Untersuchungen zu molekularen Mechanismen der Spannungsabhängigkeit des µ-Opioid Rezeptors

In jüngerer Zeit haben eine Reihe von Studien gezeigt, dass die membranständigen G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) in ihrer Funktion durch das elektrische Membranpotenzial beeinträchtigt werden. Diese spannungsabhängige Modulation kann je nach betrachtetem Rezeptor und je nach Liganden zu eine...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Ruland, Julia
Beteiligte: Bünemann, Moritz (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:In jüngerer Zeit haben eine Reihe von Studien gezeigt, dass die membranständigen G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) in ihrer Funktion durch das elektrische Membranpotenzial beeinträchtigt werden. Diese spannungsabhängige Modulation kann je nach betrachtetem Rezeptor und je nach Liganden zu einer Aktivierung oder Deaktivierung führen, die aus Veränderungen in der Ligandenaffinität oder Effektstärke resultiert. Obwohl bereits eine Reihe von Rezeptoren charakterisiert werden konnten, bleibt der zugrundeliegende Mechanismus größtenteils unklar. Ebenso weiß man bis heute nicht viel über die pharmakologische Relevanz der Spannungsabhängigkeit in nativem Gewebe. In der vorliegenden Studie wurde der μ-Opioid-Rezeptor (MOR) in Bezug auf spannungssensitives Verhalten charakterisiert. Die physiologische Rolle des MOR liegt in einer Hemmung pronozizeptiver Signale auf prä- und postsynaptischer Ebene. Die wichtigsten Schmerzmittel zur Behandlung mittelstarker bis starker Schmerzen adressieren den MOR. Als neuronaler Rezeptor ist der MOR starken und hochfrequenten Änderungen im Membranpotenzial ausgesetzt. Die Spannungsabhängigkeit wurde in vorliegender Studie auf mehreren Ebenen beleuchtet: in der G-Protein-Aktivierung, ß-adrenergen Rezeptorkinase (GRK2, englisch G-protein coupled receptor kinase 2)- und Arrestin3-Interaktion wurde die Spannungssensitivität des MOR auf molekularer Ebene beobachtet, indirekt gemessen durch Protein-Protein-Interaktionen der Effektoren. Dies konnte durch einen Versuchsaufbau gewährleistet werden, der Förster Resonanz Energie Transfer (FRET) Messungen zwischen fluoreszent markierten Fusionsproteinen unter Manipulation des Membranpotenzials im whole-cell (englisch: ganze Zelle) Spannungsklemmen-Modus erlaubt. In weiteren Versuchen wurden die pharmakologischen Implikationen der Spannungsabhängigkeit des Rezeptors unter Manipulation des Membranpotenzials untersucht. Dafür wurden zum einen MOR-induzierte GIRK-Ströme (G-Protein-aktivierter, einwärtsgleichrichtender Kanal) in transfizierten HEK 293T Zellen in Einwärts- und Auswärtsrichtung aufgezeichnet und zum anderen Messungen der GIRK-Ströme in einzelnen Neuronen aus Locus Coeruleus (LC) Präparationen durchgeführt1. Auf molekularer Ebene wurde in allen untersuchten Interaktionen eine starke spannungsabhängige Steigerung der Morphin-induzierten Rezeptoraktivierung gefunden. Besonders ausgeprägte spannungsabhängige Auswirkungen fanden sich in der Fähigkeit des Morphin-aktivierten MORs, GRK2 und Arrestin3 zu rekrutieren. Morphin wurde in der Literatur bereits als Ligand mit niedriger intrinsischer Effektstärke charakterisiert und zeigt im Vergleich zu peptidergen Liganden (DAMGO, Met-Enkephalin) in nicht-depolarisierten Zellen nur eine geringfügige GRK2- und Arrestin3-Rekrutierung. Bei Depolarisation innerhalb der physiologischen Bandbreite an Membranpotenzialen zeigte sich allerdings eine mehrfache Steigerung der initialen Rekrutierung, die als gesteigerte Effektstärke identifiziert werden konnte. Im Gegensatz dazu reagierte der DAMGO-aktivierte MOR nur geringfügig spannungssensitiv und unter Met-Enkephalin konnte keine messbare Veränderung in Abhängigkeit des Membranpotenzials festgestellt werden. In einem kleinen Exkurs wurde weiterhin beobachtet, dass der hochpotente Ligand Fentanyl unter Depolarisation sogar eine Deaktivierung des Rezeptors zeigt, während der strukturell mit Morphin verwandte Ligand Buprenorphin bei Depolarisation, ähnlich wie Morphin, eine starke Zunahme in der Effektstärke zeigt. Bei Betrachtung der Veränderungen des Morphin-induzierten, MOR-vermittelten GIRK-Stroms wurde in transfizierten HEK 293T sowohl in Einwärts- als auch in Auswärtsrichtung eine starke Steigerung des Signals detektiert, obwohl für diese Messungen – im Gegensatz zu den FRET-Messungen aufgrund der Kanaleigenschaften nur ein Teil der physiologischen Bandbreite des Membranpotenzials zur Verfügung stand. Es wurde weiterhin versucht, diese, in HEK 293T Zellen bereits auf physiologischer Ebene evident gewordene Spannungsabhängigkeit in einzelnen Neuronen in Schnitten, welche natives LC Gewebe enthielten, nachzuweisen. Obwohl hierbei die, für die Messungen geeignete Bandbreite des Membranpotenzials noch kleiner war, zeigte sich ebenfalls eine signifikante Steigerung der Morphin-induzierten GIRK-Ströme im Vergleich zu peptidergen Liganden. Die vorliegende Arbeit zeigt zusammenfassend die starke, ligandenabhängig unterschiedliche Modulation des MOR, die sich bis hin zu einer veränderten GIRK-Kanal-Aktivierung bemerkbar macht und somit nahelegt, dass depolarisationsinduzierte Rezeptormodulation auch pharmakologische Relevanz besitzt.
Umfang:135 Seiten
DOI:10.17192/z2021.0050