MR-morphometrische Analyse neuronaler Korrelate von Schizotypie

Schizotypie beschreibt unter anderem mit eingeschränktem Affekt, überwertigen Ideen und ungewöhnlichem Verhalten an psychotische Symptome erinnernde Persönlichkeitseigenschaften. Diese Eigenschaften liegen in unterschiedlicher Ausprägung auch bei der gesunden Allgemeinbevölkerung vor. In Teilen der...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Mosebach, Johannes
Beteiligte: Nenadić, Igor (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2021
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Schizotypie beschreibt unter anderem mit eingeschränktem Affekt, überwertigen Ideen und ungewöhnlichem Verhalten an psychotische Symptome erinnernde Persönlichkeitseigenschaften. Diese Eigenschaften liegen in unterschiedlicher Ausprägung auch bei der gesunden Allgemeinbevölkerung vor. In Teilen der Forschung besteht die Annahme eines Kontinuum-Modells, das die schizophrene Störung als Endpunkt einer kontinuierlichen Dimension sieht. Gestützt wird diese Annahme durch die Befunde geteilter genetischer und umweltbedigter Risikofaktoren. Gleiches gilt für die Beobachtung des Vorliegens höherer Schizotypie-Werte bei Menschen mit gesteigertem Psychoserisiko und bei Verwandten von schizophren Erkrankten. Vorangehende Untersuchungen zu morphologischen Korrelaten von Schizotypie bei Gesunden zeigten bei teils inkonsistenten Ergebnissen eine Beteiligung von gleichsam mit der schizophrenen Störung verknüpften Strukturen wie dem präfrontalen Kortex und dem Praecuneus. Mit dieser Arbeit erfolgte eine multimodale Untersuchung im Hinblick auf das Vorliegen morphologischer Korrelate von Schizotypie. Berücksichtigung fanden die MRT-Daten von 673 gesunden Testpersonen, erhoben durch die DFG-Forschergruppe FOR2107 in Zusammenarbeit der Universitäten Marburg und Münster. Schizotype Eigenschaften wurden mittels SPQ-B-Fragebogens gemessen. Dieser erfasst zusätzlich zu einem Gesamt-Score drei Teilbereiche. Zusätzlich diente eine klinische Diagnostik mittels SKID-1-Interviews der Validierung. Die Untersuchung des Volumens und der Oberflächenstruktur des Kortex erfolgte mit CAT12 als Teil der SPM-Software. Untersuchte Qualitäten waren neben dem Volumen grauer Substanz die kortikale Dicke, die Gyrifzierung und die kortikale Komplexität. Mittels FSL wurden Informationen aus den DTI-Daten gewonnen. Fraktionelle Anisotropie und radiale Diffusivität dienten dabei als Maß für die Gerichtetheit und Integrität der Faserzüge weißer Substanz. Die statistische Analyse erfolgte unter Verwendung eines allgemeinen linearen Modells als voxelweise Korrelationsanalyse. Geprüft wurden für den Gesamtscore und die drei Teilbereiche die Hypothesen einer Korrelation von schizotypen Merkmalen und dem Volumen dorsolateral und medial präfrontaler Areale sowie dem Praecuneus, einer Korrelation mit der Integrität der Faserverbindungen im frontostriatalen System und einer Assoziation zu der kortikalen Faltung im lateralen präfrontalen Kortex. Die Ergebnisse zeigten eine Korrelation zwischen der Gerichtetheit weißer Hirnsubstanz innerhalb des frontostriatalen Systems und schizotypen Persönlichkeitsmerkmalen. In diesem Areal zeigte sich zwischen kognitiver-perzeptiver Schizotypie und FA ein negativer, zwischen interpersonaler Schizotypie und FA dagegen ein positiver Zusammenhang. Der SPQ-B-Gesamtscore korrelierte ausschließlich negativ mit der FA, überwiegend in Assoziationsfasern. Ein negativer Zusammenhang ergab sich zwischen interpersonaler Schizotypie und dem Volumen grauer Substanz in einem Areal des linken Cerebellums. Positiv verbunden waren kognitiv-perzeptive Schizotypie und der Gyrifizierungsindex in einem Areal des inferioren Parietallappens links. Die Untersuchung lieferte keine Hinweise auf eine Verbindung zwischen Schizotypie und dem Volumen in präfrontalen Arealen und dem Praecuneus. Gleiches gilt für den in die Hypothesen einbezogenen möglichen Zusammenhang zwischen Schizotypie und der kortikalen Faltung im präfrontalen Kortex. Besonders die Struktur weißer Hirnsubstanz scheint verknüpft zu sein mit schizotypen Persönlichkeitseigenschaften. Die gegensätzlichen Assoziationen zur Gerichtetheit von Faserbahnen des frontostriaten Systems könnten Ausdruck der durch die Vielzahl an der Entstehung beteiligter Gen- und Umweltfaktoren bedingten Heterogenität des Schizotypiekonstruktes sein. Unter der Annahme der Existenz eines Kontinuums von schizotypen Eigenschaften bei Gesunden bis hin zur schizophrenen Störung lässt sich die negative Korrelation zwischen Merkmalen positiver, desorganisierter Schizotypie sowie dem Gesamtscore und der fraktionellen Anisotropie als tendenziell kongruent zu Beobachtungen bei Schizophrenie sehen. Die Ergebnisse könnten folglich die Vorstellung einer für die Entwicklung einer schizophrenen Störung maßgeblichen Veränderung der Konnektivität weißer Hirnsubstanz untermauern. Entsprechend sind als Folge sekundär auftretende, gegebenenfalls den Krankheitsbeginn kennzeichnende, messbare volumetrische Veränderungen im Bereich des Frontallappens und des Praecuneus denkbar. Die Ergebnisse dieser Arbeit scheinen die Vorstellung einer in die Emotionswahrnehmung und das Mentalizing einbezogene und damit über die Motorik hinausgehende Funktion des Cerebellums zu stützen. Die beobachtete Korrelation zwischen kognitiv-perzeptiver Schizotypie und Gyrifizierungsindex im Parietallappen könnte aus einer veränderten frühkindlichen Hirnentwicklung mit genetischer Komponente resultieren. Perspektivisch ist zur Detektion einer tatsächlichen Konversion zur schizophrenen Störung in Abhängigkeit von den im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigten strukturellen Korrelaten von Schizotypie die weitere Beobachtung der Testpersonen sinnvoll.
Umfang:91 Seiten
DOI:10.17192/z2022.0009