Gibt es eine ärztliche Verpflichtung zu Gesprächen über Entscheidungen am Lebensende?

Hintergrund: Wenn Entscheidungen am Lebensende rechtzeitig thematisiert und Patientenwünsche z. B. im Rahmen von Advance Care Planning vorausverfügt werden, profitieren die Patienten, ihre Angehörige und auch die behandelnden Ärzte. In der klinischen Realität finden solche Gespräche dennoch häufig n...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Fries, Hansjakob
Beteiligte: Seifart, Carola (PD Dr. med.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Hintergrund: Wenn Entscheidungen am Lebensende rechtzeitig thematisiert und Patientenwünsche z. B. im Rahmen von Advance Care Planning vorausverfügt werden, profitieren die Patienten, ihre Angehörige und auch die behandelnden Ärzte. In der klinischen Realität finden solche Gespräche dennoch häufig nicht statt. Es ist diskutiert worden, dass eine Ursache darin liegt, dass Patienten bewusst auf Selbstbestimmung am Lebensende verzichten. Ziel: Empirisch zu zeigen, ob Patienten Selbstbestimmung am Lebensende schätzen und wahrnehmen. Normativ zu analysieren, ob Ärzte verpflichtet sein können, über Entscheidungen am Lebensende zu sprechen. Entwicklung eines praktischen Leitfadens, wie mit Patienten umgegangen werden soll, die nicht über das Thema sprechen wollen. Methoden: Statistische Auswertung der Antworten von 196 Krebspatienten zu Wünschen bezüglich Gesprächen über Entscheidungen am Lebensende und medizinethische Analyse der Ergebnisse, mit besonderem Augenmerk auf das Konzept von personaler Autonomie nach Quante. Ergebnis: Selbstbestimmung wurde von 95,4 % der Teilnehmenden als abstrakter Wert geschätzt, Gespräche über Entscheidungen am Lebensende mit einer Ärztin bzw. einem Arzt wurden von 94,2 % für wichtig empfunden. Zur Entscheidungsfindung am Lebensende wurde von den meisten shared decision making bevorzugt, Patientinnen und Patienten mit inkurabler Erkrankung waren jedoch eher bereit, Entscheidungen am Lebensende an Dritte abzugeben. Eine Patientenverfügung hatten 30,6 % erstellt, während nur 24,7 % der Befragten bisher mit einem Arzt über Entscheidungen am Lebensende gesprochen hatten. 29,6 % wollten nicht auf die Thematik angesprochen werden. Diskussion: Es besteht eine Diskrepanz zwischen den geäußerten Wünschen nach Selbst- bzw. Mitbestimmung am Lebensende und einem Mangel an Kommunikation zwischen Arzt und Patient über das Thema. Ärzte sollten darum Patienten mit einer Lebenserwartung unter 12 Monaten Gespräche über Entscheidungen am Lebensende anbieten. Die Pflicht zur tatsächlichen Durchführung dieser Gespräche ist dabei durch die Patientenselbstbestimmung begrenzt: Mit Patienten, die über Entscheidungen am Lebensende nicht sprechen wollen, sollten die Verzichtsentscheidung thematisiert und kritisch reflektiert werden, Vertrauensangebote aufgegriffen und das Angebot zum Gespräch regelmäßig wiederholt werden.
Umfang:169 Seiten
DOI:10.17192/z2020.0451