Der Einfluss der kurzkettigen Fettsäure Valproat auf die T-Zell-vermittelte Immunantwort

Valproinsäure, beziehungsweise ihr Salz Valproat, wird seit mehr als 50 Jahren als Antikonvulsivum eingesetzt und ist das am häufigsten verschriebene antiepileptische Pharmakon in Deutschland. In den letzten Jahren ist diese Substanz aufgrund der Entdeckung ihrer antineoplastischen Wirkungen, wie zu...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Breidenbend, Carina
Beteiligte: Visekruna, Alexander (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2021
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Valproinsäure, beziehungsweise ihr Salz Valproat, wird seit mehr als 50 Jahren als Antikonvulsivum eingesetzt und ist das am häufigsten verschriebene antiepileptische Pharmakon in Deutschland. In den letzten Jahren ist diese Substanz aufgrund der Entdeckung ihrer antineoplastischen Wirkungen, wie zum Beispiel der Induktion von Apoptose in Tumorzellen, verstärkt in den Fokus der Forschung gerückt. In diesem Zusammenhang wurde entdeckt, dass Valproat ein potenter Histondeacetylase (HDAC)-Inhibitor ist. HDACs sind Enzyme, die durch epigenetische Veränderungen verschiedene zelluläre Prozesse wie die Apoptose, Differenzierung und Proliferation modulieren können. Eine Inhibition dieser führt somit zu weitreichenden Veränderungen, und zwar insbesondere in Tumorzellen, in denen HDACs häufig dysreguliert sind. Strukturell gesehen ist die Valproinsäure eine synthetisch hergestellte, verzweigte kurzkettige Fettsäure (SCFA). SCFAs entstehen physiologisch mittels anaerober Fermentation unverdauter Nahrungsbestandteile im Kolon und gelten als Hauptmetabolite des intestinalen Mikrobioms. Unsere Forschungsgruppe hat die Wirkung verschiedener SCFAs wie Butyrat und Valerat auf Inflammation und Karzinogenese intensiv untersucht. Dabei wurde ein weitreichender modulatorischer Einfluss auf das Immunsystem deutlich, dessen Dysregulation zu der Entstehung von Autoimmunerkrankungen und Tumoren führen kann. Eine besondere Rolle kommt dabei T-Lymphozyten zu, die einen zentralen Pfeiler der adaptiven Immunantwort bilden und entscheidend in Anti-Tumor-Antworten involviert sind. Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurden neue Therapieansätze im Sinne einer Modulation des Immunsystems mittels verschiedener Techniken und Substanzen entworfen. Dazu zählt beispielsweise der adoptive Zelltransfer von gentechnisch veränderten chimäre Antigenrezeptor (CAR-)gekoppelten T-Zellen im Rahmen einer Immuntherapie. Die Fragestellung, ob auch Valproat ähnlich immunmodulierend wirken und somit potenziell im Rahmen einer solchen zellulären Immuntherapie zur Bekämpfung von Tumoren eingesetzt werden könnte, sollte in dieser Dissertation systematisch beleuchtet werden. Dazu wurde mit Hilfe eines HDAC-Aktivitätsassays validiert, dass Valproat die HDAC-Aktivität in CD4+ und CD8+ T-Zellen signifikant unterdrücken kann. Mittels zellbiologischer und proteinbiochemischer Methoden wie der Durchflusszytometrie und Enzyme-linked immunosorbent assays (ELISAs) sollte anschließend der Einfluss der Substanz auf die verschiedenen T-Zellsubtypen in vitro genauer charakterisiert werden. Dazu wurden aus murinen Lymphknoten und Milzen T-Zellen isoliert, in Zellkulturen zu den entsprechenden T-Zellsubklassen differenziert und mit Valproat sowie Valerat behandelt. Wir konnten zeigen, dass in allen betrachteten Linien die Expression des immunstimulierenden Zytokins IFN-γ induziert wurde, was Rückschlüsse auf einen möglichen Phänotypenwechsel hin zu TH1-Zellen bzw. zytotoxischen T-Zellen (CTLs) geben könnte. Zudem wurde in TH17- und TC17-Zellen das in die Tumorprogression involvierte Zytokin IL-17A durch Valproat nahezu vollständig supprimiert, ebenso wie der für regulatorische T-Zellen (Tregs) charakteristische Transkriptionsfaktor Foxp3. Gleichzeitig konnten unsere Daten illustrieren, dass CTLs in der Gegenwart von Valproat Schlüsseleffektormoleküle zur Bekämpfung von Tumoren hochregulieren können. Dazu zählt neben dem Zytokin IFN-γ auch das für die Apoptoseeinleitung in Tumorzellen essentielle Granzym B. Als eine grundlegende mechanistische Erklärung konnten wir die HDAC-inhibitorische Wirkung Valproats identifizieren. Eine Kombination dieser Effekte könnte eine Optimierung der Effektorfunktionen von CTLs vermitteln und damit eine noch potentere Tumorbekämpfung ermöglichen. Zusammenfassend werfen unsere Daten ein Licht auf die immunmodulatorischen Einflüsse Valproats und identifizieren diese als eine Substanz mit potenziellem therapeutischen Nutzen im Kontext einer zellulären Immuntherapie. Aktuell wurde ein solcher adoptiver Zelltransfer in einem murinen in vivo Melanommodell mit der „Schwestersubstanz“ Valproats, Valerat, von unserer Arbeitsgruppe in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Würzburg etabliert. Dabei konnten bereits Erfolge in der Tumorelimination gezeigt werden, die Hoffnung darauf machen, dass auch Valproat in einem solchen Kontext erfolgreich eingesetzt werden könnte. In zukünftigen Studien sollte dieser Ansatz näher beleuchtet werden.
Umfang:103 Seiten
DOI:10.17192/z2021.0371