Effekt eines dreiwöchigen pneumologischen Rehabilitationsprogramms auf den Frailty-Status bei Patient:innen vor Lungentransplantation - eine Beobachtungsstudie

Frailty (dt.: Gebrechlichkeit) ist ein klinisches Syndrom des Abbaus körperlicher und kognitiver Funktionen, welcher zu einer verminderten Reserve und geringeren Wider-standsfähigkeit gegenüber Stressoren führt. Bei Kandidat:innen für eine Lungentrans-plantation (LTx) ist Frailty in einem erhebliche...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Wiederhold, Jian Paula
Beteiligte: Kenn, Klaus (Prof. Dr. med.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2022
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Frailty (dt.: Gebrechlichkeit) ist ein klinisches Syndrom des Abbaus körperlicher und kognitiver Funktionen, welcher zu einer verminderten Reserve und geringeren Wider-standsfähigkeit gegenüber Stressoren führt. Bei Kandidat:innen für eine Lungentrans-plantation (LTx) ist Frailty in einem erheblichen Ausmaß vorhanden (10-45%) und gilt als Risikofaktor für das unerwünschte Ausscheiden von der Warteliste. Zudem besteht die Assoziation mit einer vermehrten Ein-Jahres-Mortalität nach LTx, welche mit einem hö-heren Grad an Frailty ansteigt. Damit präsentiert sich die Reduktion von Frailty als mög-licher Ansatzpunkt zur Optimierung des LTx-Gesamterfolgs, was aufgrund der limitierten Verfügbarkeit von Organen und hoher Kosten für das Gesundheitssystem nicht nur von individuellem, sondern auch von gesamtgesellschaftlichem Interesse ist. In der vorliegenden Arbeit wurden die Auswirkungen einer stationären dreiwöchigen Pneumologischen Rehabilitation (PR) auf den Frailty-Status von LTx-Kandidat:innen anhand einer prospektiven Beobachtungsstudie untersucht. Eingeschlossen wurden 32 LTx-Kandidat:innen mit den Grunderkrankungen COPD, ILD oder einer Mischform (CPFE), die im Zeitraum Februar bis November 2019 an einer speziellen PR-Maßnahme in der Schön-Klinik Berchtesgadener Land teilnahmen. Als primärer Outcome wurde die Veränderung der Short-Physical-Performance-Battery (SPPB, Range 0-12; frail ≤7, pref-rail: 8-9, non-frail ≥10), als sekundärer Outcome die Veränderung des Fried Frailty Phe-notypes (FFP, Range 0-5; frail ≥3, prefrail: 1-2, non-frail: 0) gemessen. Die SPPB be-steht als körperlicher Funktionstest aus Balancetest, 4m Gehtest und Sit-To-Stand Test. Der FFP fragt die Items Gewichtsverlust, Alltagsaktivität, Gehgeschwindigkeit, Handkraft und subjektive Erschöpfung ab. Neben der Frailty-Messung wurden weitere körperliche, soziale, psychische und kognitive Funktionen sowie die Trainingsadhärenz erhoben und auf potenzielle Wechselbeziehungen mit dem Frailty-Status untersucht. Unter den 32 untersuchten Proband:innen [Alter: 59±5 J.; 53,1% weiblich; 31% aktiv gelistet; 44% COPD, 44% ILD, 12% CPFE] zeigte sich eine beachtliche Prävalenz von Frailty [SPPB:16%; FFP: 26%] und Prefrailty [SPPB: 31% ; FFP: 58%] zu PR-Beginn. 28 Proband:innen erreichten bei der Baseline-Messung einen SPPB-Score<12 und wurden in die finale Analyse des primären Outcomes miteinbezogen. Der durchschnittli-che Baseline-SPPB-Score von 8,8 Punkte (Median: 9 – prefrail) konnte hier im Verlauf der Rehabilitationsmaßnahme statistisch signifikant und klinisch relevant um 1,4 Punkte auf 10,2 (Median: 11 – non-frail) gesteigert werden (p<0,001). Dabei zeigte sich insge-samt eine signifikante Anteilsreduktion der Gruppen mit Status frail (von 5 auf 3) und prefrail (von 10 auf 4 Proband:innen), während die Gruppe mit Status non-frail deutlich an Größe gewann (von 13 auf 21 Personen). Bis auf 4 Teilnehmende (14,3%) mit gleichbleibendem Score, verbesserten sich alle Proband:innen um mindestens 1 Punkt (MCID=1). Eine Verschlechterung im Score konnte in keinem Fall beobachtet werden. Der bei 27 Proband:innen zusätzlich erhobene durchschnittliche FFP-Score von 1,9 Punkten (Median: 2 – prefrail) konnte im Verlauf der PR ebenfalls statistisch signifikant um 0,9 Punkte auf 1,0 Punkte (Median: 1 – prefrail) verbessert werden. Analog zur Mes-sung anhand der SPPB reduzierten sich im Verlauf der PR die Anteile an den Gruppen frail (FFP≥3; von 8 auf 4 Personen) und prefrail (FFP=1-2; von 15 auf 11), während die Gruppe non-frail (FFP=0) einen Zuwachs von 8 Personen aufwies. Neben 10 Pro-band:innen mit gleichbleibendem FFP-Score, verbesserten sich die übrigen 17 Perso-nen um mindestens einen Punkt (MCID=1). Ferner konnte über die multilaterale Herangehensweise an die Thematik aufgezeigt werden, dass Frailty nicht nur physische Effekte auf Mobilität und Muskelkraft hatte, sondern sich auch auf die Lebensqualität und die psychische Gesundheit der LTx-Kandidat:innen auswirkte. Besonders hervorzuheben sind die starken Wechselbezie-hungen zwischen Frailty und schlechterem Abschneiden im TUG, 6MWT und der Bein-kraftmessung, sowie einer ungünstigeren Körperzusammensetzung (höherer ECM/BCM-Quotient, höherer Phasenwinkel) und einer geringeren krankheitsspezifi-schen Lebensqualität (niedriger CRQ). Dabei konnten einige Parameter (darunter TUG, 6MWT und CRQ) im Verlauf der PR klinisch relevant verbessert werden. Eine Korrelati-on zwischen kognitiver Performance und körperlicher Frailty zeigte sich nur in geringem Maße für die ACE-R-Unterkategorie Gedächtnis. Es konnte ein Unterschied in der Trai-ningsadhärenz unter den nach SPPB-Frailty-Status eingeteilten Gruppen gesehen wer-den. Dabei erfüllten Proband:innen der Gruppe frail (SPPB≥3) ihre geplanten Trainings-einheiten am zuverlässigsten (90%/Soll), während die Teilnehmenden mit Status prefrail (SPPB=8-9) ihr Soll am wenigsten erfüllten (67%/Soll). Insgesamt fügen sich die Ergebnisse in bisherige Erkenntnisse zu Frailty bei schwerer chronischer Lungenerkrankung ein. Erstmalig konnte hier eine klinisch relevante Frailty-Reduktion durch das multimodale Konzept der stationären Prä-LTx-PR gezeigt werden. Zukünftige Studien sollten sich weiter mit der Thematik befassen, um einerseits die Da-tenlage zu festigen, und andererseits zu prüfen, inwieweit die Verbesserung nach PR beibehalten werden kann und ob dadurch ein tatsächlicher Vorteil in Bezug auf Lebens-qualität und Überleben bei der LTx und in der Nachsorge geschaffen werden kann.
Umfang:96 Seiten
DOI:10.17192/z2023.0137