Onkologische Aufklärungsgespräche: Zufriedenheit und Anforderungen - Eine Längsschnittbetrachtung -

Das Überbringen schlechter Nachrichten (Breaking Bad News = BBN) stellt klinisch tätige Ärzte täglich vor eine besondere berufliche und menschliche Herausforderung. Es liegen insgesamt nur wenige deutschsprachige Untersuchungen vor, die die Zufriedenheit mit Aufklärungsgesprächen und die patientense...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Möller, Daniel
Beteiligte: Seifart, Carola (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2023
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Das Überbringen schlechter Nachrichten (Breaking Bad News = BBN) stellt klinisch tätige Ärzte täglich vor eine besondere berufliche und menschliche Herausforderung. Es liegen insgesamt nur wenige deutschsprachige Untersuchungen vor, die die Zufriedenheit mit Aufklärungsgesprächen und die patientenseitigen Bedürfnisse an ein solches Gespräch erheben. Noch wenig ist darüber bekannt, welche Faktoren die Bewertung der Zufriedenheit beeinflussen und ob sich kommunikative Bedürfnisse an ein solches Gespräch im Verlauf der Erkrankung und in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Befragung verändern. Die vorliegende Studie verfolgte das Ziel, die Zufriedenheit mit onkologischen Aufklärungsgesprächen, die Auswirkungen auf das emotionale Wohlbefinden sowie geltende Annahmen zu Kommunikationspräferenzen unter Berücksichtigung zeitlicher und patientenbezogener Einflüsse abzubilden. Zur Klärung der Fragestellungen wurden Patienten im Zeitraum von Oktober 2014 bis September 2016 eingeschlossen, die sich mit einer neu aufgetretenen Tumorerkrankung in stationärer Behandlung am Uniklinikum Marburg befanden. Als Forschungsdesign wurde eine quantitative Längsschnittuntersuchung auf Basis eines Fragebogens gewählt, bei der die Patienten innerhalb des Beobachtungszeitraumes nach sechs Monaten (t1) und zwölf Monaten (t2) erneut befragt wurden. Die wiederholte Befragung diente dem Bestreben, mögliche Veränderungen in Bezug auf die Kommunikationsbedürfnisse, die Bewertung der Zufriedenheit und das Bewertungsverhalten beeinflussende Faktoren zu erfassen. Zum ersten Messzeitpunkt (t0), zu dem das Aufklärungsgespräch maximal vier Wochen zurücklag, konnten 139 onkologische Patienten befragt werden. Es konnte gezeigt werden, dass die Mehrzahl der Patienten (69,4%) die Zufriedenheit mit dem Aufklärungsgespräch im oberen Bewertungsbereich zwischen 7-10 Punkten und einem Mittelwert von 7,06 (Likertskala 0-10) bewerteten. Eine höhere Zufriedenheit stand dabei in signifikantem Zusammenhang mit einer längeren Gesprächsdauer. Für die vorliegende Studie galt, dass weibliche Studienteilnehmerinnen eine signifikant höhere Zufriedenheit angaben, als männliche Teilnehmer. Für die Längsschnittbetrachtung standen Messdaten von 50 Patienten zur Verfügung. Die befragten Patienten bewerteten die Zufriedenheit mit dem Aufklärungsgespräch über alle drei Messzeitpunkte sehr ähnlich, eine Beeinflussung des Bewertungsverhaltens durch den Zeitpunkt der Erhebung konnte nicht nachgewiesen werden. In einem weiteren Schritt wurde untersucht, ob das aktuelle Befinden des Patienten zum jeweiligen Messzeitpunkt einen Einfluss auf die Bewertung des Aufklärungsgespräches nimmt. Es zeigte sich, dass die zum Messzeitpunkt t2 abgegebene Einschätzung der Zufriedenheit über das erlebte Aufklärungsgespräch nicht signifikant durch die aktuelle körperliche oder seelische Verfassung oder den subjektiv empfundenen Gesundheitszustand beeinflusst wurde. Vielmehr wurde die Bewertung der Zufriedenheit zum Messzeitpunkt t2 am stärksten durch die frühere Bewertung zum Messzeitpunkt t0 vorhergesagt. Einzig das aktuelle Verhältnis zu Ärzten war ein zusätzlicher, aber schwächerer Prädiktor für die erneute Einschätzung. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit dem Gespräch und dem unmittelbaren emotionalen Befinden in den Tagen nach dem Aufklärungsgespräch konnte nicht nachgewiesen werden. Auch hier hatte der Zeitpunkt der Erhebung keinen Einfluss auf den untersuchten Zusammenhang. Neben der Betrachtung der Patientenzufriedenheit wurden die Kommunikationspräferenzen für ein Aufklärungsgespräch unter Berücksichtigung zeitlicher Einflüsse beleuchtet. Die Patienten legten zu allen Zeitpunkten einen großen Wert auf eine klare und verständliche Kommunikation, die die Diagnose, den zu erwartenden Krankheitsverlauf und mögliche Therapieoptionen deutlich macht. Darüber hinaus sollte der aufklärende Arzt ein emotional unterstützendes Verhalten zeigen und dem Patienten Möglichkeiten einräumen, Gefühle zu äußern und Therapieschritte mitzubestimmen. Die Längsschnittuntersuchung konnte zeigen, dass die Patientenpräferenzen und die Gewichtung hinsichtlich der Bedeutsamkeit einzelner Kategorien über den gesamten Erhebungszeitraum unverändert blieben. Es wurde deutlich, dass die Schaffung angemessener Rahmenbedingungen (Setting) von höchster Relevanz für das Aufklärungsgespräch ist. Im Kern beinhaltet dies, dass sich der Überbringer ausreichend Zeit für das Gespräch nimmt, eine ungestörte Gesprächsatmosphäre wählt, Einzelheiten der Krankheit verständlich erklärt und sich über das Rückverständnis des Patienten vergewissert. Diese Studie identifiziert, dass die Ressource „Zeit“ in doppelter Hinsicht eine wichtige Bedeutung für das Aufklärungsgespräch hat: Das Bedürfnis nach „ausreichend Zeit für das Gespräch“ ist Bestandteil der am höchsten bewerteten Kategorie Setting. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die Zufriedenheit mit dem Gespräch signifikant mit der Gesprächslänge korrelierte. Für die Praxis bedeutet dies, dass bereits die Schaffung adäquater (zeitlicher) Rahmenbedingungen zu einer deutlich höheren Zufriedenheit mit Aufklärungsgesprächen führen könnte.
Umfang:97 Seiten
DOI:10.17192/z2023.0310