Exzessiver Videospielkonsum bei jungen Erwachsenen: Einfluss auf den Schlaf und das deklarative Gedächtnis sowie die Hormone Melatonin und Cortisol

Einleitung Medien und digitale Spiele spielen eine immer größer werdende Rolle in unserer Gesellschaft. Vor allem Jugendliche benutzen ihr Smartphone und ihren Computer täglich. Eine wichtige Beschäftigung sind Computer- und Konsolenspiele. Der Verkauf von Spielen, oft mit gewaltreichem Inhalt, boo...

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Main Author: Hartmann, Miria
Contributors: Koehler, Ulrich (Prof. Dr. ) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2021
Subjects:
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Description
Summary:Einleitung Medien und digitale Spiele spielen eine immer größer werdende Rolle in unserer Gesellschaft. Vor allem Jugendliche benutzen ihr Smartphone und ihren Computer täglich. Eine wichtige Beschäftigung sind Computer- und Konsolenspiele. Der Verkauf von Spielen, oft mit gewaltreichem Inhalt, boomt. Ein großer Teil des Tages wird vor dem Bildschirm verbracht und der Schlaf wird häufig vernachlässigt. Es stellt sich die Frage, was exzessives Videospielen bei den Jugendlichen auslöst. In dieser Studie wurde untersucht, wie sich fünfstündiges Videospielen auf die Schlafeffizienz, das deklarative Gedächtnis, die Hormone Melatonin und Cortisol sowie die Vigilanz und Tagesmüdigkeit am nächsten Morgen auswirkt. Methoden Zwanzig 16-18-jährige, männliche Jugendliche wurden in die Studie eingeschlossen, davon durchliefen 18 die Studie bis zum Ende. Insgesamt verbrachten sie drei Nächte im Schlafmedizinischen Zentrum Marburg. Die erste Nacht war eine Eingewöhnungsnacht. An den zwei anderen Versuchsnächten wurde jeweils fünf Stunden das Computerspiel „Counter Strike - Global Offensive“ oder das Brettspiel „Monopoly“ gespielt. Während des Spielens und in der darauffolgenden Nacht wurde eine Polysomnographie bei jedem Probanden aufgenommen. Es wurde ein Wortlistenlerntest mit einem Abruf der erinnerten Wörter nach dem Stimulus sowie am nächsten Morgen durchgeführt. Außerdem wurden an fünf Zeiträumen (vor dem Spiel, während des Spiels, nach dem Spiel, in der Nacht und am nächsten Morgen) Speichelproben genommen, die auf ihren Melatonin- und Cortisolgehalt geprüft wurden. Am nächsten Morgen wurde für die Bestimmung der Tagesmüdigkeit die Stanford-Schläfrigkeits-Skala ausgefüllt und ein Pupillographischer Schläfrigkeitstest durchgeführt. Zudem durchlief jeder Proband einen langandauernden und monotonen Vigilanztest. Ergebnisse Nach dem Videospielstimulus verringerte sich die Schlafeffizienz signifikant um 3,5 %. Des Weiteren waren die Probanden vermehrt wach im Bett (circa 15,5 Minuten). Zusätzlich gab es längere Leichtschlafphasen des Stadiums N1 und die tieferen Schlafstadien wurden erst später erreicht. Das Ergebnis des Wortlistenlerntests war nach dem Videospiel am nächsten Morgen signifikant schlechter. Durchschnittlich zwei Wörter weniger wurden erinnert. Auch direkt nach dem Videospiel ergab sich eine bedeutsam schlechtere Leistung. Des Weiteren war die Konzentration des schlafunterstützenden Hormons Melatonin bei Beginn der Bettzeit nach dem Videospiel erniedrigt und die Konzentration des Stresshormons Cortisol während des abendlichen Spielens erhöht. Im Bereich des Tagesmüdigkeit und Vigilanz konnte kein Unterschied zwischen der Videospiel- und Brettspielnacht festgestellt werden. Diskussion Exzessives Videospielen hat bei Jugendlichen einen Effekt auf den Schlaf, hier gezeigt durch Veränderung der Schlafeffizienz und der Schlafphasen. Da die Probanden jedoch am nächsten Morgen weder subjektiv noch objektiv müder waren, ist es fraglich, inwieweit die hier gefundenen Ergebnisse für den Alltag der Jugendlichen relevant sind. Ein vorstellbares Szenario ist die Kumulation der genannten Effekte. Werden nicht nur an einem Abend der Woche, sondern an mehreren Tagen hintereinander so lang am Abend Videospiele konsumiert, kann schlechterer Schlaf zu weniger Aktivität und Leistungsfähigkeit führen. Aufgrund der gezeigten verschlechterten deklarativen Gedächtnisleistung sollte die Abendgestaltung von Schülern, die tagsüber gelernt haben, kritisch hinterfragt werden. Melatonin zeigte sich nach dem Videospiel vor dem Zubettgehen erniedrigt und im Verlauf nach hinten verlagert. Einerseits kann dies am Blaulicht des Computerbildschirms liegen, andererseits ist ein Zusammenhang mit dem stressreichen Videospielen denkbar. Die höchste Melatoninkonzentration nach dem Videospielen zeigte sich am nächsten Morgen beim Aufstehen. Hier ergibt sich eine verstärkte Gefahr einer Schlafstörung bei Jugendlichen. Laut unseres Kenntnisstands ist dies die erste Studie, die eine erhöhte Cortisolkonzentration während des Videospielens untersucht und nachgewiesen hat. Weiterhin hat die virtuelle Realität Einzug in die alltägliche Nutzung erhalten. Diese neue Art des Spielerlebens kann den Körper auf neue Weise fordern und beeinflussen.
Physical Description:91 Pages
DOI:10.17192/z2021.0141