Inanspruchnahme psychosozialer Hilfe durch Krebsbetroffene : Welche Rolle spielen Erwartungen, Werte und Angehörige?

Die psychosozialen Folgen einer Krebserkrankung sind gravierend. Die Hälfte aller Krebsbetroffenen fühlt sich klinisch bedeutsam belastet (Mehnert et al., 2018) und ungefähr ein Viertel bis ein Drittel leiden unter einer psychischen Störung (Kuhnt et al., 2016). Obwohl wirksame psychosoziale Hilfsan...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Leppin, Nico
Beteiligte: Blanckenburg, Pia von (Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2021
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die psychosozialen Folgen einer Krebserkrankung sind gravierend. Die Hälfte aller Krebsbetroffenen fühlt sich klinisch bedeutsam belastet (Mehnert et al., 2018) und ungefähr ein Viertel bis ein Drittel leiden unter einer psychischen Störung (Kuhnt et al., 2016). Obwohl wirksame psychosoziale Hilfsangebote vorhanden sind (Faller et al., 2013; Singer et al., 2016), bleibt die Inanspruchnahme psychosozialer Hilfe hinter dem ermittelten Bedarf zurück (Faller et al., 2017; Salmon et al., 2015). Ziel dieser Dissertation ist es, die ausbleibende Inanspruchnahme zu erklären und Ansätze zu identifizieren, mit denen die Inanspruchnahme erhöht werden kann. Die bisherige Forschung zur Inanspruchnahme besteht vorrangig aus Einzelstudien aus diversen Versorgungssettings für Personen mit unterschiedlichen Krebsarten (Faller et al., 2017). In Studie 1 sollten alle Studien aus der Versorgungs-forschung meta-analytisch zusammengefasst werden, um Zusammenhänge zwischen personenbezogenen Variablen und der Inanspruchnahme psychosozialer Hilfe zu bestimmen. Es zeigten sich kleine positive Korrelationen zwischen der Inanspruch-nahme psychosozialer Hilfe und weiblichem Geschlecht, höherem Bildungsniveau, Distress, Angst, Depressivität und einer psychiatrischen Diagnose. Zusätzlich zur Meta-Analyse gab es neun vielversprechende Einzelbefunde zu psychologischen Faktoren, die ausschlaggebend für die Inanspruchnahme sind, darunter Einstellungen, Gesundheitsüberzeugungen, Stigma, Alexithymie und Bindungsstil. In Studie 2 wurde eine deutsche Version der „Attitudes towards Seeking Help after Cancer Scale“ psychometrisch evaluiert und der Zusammenhang von Einstellungen mit der Inanspruchnahme untersucht. Die deutsche Version der Skala zeigte sich als ein reliables und valides Instrument zur Einstellungserfassung. Es zeigte sich eine mittlere Korrelation zwischen der Inanspruchnahme psychosozialer Hilfe und den gemessenen Einstellungen einer Stichprobe von Krebsbetroffenen am Universitätsklinikum Marburg. In der dritten Studie wurden mit detaillierten Falldarstellungen demonstriert, wie theoretisch wirksame psychologische Prozesse zur Veränderung der Inanspruch¬nahme psychosozialer Hilfe im Rahmen einer Intervention individuell auf Krebsbetroffene und ihre Angehörigen angepasst werden können. In beiden beschriebenen Fällen führte die wertebasierte und kommunikationsfördernde Intervention dazu, dass die palliativen Krebsbetroffenen ein psychosoziales Gesprächsangebot annahmen. Das Gesprächsangebot umfasste ein „Advance Care Planning“ (ACP), bei dem Krebsbetroffene, Angehörige und Behandelnde gemeinsam darüber kommunizieren, welche Behandlungsentscheidungen in zukünftigen Situationen getroffen werden sollen, in denen die Betroffenen nicht für sich selbst entscheiden können. Zur Klärung, welche Interventionsinhalte wirksame Veränderungsprozesse erzeugen, wurden Interventionsbausteine der Theorie entsprechend aufgeteilt und als Mikrointerventionen in einer experimentellen Untersuchung (Studie 4) verglichen. Die Stichprobe bestand hierbei aus körperlich „Gesunden“, getrennt in eine jüngere und eine ältere Stichprobe, um altersspezifische Effekte der Intervention zu prüfen. Die Ergebnisse sprachen dafür, dass kein Einzelbaustein überlegen ist, sondern nur die Kombination mehrerer Bausteine langfristige Änderungen in der Gesprächsbereitschaft erzeugt. Die Ergebnisse der Dissertation zeigen, dass es zur Steigerung der Inanspruch-nahme psychosozialer Hilfe bedeutsam ist, Einstellungen zu berücksichtigen und zu verändern. Zudem wird deutlich, dass die Veränderung der Inanspruchnahme komplexen psychologischen Prozessen unterliegt, bei denen neben Einstellungen auch die Angehörigen und die individuellen Werte der Krebsbetroffenen eine Rolle spielen.
Umfang:126 Seiten
DOI:10.17192/z2021.0100