Zusammenhang zwischen Soziabilität und Sprachentwicklung von mehrsprachigen Vorschulkindern in Deutschland
Sprachliche und soziale Kompetenzen sind essenziell für Erfolg in der Schule sowie für den sozialen und beruflichen Alltag. Gleichzeitig stellen diese Fähigkeiten den Schlüssel zu gelingender Integration dar und bilden die Basis für Chancengleichheit. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, das...
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Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2023
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Online Access: | PDF Full Text |
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Summary: | Sprachliche und soziale Kompetenzen sind essenziell für Erfolg in der Schule sowie für den sozialen und beruflichen Alltag. Gleichzeitig stellen diese Fähigkeiten den Schlüssel zu gelingender Integration dar und bilden die Basis für Chancengleichheit. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland nach wie vor stark benachteiligt sind. Die häufig eingeschränkten Deutschkenntnisse spielen dabei eine zentrale Rolle. Es gibt großen Handlungsbedarf mit wachsender Relevanz, da die Bevölkerung in unserem Land immer vielfältiger wird. Heute schon ist monolinguales Aufwachsen weltweit eher die Ausnahme als die Regel. In einigen Regionen Deutschlands wie Hessen weisen bereits mehr als 50% der Vorschulkinder Wurzeln in anderen Ländern und Kulturen auf. Die Integration wird mittlerweile als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden, welche interdisziplinär bewältigt werden muss. Vorschulischer Förderung kommt in dieser Hinsicht eine besonders wichtige Rolle zu, um die Kinder auf die schulischen Anforderungen kognitiver und sozialer Natur vorzubereiten.
Es gibt bereits einige Studien, die eine wechselseitige Beeinflussung von Soziabilität und Sprachentwicklung nahelegen. Der Sprachlernprozess erfolgt in Interaktionen mit der sozialen Umwelt, während sprachliche Kompetenzen wiederum eine bedeutende Rolle für die Ausbildung von Soziabilität spielen. Es besteht jedoch noch viel Forschungsbedarf. Ziel dieser Arbeit ist es daher, die wechselseitige Beziehung zwischen Soziabilität und Sprachentwicklung an einem sehr großen ausschließlich mehrsprachigen Kollektiv zu untersuchen und zudem der Frage nach kulturellen Unterschieden der Soziabilität nachzugehen.
Untersucht wurden vier- bis fünfjährige mehrsprachig aufwachsende Vorschulkinder aus Kitas in Hessen und angrenzenden Gebieten Nordrhein-Westfalens. Die Daten von insgesamt 1182 (78,9%) der 1498 getesteten Kinder konnten verwendet werden. Das Durchschnittsalter betrug 58,1 Monate (4;8 Jahre), das Geschlechterverhältnis zeigte sich ungefähr ausgeglichen (52,4% männlich, 47,6% weiblich). Zur Sprachstandserfassung wurde mit allen Kindern das hessische Kindersprachscreening (KiSS.2) durchgeführt. Es erfolgte die Einteilung in sprachlich auffällige und unauffällige Kinder sowie die Bildung des KiSS.2-Gesamtscores (KGS). Die Soziabilität wurde durch die Erzieher:innen anhand von Angaben zu Spiel- und Sprechverhalten der Proband:innen erfasst. Daraus wurde der Soziabilitäts-Gesamtscore (SGS) gebildet. Mit mehreren Mann-Whitney-U-Tests und Spearman-Korrelationen sowie einer linearen
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Regressionsanalyse wurden anschließend die Zusammenhänge zwischen sprachlichen und sozialen Fähigkeiten ermittelt. Zusätzlich erfolgte eine differenzierte Betrachtung der unterschiedlichen KiSS.2-Untertests in Verbindung mit Soziabilität mit den gleichen statistischen Verfahren sowie eine Untersuchung der Soziabilität abhängig vom sprachlichen Hintergrund der Kinder mittels einem Kruskal-Wallis-H-Test sowie mehreren Mann-Whitney-U-Tests.
Es zeigten sich signifikante Unterschiede im SGS bei sprachlich auffälligen und nicht auffälligen Kindern sowie eine positive Korrelation zwischen Punktzahlen im SGS und im KGS. Das bedeutet: Je soziabler ein Kind sich verhielt, desto bessere sprachliche Leistungen zeigte es und umgekehrt.
Ebenso konnten positive Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen in allen KiSS.2-Untertests und dem SGS ermittelt werden. Am stärksten korrelierten hierbei die Leistungen in den KiSS.2-Untertests Grammatik und Wortschatz mit der Soziabilität. Ähnliche Zusammenhänge konnten bereits in vorherigen Studien objektiviert werden.
Zwischen Kindern verschiedener Muttersprachen konnten nur geringe Unterschiede des SGS festgestellt werden. Kinder mit türkischsprachigem Hintergrund wiesen im Durchschnitt eine geringere Soziabilität auf als Kinder anderer Muttersprachlichkeit. Hierfür werden als Ursachen u.a. Benachteiligung türkischsprachiger Kinder im deutschen Bildungssystem, Ausgrenzung, soziodemographische Aspekte mit in der Folge verminderter Integration sowie kulturelle Unterschiede in der Erziehung diskutiert.
Insgesamt lassen sich aus den Studienergebnissen einige Implikationen für die Zukunft ableiten. Ein sehr großer Anteil der mehrsprachigen Vorschulkinder wies unzureichende Deutschkenntnisse auf. Dies unterstreicht den starken Förderbedarf, um die Chancengleichheit in Schule und Beruf zu verbessern. Fortbildung und spezielle Schulung von Fachpersonal ist eine wichtige Maßnahme. Der nachgewiesene Zusammenhang zwischen sozialen und sprachlichen Fähigkeiten lässt eine weitere wichtige Schlussfolgerung zu. Es bedarf neuer interdisziplinärer Förderansätze, welche alltagsintegriert mit Schwerpunkten in beiden Bereichen ausgerichtet und niederschwellig zugänglich sind. Insbesondere bezüglich kultureller Differenzen der Soziabilität und multilingualer Ausrichtung von Bildungseinrichtungen ergibt sich aus dieser Arbeit im Hinblick auf die zunehmende Migration deutlicher Forschungs- und Handlungsbedarf. |
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DOI: | 10.17192/z2024.0015 |