Die klinische Wertigkeit der 99mTc-MAG3-Szintigraphie vor Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) zur Prädiktion von therapieinduziertem Nierenfunktionsverlust
Oberbeck, Merle Sophie
Bei der Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) handelt es sich um ein Therapieverfahren, bei dem neuroendokrine Tumoren mittels eines an ein Radionuklid gekoppelten Somatostatinanalogons gezielt behandelt werden können. Hierdurch wird eine selektive Strahlentherapie der Tumorzellen unter relativer Schonung des gesunden Gewebes ermöglicht. Da die Substanz jedoch über die Nieren ausgeschieden wird, kommt es je nach Verweildauer und verwendetem Radionuklid zu einer mehr oder weniger großen Strahlenexposition des Organs mit potenziell nephrotoxischen Folgen.
In der hier vorliegenden retrospektiven Datenanalyse wurde anhand der Daten von 59 Patienten der Marburger Klinik für Nuklearmedizin, welche im Zeitraum zwischen 2009 bis 2017 eine PRRT mit 177Lu-DOTATOC erhielten, analysiert, inwieweit sich die 99mTc-MAG3-Nierenszintigraphie vor PRRT zur Prädiktion von therapieinduzierten Nierenfunktionsverlusten eignet.
In der Regel wurden drei Zyklen PRRT durchgeführt. Bei insgesamt 35 Patienten konnten vollständige Datensätze zu allen drei Zyklen erhoben werden, wobei die Beurteilung der Nierenfunktion anhand des Serumkreatinins sowie der eGFR erfolgte und im Zusammenhang mit dem Ergebnis der prätherapeutisch durchgeführten 99mTc-MAG3-Nierenszintigraphie beobachtet wurde.
Bei Patienten, welche bereits in der prätherapeutischen Nierenszintigraphie einen ausreichenden Harnabfluss ohne Applikation eines Diuretikums u./o. Postmiktionsaufnahme aufwiesen, kam es zu einem Anstieg des Serumkreatinins von im Mittel 0,03 (± 0,14) mg/dl und einer Abnahme der eGFR von -2,96 (± 16,27) ml/min/1,73m2. Bei Patienten, welche prätherapeutisch nur mittels Diuretikum u./o. Postmiktionsaufnahme einen ausreichenden Abfluss erreichten, kam es zu einer Abnahme des Serumkreatinins von im Median -0,06 (-0,33; 0,01) mg/dl und einer Zunahme der eGFR von im Mittel 4,80 (± 4,66) ml/min/1,73m2.
Bei Patienten, welche prätherapeutisch auch nach Applikation eines Diuretikums u./o. Anfertigung einer Postmiktionsaufnahme keinen ausreichenden Abfluss erreichten, wurde posttherapeutisch eine Abnahme des Serumkreatinins von -0,06 (± 0,14) mg/dl und eine Zunahme der eGFR von 2,33 (± 6,66) ml/min/1,73m2 verzeichnet.
Weiterhin wurde in prätherapeutische eGFR [ 60 vs. eGFR ≥ 60ml/min/1,73m2 sortiert die Entwicklung der Nierenfunktionsparameter betrachtet, wobei es bei prätherapeutisch geringerer Nierenfunktion zu einer Abnahme des Serumkreatinins von -0,13 (± 0,15) mg/dl und einer Zunahme der eGFR von 5,40 (± 6,31) ml/min/1,73m2 kam. Dahingegen wurde bei prätherapeutisch besserer Nierenfunktion eine Zunahme des Serumkreatinins von 0,02 (± 0,13) mg/dl und eine Abnahme der eGFR von -2,53 (± 15,46) ml/min/1,73m2 verzeichnet.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass eine prätherapeutisch eingeschränkte Nierenfunktion im Sinne eines verzögerten/nicht ausreichenden Abflusses in der 99mTc-MAG3-Nierenszintigraphie oder einer eingeschränkten eGFR nicht mit stärkeren posttherapeutischen Nierenfunktionsverlusten einhergeht als bei prätherapeutisch normwertiger Nierenfunktion. Paradoxerweise konnte bei vorher eingeschränkter Nierenfunktion eine Besserung im Verlauf der PRRT festgestellt werden – die Ursache hierfür bleibt fraglich; mögliche Gründe könnten beispielsweise Maßnahmen zur Beseitigung von Abflusshindernissen (z. B. medikamentöse/operative Beseitigung einer bestehenden Prostatahyperplasie), Tumorzerfall oder bessere Hydrierung der Patienten gewesen sein.
Die prätherapeutische Nierenszintigraphie eignete sich in der vorliegenden Datenanalyse nicht zur Aufdeckung von etwaigen Risikopatienten für Nierenfunktionsverluste im Verlauf. Ihr Stellenwert für diese Indikation ist aufgrund der fehlenden Relevanz der gewonnenen Informationen sowie dem im Vergleich zu einer Bestimmung der Nierenfunktionsparameter aus dem Blut erhöhtem Zeit-, Personal- und Materialkostenaufwand zweifelhaft.
Für den Fall, dass es zu einer Nierenfunktionsabnahme innerhalb der Untergruppen im Verlauf der Therapie kam, konnten nur verhältnismäßig geringgradig ausgeprägte Nierenfunktionsverluste beobachtet werden – trotz oftmals additiv erhaltener, potenziell nephrotoxischer Therapien (z. B. Chemotherapie, Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika o. ä.).
Dies spricht gegen eine ausgeprägte Nephrotoxizität der PRRT mit 177Lu-DOTATOC unter adäquater Durchführung einer Nephroprotektion.
Philipps-Universität Marburg
Medical sciences Medicine
urn:nbn:de:hebis:04-z2021-01961
opus:10012
https://doi.org/10.17192/z2021.0196
Oberbeck, Merle Sophie
Oberbeck
Merle Sophie
PRRT
Publikationsserver der Universitätsbibliothek Marburg
Universitätsbibliothek Marburg
Neuroendokrine Neoplasie
monograph
Medizin
Lutetium
Medical sciences Medicine
Medizin
doctoralThesis
Nierenfunktionsverlust
2021-06-08
2021
Philipps-Universität Marburg
Neuroendokrine Neoplasie
Peptide receptor radionuclide therapy (PRRT) is a therapy procedure for patients with neuroendocrine tumours. A radiolabeled somatostatin analogon selectively targets the tumour cells while the healthy tissue remains relatively undamaged. However the radionuclide is excreted through the kidneys, which results in more or less radiation exposure of the organ depending on the length of stay and the radiopharmacon that is used with potentially nephrotoxic consequences.
Patient data of the institute for nuclear medicine of the Philipps-University Marburg was retrospectively analized to evaluate the use of 99mTc-MAG3 renal scintigraphy prior to PRRT to predict loss of renal function. 59 included patients underwent a PRRT with 177Lu-DOTATOC in the period between 2009 and 2017. Serum creatinine and eGFR were detected just before and two to four months after PRRT. In addition, both the results of 99mTc-MAG3 renal scintigraphy at baseline and some of the following results in the course of therapy were documented.
Usually three cycles of PRRT were performed. Complete data sets for all three cycles were collected from a total of 35 patients. In patients who had a sufficient urine drainage without prior application of a diuretic and/or after taking a postmiction picture, there was an increase in serum creatinine of 0.03 (± 0.14) mg/dl on average and a decrease in eGFR of -2.96 (± 16.27) ml/min/1.73m². In patients who had an adequate outflow only after the application of a diuretic and/or after taking a postmiction picture, there was a median decrease in serum creatinine of -0.06 (-0.33; 0.01) mg/dl and an increase in eGFR of 4.80 (± 4.66) ml/min/1.73m² on average. With patients who did not reach an adequate outflow before their therapy started neither after application of a diuretic nor after taking a postmiction picture, a decrease in the serum creatinine of -0.06 (± 0.14) mg/dl and an increase in the eGFR of 2.33 (± 6.66) ml/min/1.73m² after three cycles of PRRT was detected.
Furthermore, there was a seperation between pretherapeutic eGFR [60 vs. eGFR ≥ 60ml/min/1.73m² being performed; the development of the renal function after three cycles PRRT was detected. With pretherapeutically lower renal function, there was an average decrease in serum creatinine of -0.13 (± 0.15) mg/dl and an increase in eGFR of 5.40 (± 6.31) ml/min/1.73m². In patients with better pretherapeutic renal function an increase in serum creatinine of 0.02 (± 0.13) mg/dl and a decrease in eGFR of -2.53 (± 15.46) ml/min/1.73m² was observed.
Overall, the results indicate that patients with worse pretherapeutical renal function (in the sense of delayed/insufficient drainage in 99mTc-MAG3 renal scintigraphy or eGFR [ 60ml/min/1.73m²) did not suffer from greater posttherapeutic renal function losses than patients with pretherapeutically normal kidney function. Paradoxically, an improvement in the course of PRRT was found in patients with previously impaired kidney function – the reason remains unclear; possible reasons could be measures which were taken to remove drainage obstructions (medical/surgical removal of an existing prostate hyperplasia), tumour decay or better hydration of the patients.
In the present data analysis, pretherapeutic renal scintigraphy was not suitable for the detection of possible patients at risk for renal function losses in the course. Its importance for this indication is doubtful due to the lack of relevance of the information obtained and the increased expenditure of time, personnel and costs compared to a determination of kidney function parameters from blood.
In the event that there was a decrease in renal function within the subgroups during the course of therapy, only minor losses of renal function could be observed - despite potentially nephrotoxic therapies (e.g. chemotherapy, use of non-steroidal anti-inflammatory drugs, etc.) that were often added on.
This contradicts the assumption that PRRT with 177Lu-DOTATOC leads to great renal function losses provided that nephroprotection is performed.
urn:nbn:de:hebis:04-z2021-01961
GFR
68
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https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2021/0196/cover.png
Die klinische Wertigkeit der 99mTc-MAG3-Szintigraphie vor Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) zur Prädiktion von therapieinduziertem Nierenfunktionsverlust
Medizin
Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie
2021-05-05
Bei der Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) handelt es sich um ein Therapieverfahren, bei dem neuroendokrine Tumoren mittels eines an ein Radionuklid gekoppelten Somatostatinanalogons gezielt behandelt werden können. Hierdurch wird eine selektive Strahlentherapie der Tumorzellen unter relativer Schonung des gesunden Gewebes ermöglicht. Da die Substanz jedoch über die Nieren ausgeschieden wird, kommt es je nach Verweildauer und verwendetem Radionuklid zu einer mehr oder weniger großen Strahlenexposition des Organs mit potenziell nephrotoxischen Folgen.
In der hier vorliegenden retrospektiven Datenanalyse wurde anhand der Daten von 59 Patienten der Marburger Klinik für Nuklearmedizin, welche im Zeitraum zwischen 2009 bis 2017 eine PRRT mit 177Lu-DOTATOC erhielten, analysiert, inwieweit sich die 99mTc-MAG3-Nierenszintigraphie vor PRRT zur Prädiktion von therapieinduzierten Nierenfunktionsverlusten eignet.
In der Regel wurden drei Zyklen PRRT durchgeführt. Bei insgesamt 35 Patienten konnten vollständige Datensätze zu allen drei Zyklen erhoben werden, wobei die Beurteilung der Nierenfunktion anhand des Serumkreatinins sowie der eGFR erfolgte und im Zusammenhang mit dem Ergebnis der prätherapeutisch durchgeführten 99mTc-MAG3-Nierenszintigraphie beobachtet wurde.
Bei Patienten, welche bereits in der prätherapeutischen Nierenszintigraphie einen ausreichenden Harnabfluss ohne Applikation eines Diuretikums u./o. Postmiktionsaufnahme aufwiesen, kam es zu einem Anstieg des Serumkreatinins von im Mittel 0,03 (± 0,14) mg/dl und einer Abnahme der eGFR von -2,96 (± 16,27) ml/min/1,73m2. Bei Patienten, welche prätherapeutisch nur mittels Diuretikum u./o. Postmiktionsaufnahme einen ausreichenden Abfluss erreichten, kam es zu einer Abnahme des Serumkreatinins von im Median -0,06 (-0,33; 0,01) mg/dl und einer Zunahme der eGFR von im Mittel 4,80 (± 4,66) ml/min/1,73m2.
Bei Patienten, welche prätherapeutisch auch nach Applikation eines Diuretikums u./o. Anfertigung einer Postmiktionsaufnahme keinen ausreichenden Abfluss erreichten, wurde posttherapeutisch eine Abnahme des Serumkreatinins von -0,06 (± 0,14) mg/dl und eine Zunahme der eGFR von 2,33 (± 6,66) ml/min/1,73m2 verzeichnet.
Weiterhin wurde in prätherapeutische eGFR [ 60 vs. eGFR ≥ 60ml/min/1,73m2 sortiert die Entwicklung der Nierenfunktionsparameter betrachtet, wobei es bei prätherapeutisch geringerer Nierenfunktion zu einer Abnahme des Serumkreatinins von -0,13 (± 0,15) mg/dl und einer Zunahme der eGFR von 5,40 (± 6,31) ml/min/1,73m2 kam. Dahingegen wurde bei prätherapeutisch besserer Nierenfunktion eine Zunahme des Serumkreatinins von 0,02 (± 0,13) mg/dl und eine Abnahme der eGFR von -2,53 (± 15,46) ml/min/1,73m2 verzeichnet.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass eine prätherapeutisch eingeschränkte Nierenfunktion im Sinne eines verzögerten/nicht ausreichenden Abflusses in der 99mTc-MAG3-Nierenszintigraphie oder einer eingeschränkten eGFR nicht mit stärkeren posttherapeutischen Nierenfunktionsverlusten einhergeht als bei prätherapeutisch normwertiger Nierenfunktion. Paradoxerweise konnte bei vorher eingeschränkter Nierenfunktion eine Besserung im Verlauf der PRRT festgestellt werden – die Ursache hierfür bleibt fraglich; mögliche Gründe könnten beispielsweise Maßnahmen zur Beseitigung von Abflusshindernissen (z. B. medikamentöse/operative Beseitigung einer bestehenden Prostatahyperplasie), Tumorzerfall oder bessere Hydrierung der Patienten gewesen sein.
Die prätherapeutische Nierenszintigraphie eignete sich in der vorliegenden Datenanalyse nicht zur Aufdeckung von etwaigen Risikopatienten für Nierenfunktionsverluste im Verlauf. Ihr Stellenwert für diese Indikation ist aufgrund der fehlenden Relevanz der gewonnenen Informationen sowie dem im Vergleich zu einer Bestimmung der Nierenfunktionsparameter aus dem Blut erhöhtem Zeit-, Personal- und Materialkostenaufwand zweifelhaft.
Für den Fall, dass es zu einer Nierenfunktionsabnahme innerhalb der Untergruppen im Verlauf der Therapie kam, konnten nur verhältnismäßig geringgradig ausgeprägte Nierenfunktionsverluste beobachtet werden – trotz oftmals additiv erhaltener, potenziell nephrotoxischer Therapien (z. B. Chemotherapie, Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika o. ä.).
Dies spricht gegen eine ausgeprägte Nephrotoxizität der PRRT mit 177Lu-DOTATOC unter adäquater Durchführung einer Nephroprotektion.
opus:10012
ths
Prof. Dr. Dr.
Verburg
Frederik A.
Verburg, Frederik A. (Prof. Dr. Dr.)
Nierenszintigraphie
2021-06-08
https://doi.org/10.17192/z2021.0196
Nierenfunktion
German
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