MR-Morphometrie und subklinischer Neurotizismus

Neurotizismus ist ein Persönlichkeitsfaktor, der u. a. für affektive Störungen (MDD, BPD) den klinischen Stellenwert eines „Vulnerabilitätsmarkers“ besitzt. In den vergangenen Jahren der Erforschung neurobiologischer Korrelate dieses Traits konnten mittels MRT-Bildgebung neben zahlreichen Negativbef...

Full description

Saved in:
Bibliographic Details
Main Author: Wilhelms, David Andreas
Contributors: Nenadic, Igor (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2021
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
Tags: Add Tag
No Tags, Be the first to tag this record!
Description
Summary:Neurotizismus ist ein Persönlichkeitsfaktor, der u. a. für affektive Störungen (MDD, BPD) den klinischen Stellenwert eines „Vulnerabilitätsmarkers“ besitzt. In den vergangenen Jahren der Erforschung neurobiologischer Korrelate dieses Traits konnten mittels MRT-Bildgebung neben zahlreichen Negativbefunden insbesondere in frontotemporalen Trakten Assoziationen mit Neurotizismus detektiert werden. Auf kortikaler Ebene sind als wesentliche Neurotizismus-Korrelate der medial orbitofrontale Cortex sowie der präfrontale Cortex zu nennen. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Negativbefunde bleibt die Frage nach grundlegenden neuroanatomischen Neurotizismus-Korrelaten in der MRT-Bildgebung bislang ungeklärt. Ebenso fehlt in der aktuellen Literatur ein Konsens hinsichtlich der konkreten Lokalisation dieser möglichen Neurotizismus-Korrelate. Ziel dieser Studie ist die multimodale, MRT-basierte Untersuchung von neuronalen Korrelaten des Neurotizismus-Persönlichkeitsfaktors in grauer und weißer Hirnsubstanz in einer großen Stichprobe Gesunder. In der vorliegenden Stichprobe wurde die graue Substanz mittels oberflächen- bzw. volumenbasierter Bildgebungsanalyse hinsichtlich des kortikalen Volumens, der kortikalen Dicke sowie der Gyrifizierung (Gesamtkohorte, n = 670) untersucht, in einer Subgruppe davon ebenfalls die weiße Substanz mittels Diffusionsbildgebung (Teilkohorte, n = 570). Hier waren die Parameter FA (fraktionale Anisotropie) und RD (radiale Diffusivität) Gegenstand der Analyse. Es wurde TBSS zur Analyse der weißen Substanz und SPM12 / CAT12 zur Untersuchung der grauen Substanz verwendet. Die Neurotizismus-Scores der Probanden wurden unter Verwendung des NEO-FFI-Fragebogens erhoben. In der Teilkohorte korrelierte Neurotizismus unter statistischer Kontrolle von Alter, Geschlecht und Standort der Messung positiv mit den pro Trakt gemittelten FA-Werten im rechten Cingulum, rechten bzw. linken Fasciculus frontooccipitalis inferior, rechten bzw. linken Fasciculus Uncinatus, mit den pro Trakt gemittelten RD-Werten negativ im linken Cingulum, rechten bzw. linken Fasciculus frontooccipitalis inferior sowie linken Fasciculus Uncinatus. Auf Voxel-Ebene fanden sich ebenfalls FWE-korrigiert signifikante Cluster für FA zusätzlich in beiden Hemisphären in der Radiatio thalami anterior sowie im Fasciculus longitudinalis inferior. Auch hier zeigten sich durchweg positive Korrelationen von FA und Neurotizismus. In der Gesamtkohorte ergaben sich lediglich auf Ebene der kortikalen Dicke im Bereich der rechten Hirnhemisphäre im medial orbitofrontalen Cortex, superior temporalen, superior frontalen sowie im mittleren frontal rostralen Cortex unkorrigiert signifikante Cluster, welche ebenfalls positiv mit Neurotizismus assoziiert waren. In einer nachfolgenden Analyse korrelierten weiterhin die gemittelten Werte für die kortikale Dicke im rechten superior temporalen bzw. medial orbitofrontalen Cortex signifikant mit der gemittelten FA des rechten Fasciculus Uncinatus. In dieser Studie sind erhöhte Neurotizismus-Werte also insgesamt mit höherer Integrität der Mikrostruktur der weißen Substanz (FA erhöht, RD erniedrigt) assoziiert. Aufgrund konträrer Ergebnisse vorangegangener Studien und der noch unzureichenden Datenlage hinsichtlich möglicher, mit Neurotizismus korrelierenden lokalen Veränderungen der RD bedarf dieses Ergebnis der Replikation. Hierbei gilt es die Zusammensetzung der jeweils untersuchten Stichprobe, insbesondere was Aspekte wie das Alter bzw. die Verteilung der Neurotizismus-Scores der Probanden anbetrifft, als möglichen Einflussfaktor auf die Richtung der Korrelation zwischen Neurotizismus und Parametern wie u. a. der FA zu beachten. Die Evaluation der Ergebnisse aus funktioneller Sicht zeigt eine Verflechtung von Persönlichkeit, Hirnstruktur und - funktion. Insbesondere im orbitofrontalen Cortex finden sich, neben strukturellen Korrelaten, am Beispiel von Emotionsregulation auch wichtige Funktionen für die Ausprägung von Neurotizismus. Die Einordnung der vorliegenden Ergebnisse vor dem Hintergrund einer gegensätzlichen Richtung der Assoziation von Neurotizismus und Hirnstruktur in klinischen Stichproben bleibt problematisch. Eine nonlineare Entwicklung der Assoziation von Neurotizismus und Hirnstruktur im Verlauf einer psychiatrischen Erkrankung erscheint jedoch möglich.
Physical Description:99 Pages
DOI:10.17192/z2021.0201