Nipahvirus-induzierte Zytokinantwort in porcinen und humanen respiratorischen Epithelzellen

Das hochpathogene Nipahvirus (NiV), das zu dem Genus Henipavirus in der Familie Paramyxoviridae gehört, führt seit 1998 zu Ausbrüchen in Südostasien. Dabei verursacht das Virus schwere Erkrankungen in verschiedenen Spezies und hohe Letalitätsraten beim Menschen, wogegen es keine Behandlungsmöglichke...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Elvert, Mareike
Beteiligte: Maisner, Andrea (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Das hochpathogene Nipahvirus (NiV), das zu dem Genus Henipavirus in der Familie Paramyxoviridae gehört, führt seit 1998 zu Ausbrüchen in Südostasien. Dabei verursacht das Virus schwere Erkrankungen in verschiedenen Spezies und hohe Letalitätsraten beim Menschen, wogegen es keine Behandlungsmöglichkeit oder Impfung gibt. Aus diesen Gründen ist das NiV in die höchste biologische Sicherheitsstufe 4 (BSL-4) eingestuft. Aufgrund der Schwere der Krankheitsverläufe befinden sich Nipahviren auf der R&D Blueprint list of priority diseases der World Health Organization (WHO), die die Erforschung dieser Viren als Priorität eingestuft hat. Beim ersten bekannten Ausbruch 1998/1999 in Malaysia und Singapur wurde das NiV von Flughunden, dem Virusreservoir, auf Schweine übertragen. Diese entwickelten eine starke symptomatische Entzündung der Lunge und konnten das Virus über Sekrete auch auf Menschen übertragen. Infizierte Menschen entwickelten eine schwere Enzephalitis, zeigten aber im Vergleich zu Schweinen nur selten respiratorische Symptome oder eine Virusausscheidung in Atemwegssekreten. Da sich die Genomsequenzen der Virusisolate aus Schweinen und Menschen nicht unterscheiden, deutet die unterschiedlich starke Beteiligung der Atemwege während der NiV-Infektion auf Wirtsspezies-spezifische Unterschiede hin. Unsere Arbeitsgruppe hat bereits gezeigt, dass der Eintrittsrezeptor für NiV (Ephrin-B2) in humanen und porcinen Atemwegsepithelzellen unterschiedlich stark exprimiert wird, was auch einen gewissen Einfluss auf die Infektionseffizienz hatte. In dieser Arbeit sollten nun weitere Wirtsfaktoren identifiziert werden, die einen Einfluss auf die NiVMalaysia-Infektion in den Atemwegsepithelien haben könnten. Zu diesem Zweck wurden Infektionsstudien in primären humanen und porcinen respiratorischen Epithelzellen durchgeführt. Dabei wurde die NiV-Replikation, die Freisetzung infektiöser Viruspartikel und die angeborene Immunantwort in infizierten Zellen, genauer die Induktion von Interferonen (IFN), Interferon-stimulierten Genen (ISGs) und proinflammatorischen Zytokinen untersucht. Die Infektion von Epithelzellen aus verschiedenen humanen und porcinen Lungenabschnitten (Trachea, Bronchien, Small-Airways) ergab, dass alle Atemwegskulturen mit einer deutlichen Hochregulierung von Typ-III IFN, vor allem von IFN-λ2,3 (human) bzw. IFN-λ3 (porcin), reagierten. Dabei zeigten humane und porcine Bronchial-Epithelzellen eine deutlich stärkere IFN-Antwort als NiV-infizierte Epithelzellen aus der Trachea oder den Small-Airways. Neben den quantitativen Unterschieden in der IFN-Antwort der Zellen aus den verschiedenen Lungenabschnitten konnten in dieser Arbeit eindeutige Spezies-spezifische Unterschiede in der Zytokin-Induktion nachgewiesen werden. Direkte Vergleichsstudien von NiV-infizierten humanen und porcinen Bronchial-Epithelzellen (HBEpC und PBEpC) ergaben, dass bei gleich effizienter Virusreplikation (gemessen über die intrazellulären Virus-RNA-Mengen) die Typ-III IFN- und ISG-Antwort in den PBEpC im Vergleich zu den HBEpC deutlich vermindert war. Die Virusfreisetzung, das heißt die Virustiter im Zellüberstand, waren in PBEpC erhöht. Dies spricht dafür, dass das NiV in porcinen Bronchial-Epithelzellen eine relativ geringe antivirale Antwort induziert und sich produktiv vermehrt. Die Infektionsstudien haben weiterhin gezeigt, dass die NiV-Infektion in den porcinen Bronchial-Epithelzellkulturen trotz der schwachen IFN- und ISG-Antwort eine eindeutige Expression von proinflammatorischen Zytokinen (IL-6, IL-8) induziert. Insgesamt geben die vergleichenden Infektionsstudien klare Hinweise darauf, dass Unterschiede in der Zytokinantwort wichtige Wirtsspezies-spezifische Faktoren darstellen, die die NiV-Infektion in der menschlichen und porcinen Lunge beeinflussen könnten. Auf Basis der Ergebnisse könnte man die in vivo beobachteten Unterschiede in der respiratorischen Symptomatik und der Virusausscheidung in Atemwegssekreten wie folgt erklären: Eine NiV-Infektion der Lunge führt beim Menschen zu einer moderaten proinflammatorischen Antwort, induziert aber eine effiziente IFN-abhängige antivirale Immunantwort, die letztendlich die Virusproduktion limitiert. Im Gegensatz dazu kommt es in Schweinen bei einer NiV-Infektion der Lunge zu einer ausgeprägten inflammatorischen Antwort, aber einer geringen IFN-abhängigen Hemmung der Virusvermehrung, was die ausgeprägte respiratorische Symptomatik bei Schweinen und die produktive Virusausscheidung über Atemwegssekrete erklären könnte. Da die bisherigen Untersuchungen stark darauf hinweisen, dass IFN-λ eine wichtige Rolle bei der antiviralen Immunantwort in Bronchial-Epithelzellen spielt, wurde in nachfolgenden Infektionsstudien die Wirkung von Cyclosporin A (CSA) untersucht. Für CSA wurde kürzlich ein IFN-λ abhängiger inhibitorischer Effekt auf MERS-Coronaviren beobachtet. Tatsächlich führte eine CSA-Behandlung der primären humanen und porcinen Bronchial-Epithelzellen zu einer Typ-III IFN-Hochregulierung und zu einer eindeutigen Hemmung der NiV-Infektion. Ob CSA ein möglicher Behandlungsansatz ist, um die NiV-Infektion in der Lunge zu hemmen, soll in Zukunft in komplexeren primären Zellkulturmodellen getestet werden, die größere intakte Epithelverbände mit verschiedenen epithelialen und submukosalen Zelltypen enthalten. Deshalb wurde im letzten Teil der Arbeit eine Methode zur Herstellung von Lungenschnitten, sogenannte porcine ex vivo lung slices cultures etabliert. Die aus frischen Schweinelungen gewonnenen Lungenschnitte waren über mehrere Tage vital und die Infektion mit einem rekombinanten NiVeGFP konnte über den Nachweis autofluoreszierender NiV-positiver Zellen am Bronchuslumen und im Lungengewebe erfolgreich nachgewiesen werden. Somit steht nun ein System zur Verfügung, mit dem in Zukunft NiV-Inhibitorstudien in einem komplexen ex vivo Zellmodell durchführt werden können.
Umfang:149 Seiten
DOI:10.17192/z2021.0034