflutung durch Wassermoleküle dieser Tasche hat vermutlich nicht, wie erst gedacht, einen günstigen entropischen Einfluss auf die Ligandbindung.
In einem weiteren Projekt wurde eine Ligandserie an der humanen Aldose Reduktase kristallografisch und über TSA-Messungen untersucht. Ursprünglich sollten potentielle Liganden an der Schistisosomalen AR untersucht werden. Schistosomiasis, oder auch Bilharziose genannt, gehört heutzutage laut WHO (World Health Organization) zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten, die durch Schistosoma verursacht wird. Geeignete Inhibitoren gegen die Schistosomale AR könnten ein Ansatzpunkt für eine alternative Behandlungsstrategie gegen die Infektion darstellen. Praziquantel wird hauptsächlich als Therapie gegen Schistosomiasis eingesetzt aber durch die Massenanwendung ist die Sorge groß, dass sich Resistenzen entwickelt haben, weshalb ein weiterer Therapieansatz nötig ist. Da im Rahmen dieser Arbeit keine geeigneten Kristallisationsbedingungen für die SmAR (Schistosoma mansoni Aldose Reduktase) gefunden werden konnten, wurden die von der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. SCHLITZER bereitgestellten Liganden an der humanen AR getestet, die strukturell der SmAR sehr ähnlich ist. Zwei Liganden konnten durch Röntgenkristallografie als Binder an der hAR identifiziert werden, die ebenso in den TSA-Messungen einen stabilisierenden Effekt auf das Protein hatten. Durch verschiedene Soaking-Bedingungen konnten die hAR-Strukturen in Komplex mit Schl32357 und Schl44172 bestimmt werden.
Das dritte Projekt der vorliegenden Arbeit beschäftigte sich mit kovalenten Fragmenten, die das Interesse in der Medikamentenentwicklung erst in den letzten Jahren geweckt hat. „Zielgerichtete kovalente Inhibitoren“ (targeted covalent inhibitors, TCI) tragen eine funktionelle Gruppe, mit der sie eine kovalente Bindung mit dem Zielprotein eingehen und eine Inhibition dieser bewirken. Im ersten Schritt der Bindung, wechselwirkt der kovalente Ligand in einer Gleichgewichtsreaktion mit dem Zielprotein. Erst im 2. Schritt findet die eigentliche kovalente Bindung statt, die als reversibel bis hin zu irreversibel klassifiziert werden kann. Obwohl die hohe Wirksamkeit und die zielgerichtete „Stummschaltung“ von Enzymen ein Vorteil von kovalenten Inhibitoren sind, muss die verlängerte Wirkungsdauer wegen Toxizitätsproblemen ebenso betrachtet werden. Um die Wirkungsweise von kovalenten Fragmenten einerseits und die Einführung neuartiger Inhibitoren andererseits zu untersuchen, wurde hier ebenfalls als Zielenzym die humane Aldose Reduktase gewählt. Es wurden hochreaktive Reagenzien von der Firma SPIROCHEM bezogen, die als reaktive Gruppen entweder Halogenacetate, Azetidine und Oxirane oder MICHAEL-Akzeptoren waren. Cys298 der hAR befindet sich in der aktiven Tasche und sollte adressiert werden. Es wurde bereits gezeigt, dass die Modifikation des Cys298 mit unterschiedlichen Reagenzien die Enzymaktivität aktivieren oder hemmen kann. Über Massenspektrometrie wurden die verschiedenen kovalenten Fragmente analysiert und zwei positive Hits gefunden. Die hAR-Kristalle wurden durch die SmartSoak® Methode von CRYSTALSFIRST in eine Ligandlösung für eine bestimmt Zeit eingelegt und anschließend röntgenkristallografisch untersucht. Dabei konnten die Strukturen in Komplex mit den beiden Fragmenten, die kovalent an Cys298 gebunden haben, bestimmt werden. Jedoch führte die kovalente Bindung der beiden Liganden in beiden Strukturen dazu, dass die flexible C-terminale Schleife aufgrund einer zu schlecht definierten Elektronendichte nicht eingebaut werden konnte. |
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DOI: | 10.17192/z2024.0247 |