Patientensicherheit in der Ambulanten Versorgung
Hintergrund: In Deutschland mangelte es bisher an einem Erhebungsinstrument, um die Epidemiologie unerwünschter patientensicherheitsrelevanter Probleme (PSP) im ambulanten Versorgungssektor zu erfassen. Im Gegensatz zum stationären Bereich ist für den ambulanten Versorgungssektor unklar, wie häufig...
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Contributors: | |
Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2023
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Summary: | Hintergrund: In Deutschland mangelte es bisher an einem Erhebungsinstrument, um die Epidemiologie unerwünschter patientensicherheitsrelevanter Probleme (PSP) im ambulanten Versorgungssektor zu erfassen. Im Gegensatz zum stationären Bereich ist für den ambulanten Versorgungssektor unklar, wie häufig Patienten PSP bei welchen niedergelassenen Fachdisziplinen erleben, ob Betroffene erlebte PSP an die Behandler rückmelden und ob soziodemographische Faktoren wie ‚Alter‘, ‚Geschlecht‘ oder ‚Grunderkrankungen‘ das Auftreten von PSP im ambulanten Bereich begünstigen.
Methode: Als retrospektive Querschnittsstudie konzipiert, wurde zunächst ein Fragebogen auf Basis einer systematischen Literaturrecherche und qualitativen Leitfadeninterviews mit Ärzten (N=10) und Patienten der ambulanten Versorgung (N=20) entwickelt. Anschließend wurde der operationalisierte Fragebogen als Erhebungsinstrument PATIENT SAFETY PROBLEMS IN AMBULATORY CARE (PSP-AMB) in Form eines computer-gestützten Telefoninterviews (CATI) nach qualitativer und quantita¬tiver Vortestung eingesetzt. Die statistischen Analysen wurden mit SPSS, Version 25 durchgeführt und umfassten neben deskriptiven Analysen (inklusive 95%-Konfidenzintervalle (95%-KI)), Chi-Quadrat-Analysen (x2) und binäre logistische Regressionsanalysen unter Benennung der Odds Ratio (OR) um zu testen, ob signifikante Assoziationen zwischen dem Mitteilungs- und Reaktionsverhalten und den ‚ärztlichen Behandlungsbereichen‘, ‚PSP mit/ohne Schaden‘ sowie ‚soziodemographischen Merkmalen‘ bestehen.
Ergebnisse: PSP-AMB erhebt 32 PSP-Arten in sieben Bereichen der ärztlichen Behandlung: (1) Anamnese/Diagnostik, (2) Medikation, (3) Impfung, Spritze, Infusion; (4) ambulante Operation, (5) Praxisorganisation, (6) Nachsorge und (7) sonstiger Bereich. Erfasst werden die »PSP-EIN-JAHRES-INZIDENZ« (PSP der letzten 12 Monate vor der Befragung), die »PSP-40+-PRÄVALENZ« (PSP mit Schaden seit dem 40. Lebensjahr) sowie mittels »PROXY-INTERVIEWS« PSP mit den schwerwiegenden Folgen ‚Tod‘ oder ‚Schwerstpflegebedürftigkeit‘ bei Eltern und leiblichen Kindern ≥40 Jahre. Detailfragen pro bejahtem PSP erfassen zudem die Facharztgruppe, schädliche Folgen und den Umgang der Betroffenen mit PSP. Abschließend wird die »SOZIODEMOGRAFIE« der Teilnehmer erfasst.
Zwischen Mai und Oktober 2018 wurden bundesweit 10.037 zufällig rekrutierte Bürger ≥40 Jahre (Teilnehmerquote: 12,4%) interviewt. Die Abbruchquote lag bei 8,3%. Die Stichprobe repräsentiert die deutsche Bevölkerung ≥40 Jahre (2017: 22,5 Mio. Männer und 24,7 Mio. Frauen; 57% der Gesamtbevölkerung).
Die deskriptiven Analysen der »PSP-EIN-JAHRES-INZIDENZ« verweisen auf eine Inzidenz von 14,2% im ambulanten Versorgungssektor. Insgesamt wurden 2.589 PSP von 1.422 Personen der gewichteten Stichprobe berichtetet (durchschnittlich 1,8 PSP/Person). Der medizinische Behandlungsbereich Anamnese/Diagnostik war am häufigsten von PSP betroffen (61,1%, 95%-KI: 59,3-63,0); gefolgt von Medikation (15,4%, 95%-KI: 14,0-16,8) und der Praxisorganisation (9,8%, 95%-KI: 8,7-11,0). Mehr als die Hälfte der PSP wurden im Rahmen einer fachärztlichen Behandlung (56,4%, 95%-KI: 48,0-65,6) erlebt, 43,7% (95%-KI: 41,8-45,6) bei einer hausärztlichen Behandlung. Rund drei Viertel der PSP hatten schädliche Folgen für die Patienten (74,7%, 95%-KI: 73,0-76,4). Am häufigsten wurden ‚unnötig langanhal¬tende Schmerzen‘ (16,5%, 95%-KI: 15,6-17,5) und eine ‚Verschlechterung des Gesundheitszustands‘ (16,1%, 95%-KI: 15,1-17,1) berich¬tet. 72,0% (95%-KI: 70,2-73,7) der berichteten PSP wurden durch die betroffenen Patienten oder durch Angehörige zurückgemeldet, 64,3% (95%-KI: 62,5-66,2) der PSP hatten eine weitere Reaktion zur Folge: 38,4% (95%-KI: 36,5-40,1) der PSP führten zudem zu einem Vertrauensverlust, einer Beschwerde (32,6%, 95%-KI: 30,9-34,5) oder einem Arztwechsel (25,7%, 95%-KI: 24,0-27,4).
Sowohl die Chi-Quadrat- als auch die binären logistischen Regressionsanalysen zeigen signifikante Assoziationen zwischen dem (a) Mitteilungs- und (b) Reaktionsverhalten und den Faktoren ‚ärztlicher Behandlungsbereich‘ (a) x2=17,13, p=,009 / (b) x2=97,58, p=,000), ‚PSP mit/ohne Schaden‘ (a) x2=111,84, p=,000 / (b) x2=265,39, p=,000) sowie den Patientenmerkmalen ‚Alter zwischen 40-59 Jahren‘ (a) OR 2,57 (95%-KI: 2,04-3,23) / (b) OR 2,60 (95%-KI: 2,06-3,28) oder Bestehen einer ‚chronischen Krankheit‘ (a) OR 2,16 (95%-KI: 1,89-2,47) / (b) OR 2,14 (95%-KI: 1,87-2,46).
Diskussion und Ausblick: Die Studienergebnisse zeigen, dass PSP-AMB gezielt genutzt werden kann, um epidemiologische Daten über die Häufigkeit konkreter PSP aus der Patientenperspektive zu erfassen. Die Daten deuten darauf hin, dass in der ambulanten Versorgung häufig mit PSP zu rechnen ist, diese teils schwerwiegende Schäden haben und eine weitere Inanspruchnahme des Gesundheitssystems nach sich ziehen können. Zudem kann beobachtet werden, dass PSP häufig durch Patienten an ihren behandelnden oder einen anderen Haus- oder Facharzt zurückgemeldet werden und die Arzt-Patienten-Beziehung beeinträchtigen können. |
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Physical Description: | 170 Pages |
DOI: | 10.17192/z2023.0180 |