Wirkstoffträgersysteme basierend auf bolaamphiphilen Lipiden zur topischen photodynamischen Therapie von Infektionen

In der vorliegenden Arbeit wurden neuartige Wirkstoffträgersysteme auf der Basis von natürlich vorkommenden und synthetischen Bolaamphiphilen für die antimikrobielle photodynamische Therapie (aPDT) gegenüber Bakterien und Hefen generiert, charakterisiert und erste in vitro Versuche durchgeführt. Das...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Goergen, Nathalie Andrea
Beteiligte: Bakowsky, Udo (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:In der vorliegenden Arbeit wurden neuartige Wirkstoffträgersysteme auf der Basis von natürlich vorkommenden und synthetischen Bolaamphiphilen für die antimikrobielle photodynamische Therapie (aPDT) gegenüber Bakterien und Hefen generiert, charakterisiert und erste in vitro Versuche durchgeführt. Das Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung von stabilen Trägersystemen aus beiden Bolaamphiphilen, welche sowohl eine adäquate Therapie ermöglichen, als auch haut- und schleimhautverträglich sind. Dabei wurden beide Systeme gegenübergestellt. In Kapitel 1 erfolgte eine Einleitung an dem dieser Arbeit zugrundeliegenden Thema mit einer Erläuterung der Problematik von wachsender Antibiotikaresistenz bei chronischen Wunden und durch Hefen verursachten Schleimhautinfektionen, mit gleichzeitig fehlendem adäquatem Therapie- und Wundmanagement. Die Photodynamische Therapie (PDT) als möglicher Lösungsansatz wurde vorgestellt und der Vorteil der Anwendung von Wirkstoffträgersystemen aus Bolaamphiphilen hervorgehoben. Dem ersten Kapitel nachfolgend fand die Zusammenfassung und Erläuterung der in dieser Arbeit verwendeten Herstellungs- und Charakterisierungsmethoden in Kapitel 2 statt. In Kapitel 3 sind die Herstellung und Charakterisierung beider Wirkstoff-trägersysteme dargestellt. Zunächst konnten die natürlichen bolaamphiphilen Lipide (Tetraetherlipide – TEL) erfolgreich aus der Biomasse von Sulfolobus acidocaldarius extrahiert und unter Zuhilfenahme des Phospholipids 1,2-Distearoyl-sn-Glycero-3-Phospatidylcholin (DSPC) in verschiedenen Massenanteilen stabile vesikuläre Phospholipid Gele (VPGs) entwickelt werden. Die Charakterisierung selbiger fand mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM), cryo-Transmissionselektronen-mikroskopie (cryo-TEM) und Rotationsviskosimetrie statt. In den REM Aufnahmen war festzustellen, dass sich die Trägersysteme teilweise mit und ohne eingearbeiteten Wirkstoff voneinander unterschieden. Die aufgestellte Hypothese, dass bei dem mit DSPC:TEL (50:50) hergestellten VPG ohne Methylenblau (MB) eine Phasenseparation des Systems vorlag, wurde bei den daran anknüpfenden cryo-TEM Untersuchungen bestätigten. Die bei der Messung auf 2 mg/mL verdünnten VPGs zeigten wie erwartet die sich spontan im wässrigen Medium bildenden Strukturen von Phospholipiden und TEL. Zu beobachten war eine Zunahme der Vesikelgröße mit wachsenden Anteilen zugesetzten TEL. Im Gegensatz dazu zeigte das DSPC:TEL (50:50)-System keine einheitlichen Vesikel, sondern gleichzeitig auftretende mizellare und vesikuläre Strukturen. Die Charakterisierung des Fließverhaltens mittels Rotationsviskosimeter offenbarte Unterschiede zwischen den aus DSPC und DSPC:TEL (50:50) hergestellten Trägersystemen mit und ohne MB, welche sich bereits in den REM Aufnahmen andeuteten, im Gegensatz zu den VPGs aus DSPC:TEL (80:20) und DSPC:TEL (70:30). Bei der rheologischen Untersuchung der aus PC-C32-PC und Me2PE-C32-Me2PE gewonnenen Hydrogele konnte festgestellt werden, dass die Stabilität der selbstorganisierten Hydrogele bei minimalen Scherkräften abnahm, so dass ein Verbleib der Trägersysteme am späteren Applikationsort mit ausreichend hoher Belastbarkeit nicht sicher angenommen werden konnte. Im Anschluss an eine stattfindende Sublimation der inneren Phase in einem herkömmlichen Gefriertrockner wurden stabile Aerogele erzeugt, die sich durch Zugabe von Flüssigkeit in situ zu Hydrogelen rückwandelten. Die vollständig hydrierten Aerogele zeigten im Rheogramm ein nur geringfügig anderes Verhalten als vor der Aerogel-Bildung. Eine morphologische Charakterisierung der Aerogele fand wie bei den VPGs ebenfalls mittels REM statt. Sowohl das aus PC-C32-PC hergestellte Aerogel als auch das Pendant mit Me2PE-C32-Me2PE zeigten dabei eine gleichmäßige Porung innerhalb des Trägersystems, welche mit denen von gefriergetrockneten Hydrogelen vergleichbar ist, die bereits als intelligente Wundauflagen in der Therapie von tiefen Wunden eingesetzt werden. In Kapitel 4 sind die pharmakologischen Aspekte der Wirkstoffträgersysteme dargestellt. Alle getesteten Gele konnten den eingeschlossenen Wirkstoff aus dem System entlassen: Die VPGs aus DSPC und DSPC:TEL waren in der Lage MB retardiert über mehrere Tage freizusetzen. Insbesondere die aus DSPC:TEL (80:20) und DSPC:TEL (70:30) hergestellten Systeme mit einer Freisetzungsdauer von 7 Tagen sind sehr interessante Kandidaten für eine Langzeittherapie von chronischen Wundinfektionen. Anders die Aerogele aus PC-C32-PC und Me2PE-C32-Me2PE deren Freisetzung aufgrund der hohen Austrittsgeschwindigkeit des Wirkstoffes zu Beginn und der erst später eintretenden, retardiert wirkenden Gelbildung lediglich sechs bzw. acht Stunden benötigten. Dieser Umstand erschwert den Einsatz der nativen Aerogele als intelligente Wirkstoffträgersysteme für eine Langzeittherapie. Im Gegensatz dazu zeigen die hydrierten Aerogele (Hydrogele) eine deutlich kontrollierte Freisetzung, die hinsichtlich der Freisetzungsdauer den als Referenz herangezogenen Hydroxyethylcellulose 300 (HEC 300) Hydrogelen überlegen war. Die Vorteile beider Systeme zu kombinieren, scheint effektiver zu sein. Aerogele besitzen eine Langzeitstabilität und sind ein einfach zu handhabendes System zur in situ Hydrogelbildung. Die Untersuchung der photodynamischen Wirkung der Wirkstoffträgersysteme auf den grampositiven Keimen Staphylococcus saprophyticus subsp. bovis (DSM 18669) und Staphylococcus aureus subsp. aureus (ATCC 25923) sowie auf das gramnegative Bakterium Escherichia coli (DH5α) fanden in Kapitel 5 statt. Auf die grampositiven Bakterien zeigte sich auch ohne einwirkende Bestrahlung ein bakteriostatischer Effekt unter der MB-vermittelten Behandlung mit den Trägersystemen, was auf den bakteriostatischen Effekt des MB selbst zurückzuführen war. Bei Bestrahlung konnte eine gesteigerte bakteriostatische Wirkung bei beiden Keimen festgestellt werden. Die bakterizide Wirkung trat unter der aPDT bei beiden Keimen auf, konnte jedoch lediglich bei S. saprophyticus subsp. bovis (DSM 18669) quantitativ bestimmt werden, da die Messdaten aus dem Šumperk Krankenhaus der Tschechischen Republik, wo die Versuche stattfanden, nicht vorlagen. E. coli (DH5α) zeigte keine Sensitivität gegenüber den mit MB beladenen Wirkstoffträgersystemen ohne angewandte aPDT. Erst mit der Bestrahlung fanden sowohl eine bakteriostatische als auch eine bakterizide Wirkung statt, die jedoch in ihrer Ausprägung geringer ausfiel als bei den grampositiven Bakterien. Kapitel 6 befasste sich mit der Charakterisierung der aPDT Sensitivität von Hefen unter einer Therapie mit den hergestellten Trägersystemen aus natürlichen und synthetischen Bolaamphiphilen. Als Modellkeim diente dabei Saccharomyces cerevisiae. Analog zu den grampositiven Kokken, war bei den Mikroorganismen auch ohne Bestrahlung eine geringe fungistatische und vereinzelnd fungizide Wirkung vorhanden. Unter der aPDT verstärkten sich beide Effekte deutlich bei allen Wirkstoffträgersystemen, die bis auf das PC-C32-PC Aerogel der Kontrollgruppe überlegen waren. Sowohl Schleimhäute als auch das Wundbett sind Applikationsorte, die besondere Ansprüche an das Trägersystem stellen. Daher fand in Kapitel 7 die Untersuchung der Verträglichkeit von aus DSPC und DSPC:TEL hergestellten Gele gegenüber Blutbestandteilen statt. Die VPGs wurden sowohl mit als auch ohne Wirkstoff auf ihr hämolytisches Potential getestet. Sowohl die Trägersysteme aus DSPC als auch die mittels DSPC:TEL (80:20) hergestellten, zeigten mit und ohne MB gute Verträglichkeit gegenüber Erythrozyten. Die mittels DSPC:TEL (70:30) und DSPC:TEL (50:50) hergestellten Systeme wiesen einen mäßig hohen hämolytischen Wert auf, der in den Verunreinigungen des verwendeten GLE begründet liegt. Zusammenfassend ließ sich daher feststellen, dass lediglich die DSPC- und DSPC:TEL (80:20)-haltigen Wirkstoffträgersysteme für die MB-vermittelte aPDT vollumfänglich geeignet sind. Dieser Versuch konnte aufgrund des geringen Probenvolumens nicht mit den Aerogelen aus PC-C32-PC und Me2PE-C32-Me2PE durchgeführt werden. Die Langzeitverträglichkeit der Aerogele, die Kompatibilität mit Schleimhäuten sowie die Toleranz von selbigen gegenüber der angewandten aPDT aller bolaamphiphil-haltigen Wirkstoffträgersysteme wurde abschließend in Kapitel 8 unter Zuhilfenahme der Chorioallantois-Membran (CAM) evaluiert. Zunächst konnte mittels des „henn´s egg test on the chorioallantoic membrane“ (HET-CAM) die Schleimhaut-verträglichkeit der aus DSPC, DSPC:TEL, PC-C32-PC und Me2PE-C32-Me2PE hergestellten Gele vergleichend mit einem für die vaginale Applikation geeigneten Hydrogel aus HEC 300 verglichen werden. Dabei war die Verträglichkeit der neuartigen Wirkstoffträgersysteme aus Bolaamphiphilen mit jenem aus HEC 300 vergleichbar. Um die Langzeitverträglichkeit der aus synthetischen Bolaamphiphilen generierten Aerogele am späteren Applikationsort zu untersuchen, fand beginnend mit Tag 9 der embryonalen Entwicklung eine tägliche Beobachtung des Wachstumsverhaltens der Blutgefäße und das Auftreten von Blutungen, Gefäßlyse oder Koagulation in unmittelbarer Umgebung des Aerogels bis einschließlich Tag 14 sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch statt. Dabei trat ein unterschiedliches Hydratationsverhalten beider Aerogele in Erscheinung, welches sich jedoch nicht auf die Verträglichkeit auswirkte. Beide Systeme waren gegenüber dem wachsenden Blutgefäßsystem inert und es waren keine Abwehrreaktionen sichtbar. Nebenwirkungen der aPDT können neben der Eradikation der auf der Haut, Schleimhaut oder im Wundbett befindlichen Mikroorganismen auch Schädigungen an gesundem Gewebe sein. Daher fand eine Untersuchung der Biokompatibilität der Therapie auf der CAM ebenfalls in Kapitel 8 statt. Um sicherzustellen, dass weder die einwirkende Strahlung noch die Trägersysteme ohne Wirkstoff Einfluss auf die Integrität der Blutgefäße nahmen, wurden diese Parameter vorab ausgeschlossen. Die LED-vermittelte aPDT mit MB unter Anwendung der DSPC- und DSPC:TEL-haltigen VPGs sowie der PC-C32-PC- und Me2PE-C32-Me2PE-haltigen Aerogele fand vergleichend mit wässriger MB-Lösung gleicher Konzentration statt. Verglichen mit der MB-Lösung war der Schaden nach der Bestrahlung bei allen Wirkstoffträgersystemen deutlich geringer. Insbesondere 24 bzw. 48 Stunden nach der Behandlung fanden sich gravierende Unterschiede bezüglich der Gefäßintegrität innerhalb der CAM. Während bei der Referenz die erheblichen Schäden während der Behandlung für eine strukturelle Veränderung der CAM sorgte, die sich in weißlich-nekrotischem Erscheinungsbild äußerte, blieben dieses bei der aPDT mit allen neuartig entwickelten Wirkstoffträgersystemen aus Bolaamphiphilen aus. Dieser Umstand belegt die im Vergleich zur Referenzlösung gleicher Wirkstoffkonzentration überlegene Verträglichkeit der Gele. Zusammenfassend ist es daher festzustellen, dass es gelungen ist stabile Formulierungen aus sowohl natürlichen als auch synthetischen Bolaamphiphilen zu entwickeln, die für die antimikrobielle photodynamische Therapie geeignet sind und gleichzeitig eine gute Verträglichkeit aufweisen. Dieser Umstand qualifiziert sie als potentiell gute Kandidaten für die klinische Anwendung für Haut-, Schleimhaut und Wundinfektionen.
Umfang:152 Seiten
DOI:10.17192/z2021.0046