Adhärenz zu pädiatrischen Reanimationsleitlinien sechs Monate sowie ein Jahr nach stattgehabtem Inhouse-Simulationstraining an hessischen Kinderkliniken
Die vorliegende Arbeit untersuchte den langfristigen Effekt eines strukturierten pädiatrischen Simulationstrainings für interprofessionelle pädiatrische Teams auf die Leitlinienadhärenz nach sechs und zwölf Monaten. Zudem wurde der Einfluss von strukturellen Merkmalen der Teamleiter auf die Le...
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Contributors: | |
Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2023
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Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
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Summary: | Die vorliegende Arbeit untersuchte den langfristigen Effekt eines strukturierten pädiatrischen
Simulationstrainings für interprofessionelle pädiatrische Teams auf die Leitlinienadhärenz nach
sechs und zwölf Monaten. Zudem wurde der Einfluss von strukturellen Merkmalen der
Teamleiter auf die Leitlinienadhärenz evaluiert. Es handelte sich um eine multizentrische,
prospektive Interventionsstudie an insgesamt zehn hessischen Kinderkliniken zwischen Januar
und Dezember 2018. Es wurden insgesamt 112 ärztliche und pflegerische Teilnehmer in 42 Teams
untersucht. Sechs Monate (t1) und zwölf Monate (t2) nach einem zweitägigen
simulationsbasierten pädiatrischen Reanimationstraining wurde die Leistung anhand eines
Test-Szenariums erneut erfasst. Ein Teil der Teilnehmer wurde sowohl nach sechs, als auch
nach zwölf Monaten nachuntersucht (T2a), ein anderer Teil nur nach zwölf Monaten (T2b). Die
Simulationsszenarien waren standardisiert und behandelten ein kritisch krankes Kind mit
konsekutivem Herz-Kreislauf-Stillstand und defibrillierbarem Rhythmus. Die Leitlinienadhärenz
wurde anhand einer validierten Performance Evaluation Checklist erfasst. Zudem wurden
zeitkritische Schlüsselkompetenzen der pädiatrischen Notfallversorgung näher untersucht.
Hierzu wurden die per Audio-Video-System erfassten Studienszenarien randomisiert und
verblindet ausgewertet.
Die Studie zeigte, dass die Reanimationsfertigkeiten und Leitlinienadhärenz in den Monaten
nach dem initialen Simulationstraining nachließen, wenn Teilnehmer nur einmal
nachuntersucht wurden. Dieser Leistungsrückgang war unabhängig davon, ob die erste
Nachuntersuchung nach sechs oder zwölf Monaten erfolgte: Häufigkeit der Herzdruckmassage
(T0post (100%); T1 (85,7%); T0post (100%); T2b (85,7%)), Zeit bis zur Herdruckmassage, Häufigkeit
der Gabe von Adrenalin, Korrektheit der Gabe von Amiodaron. Die erhobenen Daten in Bezug
auf Defibrillation sowie die Gesamtleistung wiesen in dieselbe Richtung, scheiterten jedoch am
Signifikanzniveau. Der Kompetenzabfall erfolgte hauptsächlich in den ersten sechs Monaten
und verschlechterte sich ohne Intervention im Verlauf weiterer sechs Monate nicht maßgeblich
weiter.
Unsere Studie stellt heraus, dass bei einer zweiten Nachuntersuchung nach zwölf Monaten kein
Unterschied zum Post-Trainings-Niveau nachgewiesen werden konnte, insbesondere in Bezug
auf die Herzdruckmassage und die Medikamentengaben. In Bezug auf die Gesamtleistung und
die Defibrillation waren ähnliche Tendenzen sichtbar. Die Studie belegt damit, dass ein
Prüfungsszenarium mit Debriefing nach sechs Monaten im Sinne einer auffrischenden
Intervention einen Effekt auf den Kompetenzerhalt nach zwölf Monaten hatte. Diese Booster-Wirkung der Nachuntersuchung war ursprünglich nicht intendiert worden. Demgegenüber
blieb der beschriebene Kompetenzrückgang nachweisbar, wenn Teams dieses Szenarium nicht
durchliefen. Der Effekt, dass der beschriebene Rückgang nach zwölf Monaten nicht
nachweisbar war, wenn Teams nach sechs Monaten ein Szenarium mit Nachbesprechung
durchlaufen hatten, kann durch die zusätzliche Wiederholung, das Debriefing und den Effekt
der zeitlich versetzten Prüfung zustande kommen.
Während Studien bereits den Effekt von regelmäßigen (z.B. monatlichen) Wiederholungen auf
die Qualität einzelner prozeduraler Fertigkeiten nachgewiesen haben, zeigt unsere Studie, dass
hierdurch auch ein längerfristiger Kompetenzerhalt begünstigt wird.
Unsere Studie macht deutlich, dass ein Reanimationsszenarium mit anschließender
strukturierter Nachbesprechung eine ressourceneffektive Maßnahme zu sein scheint, um mit
überschaubarem Aufwand einen gewissen Kompetenzerhalt zu gewährleisten. Eine
Auffrischung vor Eintritt eines Leistungsabfalls auf Prä-Trainings-Werte ist dabei
erstrebenswert, um die Auffrischung im Sinne einer Maintenance-/Booster-Strategie zu
gestalten. Dadurch würde ein langfristiger Kompetenzerhalt gefördert.
Wir sahen zwar einen messbaren Trainingseffekt in einzelnen Kompetenzen wie dem Erkennen
des Herz-Kreislauf-Stillstands und der Herzdruckmassage. Diese Kompetenzen konnten infolge
des Szenariums nach sechs Monaten auch bis zwölf Monate nach dem Training
aufrechterhalten werden. Jedoch zeigen unsere Ergebnisse auch die Bereiche auf, in denen
eine Intensivierung des Initialtrainings notwendig erscheint: In Bezug auf die Gesamtleistung
und in der Defibrillation sehen wir bei den Nachuntersuchungen insgesamt nur moderate
Kompetenzen der Teams. Es zeigten sich Mängel in der Rhythmuserkennung und der
Handhabung des Algorithmus‘ für die Behandlung defibrillierbarer Rhythmen. Dies
verdeutlicht, dass einzelne Kompetenzen (z.B. Rhythmuserkennung, Amiodarongabe) schon
initial intensiver trainiert werden müssen, und auch im Debriefing nach einem möglichen
zeitlich versetzten Szenarium besonders betont werden sollten. Trainingsbedarf besteht
darüber hinaus darin, dass die Zeiten bis zur Initialisierung aller Schlüsselkompetenzen noch
weiter verkürzt werden sollten.
Unsere Studienergebnisse belegen, dass Zusammenhänge zwischen dem Berufsstatus des
Teamleiters und der Zunahme der Leitlinienadhärenz bestehen: Assistenzärztliche Teams
zeigten einen deutlicheren Leistungszuwachs in der globalen Leitlinienadhärenz zwischen FU I
und FU II als oberärztlich geleitete. Ein zusätzliches Szenarium ist somit für diese Untergruppe
besonders wirksam, während für oberärztliche Teamleiter effektivere Strategien gefunden
werden müssen.
Weitere größer angelegte Studien müssen folgen, um die Ergebnisse zu bestätigen und das
Trainingsformat zu optimieren. |
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Physical Description: | 259 Pages |
DOI: | 10.17192/z2023.0447 |