Hypertone Kochsalzlösungen in der Therapie des Schädel-Hirn-Traumas und des traumatisch hämorrhagischen Schocks - Systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse mit Trial Sequential Analysis

Fragestellung Hypertone Kochsalzlösungen und Mannitol werden in der intensivmedizinischen Therapie des Schädel-Hirn-Traumas verwendet. Die Überlegenheit einer der Substanzen konnte bisher nicht gezeigt werden. Die präklinische Infusion hypertoner Kochsalzlösungen kann bei Patienten mit einem Schäde...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Schwimmbeck, Franz
Beteiligte: Eberhart, Leopold (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2021
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Fragestellung Hypertone Kochsalzlösungen und Mannitol werden in der intensivmedizinischen Therapie des Schädel-Hirn-Traumas verwendet. Die Überlegenheit einer der Substanzen konnte bisher nicht gezeigt werden. Die präklinische Infusion hypertoner Kochsalzlösungen kann bei Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma zu einer verbesserten zerebralen Perfusion sowie bei Patienten im traumatisch hämorrhagischen Schock zur Wiederherstellung von Kreislauffunktionen und einer suffizienten Organperfusion beitragen. Diese theoretischen Vorteile konnten durch klinische Studien bisher nicht bestätigt werden. Es ist unklar, ob die Infusion hypertoner Kochsalzlösungen derzeitigen Standardtherapien überlegen ist. Um diese Fragestellung zu beantworten, wurden Metaanalysen zu den klinischen Fragestellungen „Hypertone Kochsalzlösungen versus Mannitol bei Schädel-Hirn-Trauma“, „Hypertone Kochsalzlösungen versus konventionelle Volumentherapie bei Schädel-Hirn-Trauma“ und „Hypertone Kochsalzlösungen versus konventionelle Volumentherapie bei traumatisch hämorrhagischem Schock“ durchgeführt. Methoden Vorliegende Arbeit zeigt Metaanalysen randomisierter kontrollierter Studien zur Effektivität und Sicherheit hypertoner Kochsalzlösungen versus Mannitol bzw. versus eine konventionelle Volumentherapie in der Therapie des Schädel-Hirn-Traumas oder traumatisch hämorrhagischen Schocks. Das Protokoll für die Literatursuche in den Datenbanken Medline, Embase und Central, die Qualitätsbewertung, die Endpunkte (Mortalität, neurologisches Langzeitoutcome, zerebrale Perfusionsparameter, hämodynamische, klinische, physiologische und laborchemische Parameter) sowie der statistische Auswerteplan samt einer Trial Sequential Analysis wurden prospektiv festgelegt und in der PROSPERO-Datenbank publiziert. In Ergänzung dazu wurden die Ergebnisse aller Metaanalysen unter Einschluss nichtrandomisierter kontrollierter Studien berichtet. Zur Analyse unerwünschter Wirkungen wurden zudem nichtkontrollierte Studien hinzugezogen. Ergebnisse Insgesamt wurden 126 Studien an 15 327 Patienten eingeschlossen. Im Vergleich hypertoner Kochsalzlösungen versus Mannitol bestand, trotz einer Tendenz zur Überlegenheit hypertoner Kochsalzlösungen, kein signifikanter Unterschied in der Mortalität (relatives Risiko [RR], 95 %-Konfidenzintervall 0,69 [0,45; 1,04]; p = 0,08). Ebenfalls bestand kein signifikanter Unterschied im neurologischen Outcome (RR 1,28 [0,86; 1,90]; p = 0,23). Während 30–60 min nach Therapie kein signifikanter Unterschied im intrakraniellen Druck bestand (Mittelwertsdifferenz [MD], 95 %-Konfidenzintervall -0,19 [-0,54; 0,17]; p = 0,30), war der intrakranielle Druck 90–120 min nach Therapie signifikant geringer nach hypertoner Kochsalzlösung verglichen mit Mannitol (-2,31 mmHg [-3,17; -1,50]; p < 0,00001). Der zerebrale Perfusionsdruck war nach hypertoner Kochsalzlösung signifikant höher als nach Mannitol-Therapie nach 30–60 min (MD 5,48 [4,84; 6,12]; p < 0,00001) und 90–120 min (9,08 [7,54; 10,62]; p < 0,00001). In der Rate der Therapieversagen bestand eine nicht signifikante Tendenz zur Überlegenheit von hypertoner Kochsalzlösung (RR 0,71 [0,51; 1,00]; p = 0,05). Es bestand kein Unterschied in der Dauer des täglich erhöhten intrakraniellen Drucks zwischen Therapie- und Kontrollgruppe (MD 0,41 [-4,52; 5,34]; p = 0,87). Im Vergleich hypertoner Kochsalzlösungen versus eine konventionelle Volumentherapie in der Therapie des Schädel-Hirn-Traumas bestand kein signifikanter Unterschied in Mortalität (RR 0,90 [0,78; 1,04]; p = 0,16) oder neurologischem Outcome (RR 0,97 [0,86; 1,10]; p = 0,65). Ebenso war die Dauer der maschinellen Beatmung nicht signifikant unterschiedlich (MD 0,02 [-1,25; -1,29]; p = 0,98). Die Katecholamintherapie war in der mit hypertoner Kochsalzlösung therapierten Gruppe signifikant kürzer (MD -1,00 [-1,88; -0,12]; p = 0,03). Es bestand kein signifikanter Unterschied im systolischen Blutdruck nach 30–60 min bzw. bei Krankenhausaufnahme nach präklinischer Therapie (MD -2,04 [-6,43; 2,36]; p = 0,36). Im Vergleich hypertoner Kochsalzlösungen versus eine konventionelle Volumentherapie in der Therapie des traumatisch hämorrhagischen Schocks bestanden keine signifikanten Unterschiede in der Langzeitmortalität (RR 0,94 [0,80; 1,11]; p = 0,47) oder der 24 h-Mortalität (RR 0,94 [0,75; 1,18]; p = 0,60). Die Beatmungsdauer war nicht signifikant unterschiedlich (MD 0,73 [-0,87; -2,33]; p = 0,37). Die Katecholamintherapie war in der mit hypertoner Kochsalzlösung therapierten Gruppe signifikant kürzer (MD -1,00 [-1,88; -0,12]; p = 0,03). Die Therapie mit hypertonen Kochsalzlösungen führte zu einem signifikant höheren systolischen Blutdruck nach 30–60 min bzw. bei Krankenhausaufnahme nach präklinischer Therapie (MD 6,22 [0,73; 11,71]; p = 0,03). Es bestand kein signifikanter Unterschied im Laktatwert bei Krankenhausaufnahme nach präklinischer Therapie (MD -0,25 [-1,14; 0,64]; p = 0,58) oder in der Inzidenz von Multiorganversagen (RR 0,52 [0,11; 2,51]; p = 0,41). In einer Trial Sequential Analysis zeigte sich für 4 von 6 primären Endpunkten, dass die Daten nicht ausreichen, um die Resultate mit der gewünschten statistischen Power von 80 % zu bestätigen. In den Vergleichen versus eine konventionelle Volumentherapie konnte in der Therapie des Schädel-Hirn-Traumas eine relative Risikoreduktion von -20 % für ein gutes neurologisches Outcome und in der Therapie des hämorrhagischen Schocks eine relative Risikoreduktion von 20 % für Langzeitmortalität mit der statistischen Power von 80 % ausgeschlossen werden. Kontrollierte Studien zu hypertonen Kochsalzlösungen bei Traumapatienten, die nicht die Einschlusskriterien der Metaanalysen erfüllten, wurden in einer deskriptiven Übersicht dargestellt. Unerwünschte Ereignisse waren selten und gleichmäßig auf die Therapiegruppen verteilt. Schlussfolgerung Es gibt Hinweise darauf, dass in der intensivmedizinischen Therapie erhöhten intrakraniellen Drucks durch ein Schädel-Hirn-Trauma hypertone Kochsalzlösungen Mannitol überlegen sein könnten. Ebenso zeigten sich, verglichen mit einer konventionellen Volumentherapie, Vorteile in klinischen und hämodynamischen Parametern durch – vor allem präklinisch applizierte – hypertone Kochsalzlösungen. Für belastbare Aussagen liegen jedoch nicht genügend Daten vor und weitere Studien sind daher notwendig. Vor allem bei der Kombination von Schädel-Hirn-Trauma und hämorrhagischem Schock wären günstige Effekte zu erwarten.
Umfang:334 Seiten
DOI:10.17192/z2021.0290