Transition towards gender equality - Namibia between the empowerment of women and violence of men

Since its independence from South Africa in 1990, Namibia has striven to implement formal gender equality by means of progressive laws and gender policies. Notwithstanding, since independence, violence against women has increased (MGECW 2010). This led to the research question about how the idea of...

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Main Author: Gierse-Arsten, Sonja
Contributors: Kosack, Godula (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:English
Published: Philipps-Universität Marburg 2020
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
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Seit Namibias Unabhängigkeit von Südafrika im Jahr 1990 wird durch neue Gesetze und Geschlechterpolitiken formale Gleichberechtigung der Geschlechter angestrebt. Seitdem ist jedoch die Gewalt von Männern gegen Frauen angestiegen (MGECW 2010). Daher habe ich untersucht, wie die Idee der Gleichberechtigung von den Menschen wahrgenommen und umgesetzt wird. Zudem habe ich Faktoren zum Verstehen der massiven Gewalt von Männern an Frauen erforscht. Eine 14 monatige sozialanthropologische Feldforschung in der Kleinstadt Outjo in der Kunene Region wurde durchgeführt, mit qualitativem Schwerpunkt (Leitfadeninterviews, Teilnehmende Beobachtung, Männerdebatte und Gruppendiskussion) und quantitativen Anteilen (Schul-Survey). Es wurde deutlich, dass Gleichberechtigung ambiguitiv wahrgenommen und gelebt wird. Einerseits unterstützen viele Menschen Gleichberechtigung, andererseits sind zumeist Männer Haushaltsvorstand und Entscheidungsträger. Während der Männerdebatte beklagten sich Männer über mangelnden Respekt der Frauen und Kinder verglichen mit der (kolonialen) Vergangenheit. Einige Männer äußerten sich explizit gegen Gleichberechtigung und forderten ihre Rücknahme durch die Regierung. Die Forschung hat eine statische und essentialistische Wahrnehmung von Geschlecht gezeigt. Männlichkeiten und Weiblichkeiten werden als Gott gegeben oder natürlich angesehen. Es herrschen hierarchische Geschlechterkonstruktionen vor: dominante Männlichkeiten und unterordnende Weiblichkeiten werden konstruiert, gelebt und reproduziert. Weichen junge Frauen und Männer von erwarteten hierarchischen Geschlechternormen ab, werden sie geschlechtlich ermahnt, auch in homophober Weise. So werden alternative Geschlechterkonstruktionen behindert. Weibliche Sozialisation ist auf die Suche nach einem potenziellen Ernährer ausgerichtet mit Betonung auf Schönheit und Performanz sowie auch Unterordnung unter diesen Mann. Männer werden zu unabhängigen Entscheidern sozialisiert, selbstbestimmt Entscheidungen zu fällen und Schwächen zu unterdrücken. Die heute üblichen kommodifizierten Intimbeziehungen zeigen sehr deutlich, dass hierarchische Geschlechterbeziehungen gelebt werden. Frauen wurden in kolonialer Zeit Ehemännern und Vätern de facto legal untergeordnet. Männer waren auch privilegierter gegenüber Frauen, aufgrund ihres besseren Zugangs zu Ressourcen. Es entstand ein Beziehungsmuster, in dem der Mann Ressourcen an eine Frau gab und so Zugang zu einer Beziehung, Sex und Kindern bekam. In dem heutigen Kontext, in dem Armut weit verbreitet ist, sind viele Frauen durch frühe Schwangerschaften und der alleinigen Verantwortung für Kinder benachteiligt und sind daher finanziell abhängig von einem Versorger. Viele Menschen leben in informellen kommodifizierten Beziehungen zusammen. Wenn Männer aufgrund von Arbeitslosigkeit nicht mehr versorgen können, verlieren manche ihre Beziehung und den Zugang zu Kindern. Aus Sicht der Frauen wird der Hauptauslöser für Konflikte in den weit verbreiteten multiplen sexuellen Beziehungen der Männer gesehen. Stellen Frauen dieses Verhalten in Frage, kommt es zu ernsthaften Konflikten, insbesondere, weil Männer in ihren Affären nicht immer Kondome benutzen und so riskieren, sich und ihre feste Partnerin mit HIV zu infizieren. Die Männer fühlen sich herausgefordert und sehen das Verhalten der Frauen als Respektlosigkeit, auf die einige Männer mit Gewalt reagieren. In den Interviews zeigte sich eine ambiguitive Wahrnehmung von Gewalt. Einerseits fühlten sich die Menschen umgeben von der weitverbreiteten Gewalt, über die detailliert und auch reißerisch in den Medien berichtet wird. Andererseits wurde ein hoher Grad der Normalisierung von Gewalt deutlich, was auf das koloniale Erbe einer Kultur der Gewalt zurückgeführt wird. Aufgrund gesetzlicher Änderungen sind Definitionen von Vergewaltigung und Körperstrafen im Wandel. Viele Menschen zeigen wenig Empathie gegenüber Gewaltopfern. Stattdessen herrscht eine Kultur der Schuldzuweisung gegen Opfer vor, auch bei öffentlichen Stellen wie der Polizei. Viele Frauen sind eingeschüchtert durch die allgegenwärtige Gewalt durch Männer und werden so in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Frauen, die selbstbestimmt Interessen durchsetzen wollen, wird mangelhafter Respekt vorgeworfen. Eine Schlussfolgerung der Forschung ist, dass über formale Gleichberechtigung hinaus eine substanzielle Gleichberechtigung anzustreben ist, um die Gewalt von Männern an Frauen zu reduzieren. Zudem ist es wesentlich, Geschlechternormen zu flexibilisieren, Männer und Frauen anzusprechen, und einen Dialog und Rollentausch anzuregen, um gegenseitiges Verständnis und Respekt zu fördern. Für die Entwicklung von alternativen Geschlechterkonstruktionen ist es wichtig, Homophobie abzubauen. Die Nachteile des Beziehungsmusters der kommodifizierten Beziehungen für Gleichberechtigung sollte bewusst gemacht werden. Es ist von zentraler Bedeutung, das Erbe der kolonialen Kultur der Gewalt von Männern an Frauen anzugehen.