Between natural and human disturbance: Ecology and conservation of a remnant population of the Western Capercaillie (Tetrao urogallus) in the Bohemian Forest
Human activities have strongly modified forest ecosystems across Europe. Today, less than 40 % of the total land surface area are covered by forests and only 4 % of those are strictly protected. Forest ecosystems are naturally shaped by disturbances that modulate their structural character-istics at...
Main Author: | |
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Contributors: | |
Format: | Doctoral Thesis |
Language: | English |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2021
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Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
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Die Waldökosysteme Europas werden durch menschlichen Einfluss sehr stark überformt. We-niger als 40 % der gesamten Landfläche sind heute noch von Wäldern bedeckt und nur vier Prozent davon unterliegen einem strengen ge-setzlichen Schutz. Natürlicherweise werden Waldökosysteme durch Störungen und Prozesse auf unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen dynamisch verändert und in ihren struk-turellen Merkmalen geprägt. Diverse natürliche Störgrößen stehen dabei oft in einem positiven Zusammenhang mit der Qualität des Lebens-raums und der biologischen Vielfalt. Jedoch verändern menschliche Eingriffe durch z. B. Be-wirtschaftung die Dynamiken dieser raum-zeitlichen Muster. Während generalistisch lebende Arten in der Lage sein können, sich an diese neuen Dynamiken anzupassen, reagieren Waldspezialisten – oft prioritär im Naturschutz - meist negativ auf menschliche Eingriffe und gelten daher als Indikatoren. Um herauszufinden, inwieweit natürliche und menschliche Störun-gen eine störungssensible, auf Wälder speziali-sierte Art beeinflussen, habe ich mich bei mei-ner meiner Forschung mit einer Population des Auerhuhns (Tetrao urogallus) in zwei benachbar-ten Nationalparken, Šumava (Tschechische Republik) und Nationalpark Bayerischer Wald (Deutschland) sowie die umliegenden Wirt-schaftswälder (Böhmerwald) befasst. Meine Arbeiten hatten dabei folgende Ziele: (i) die Popu-lationsgröße und die genetische Populations-struktur des Auerhuhns zu bestimmen, (ii) die räumlichen Verteilungsmuster der Art zu erfas-sen und zu analysieren, und (iii) die physiologischen Stressreaktion in Relation zu verschiedenen Störungsregimen zu analysieren. Im Rahmen meiner Studien konnte ich für das gesamte Untersuchungsgebiet eine Popula-tionsgröße von ca. 550 Individuen ermitteln. Die populationsgenetischen Analysen zeigten, dass diese Population bei gleichbleibenden Umwelt-bedingungen langfristig als überlebensfähig einzustufen ist. Darüber hinaus ergaben meine Autokorrelationsanalysen keine signifikante räumliche genetische Struktur und damit einen unge-hinderten Genfluss über den gesamten Böhmerwald. Die Population gilt meinen Ergebnissen zu Folge damit aktuell als größte Reliktpopulationen der mitteleuropäischen Mittelgebirge. Die Ergebnisse meiner Studie deuten zudem darauf hin, dass nach einem starken Rückgang der Populationsgröße in den 1970er Jahren die anschließende Bestandsstützungsmaßnahme das langfristige Überleben der bedrohten Art gefördert hat. Insgesamt konnte ich in mehr als 60 % der untersuchten 50 ha - Rasterzellen Auerhühner nachweisen. Die reine Präsenz als auch die A-bundanzen standen dabei selbst innerhalb ge-eigneter Lebensraumtypen in einem negativen Zusammenhang mit touristischen Aktivitäten. Dies weist darauf hin, dass Habitate mit menschlichen Aktivitäten von den störungssensiblen Auerhühnern aktiv gemieden werden. Die Daten zu forstwirtschaftlichen Aktivitäten ließen jedoch keinen derartigen Trend erkennen. Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse deut-lich, dass ein gezieltes Lenken von Freizeitaktivitäten in den Schutzgebieten zum Artenschutz dringend erforderlich ist. Ausgewählte Zonen sollten dabei explizit als Rückzugsgebiete für diese Flaggschiffart ausgewiesen und frei von jeglicher Störung gehalten werden. Diese Forderung wird durch einen weiteren Teil meiner Studien eindeutig unterstützt, da die physiologischen Stressreaktionen der 1,096 untersuchten Individuen mit zunehmender Lebensraumqualität deutlich verringert waren. Hingegen konnten Gebiete mit erhöhtem Besucheraufkommen mit erhöhten Stressreaktionswerten in Verbindung gebracht werden; zumindest, wenn man die Individualität der „echten Individuen“ berück-sichtigte. Störungen durch forstwirtschaftliche Aktivitäten führten dagegen nicht zu einem signifikanten Anstieg der physiologischen Reaktionen. Dies deutet darauf hin, dass sich Individuen in ihrer physiologischen Reaktion auf Störungen durch touristische Erholungsaktivitäten erheblich unterscheiden. Zusammenfassend konnte ich damit eindeutig zeigen, dass sowohl die Überwachung der Populationsgröße als auch der physiologischen Stressreaktionen - vorzugsweise auf individueller Ebene - in Kombination mit Analysen der Lebensraumqualität und möglicher Störfaktoren geeignete Instrumente sind, um wertvolle Ba-sisdaten für die Entwicklung von Managementstrategien zum Schutz des Auerhuhns zu liefern. Der allgemeine Erhaltungszustand der Populati-on lässt auf gute Voraussetzungen für ihren künftigen Fortbestand schließen. Da ich jedoch nur zwei Drittel der Individuen innerhalb der Grenzen der Nationalparke nachweisen konnte, ist eine kohärente Managementstrategie, insbesondere im Hinblick auf die Komplexität der Lebensräume, unerlässlich, um das langfristige Überleben der Population in der Region zu gewährleisten. Zudem zeigen die Ergebnisse deutlich, dass sowohl die räumlichen Verteilungsmuster als auch die physiologischen Stressreaktionen auf touristische Erholungsaktivitäten reagieren. Entsprechend sollte ein umfassendes und grenzüberschreitendes Überwachungsprojekt in Verbindung mit Managementplänen eingerichtet werden, welche ein intelligentes Konzept zur Besucherlenkung beinhalten. Die wesentliche Größe stellt hierbei die Einrichtung ausreichend großer Rückzugsgebiete mit qualitativ hochwertigen Lebensräumen dar. Zudem sollte ein solcher Plan auch weitere Veränderungen in den Waldstrukturen beobachten, da sich das Ökosystem nach den großflächigen Windwurfereignissen und Borkenkäferkalamitäten in einem fortlaufenden Sukzessionsprozess befindet. Wie sich solche Veränderungen auf die Habitatnutzung des Auerhuhns auswirken, ist bisher jedoch nicht schlüssig geklärt. Insgesamt konnte ich zeigen, dass das Auerhuhn als Waldspezialist eine geeignete regionale Indikatorart darstellt, die selbst in Nationalparkflächen sensibel gegenüber Störgrößen rea-giert, und zwar entweder durch räumliches Ausweichen oder durch erhöhte Stressbelastung. Die angewandten Methoden sind daher sehr gut geeignet, um die Nationalparkbehörden bei evidenzbasierten und naturnahen Managemententscheidungen zu unterstützen, welche sowohl den Schutz der Wildtiere als auch die nachhaltige Erholung der Menschen als Schutz-Ziel berücksichtigt.