Motologisch orientierte Gesundheitsförderung in Organisationen – dargestellt am Beispiel eines Orchesters

Gesundheitsförderung ist mittlerweile ein wichtiges Forschungsgebiet der Motologie. Im Fachdiskurs werden hierbei anthropologische Zugänge zum Phänomen der Gesundheit betont, welche das agierende Subjekt in den Mittelpunkt der Körper- und Bewegungsarbeit stellen. Etablierte Ansätze und Konzepte sin...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Berg, Stephan Johannes
Beteiligte: Seewald, Jürgen (Prof. Dr. phil.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2019
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Gesundheitsförderung ist mittlerweile ein wichtiges Forschungsgebiet der Motologie. Im Fachdiskurs werden hierbei anthropologische Zugänge zum Phänomen der Gesundheit betont, welche das agierende Subjekt in den Mittelpunkt der Körper- und Bewegungsarbeit stellen. Etablierte Ansätze und Konzepte sind primär leibphänomenologisch begründet und von einem homöostatischen Gesundheitsverständnis geprägt – organisationale Einflüsse werden dabei jedoch bislang wenig berücksichtigt. Die vorliegende Arbeit entwickelt daraus ihre zentrale Frage, ob und wie es gelingen kann, die ausdifferenzierte individuelle Ebene der motologischen Gesundheitsförderung um den Wirkungsbereich einer überindividuellen, organisationalen Ebene zu erweitern. Aus diesem Grund wendet sich der Blick dem interdisziplinären Diskurs um Gesundheitsförderung in Organisationen zu. Im dargestellten Bereich organisationaler Belastungs-, Stress- und Ressourcenkonzepte ist vor allem das Konstrukt der Organisationskultur aufschlussreich. Es macht deutlich, inwiefern kollektive Werte und Normen gesundheitsbezogene Handlungen der Mitglieder implizit modellieren. Da sich Organisationen hinsichtlich ihrer Kulturen, Abläufe oder Ziele stark voneinander unterscheiden, wird eine allgemein gehaltene betriebliche Gesundheitsförderung dieser Vielfalt nicht immer gerecht. Die Entwicklung einer passgenauen und theoretisch begründeten Variante von Gesundheitsförderung bildet somit das zentrale Forschungsanliegen – erörtert am Beispiel eines Orchesters. Risiko- und Schutzfaktoren für die hochgradig anspruchsvolle Orchestertätigkeit sind zwar von Seiten der Musikermedizin bereits ermittelt worden. Ein gesundheitsförderlicher Ansatz, der die nachweislich einflussreiche Beziehung zwischen Individuum und Organisation dezidiert berücksichtigt, wurde dabei aber nicht formuliert. Hier bietet sich also die Chance, ein neues Interventionsfeld für die motologische Gesundheitsförderung zu erschließen. Um dies leisten zu können, erfolgt zunächst die Erarbeitung der überindividuellen Ebene anhand eines mehrdimensionalen Orchestermodells, entwickelt von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Eine Auseinandersetzung mit diesem Modell ermöglicht sodann, die anvisierte Schnittstelle von Individuum und Organisation mittels einer motologisch-leibphänomenologischen Perspektive zu untersuchen. Essenziell dafür ist der Begriff des Leibes, der in seiner Doppeldeutigkeit von physischem Körper und erlebtem Leib als Mittler der Mensch-Welt-Beziehung fungiert. Hierbei bilden die Bereiche Musizierbewegung, sozialer Orchesterraum, Ergonomie und instrumentalspiel-assoziierte Schmerzen den Kern der Analyse. Kontrastiert bzw. dialogisch vermittelt wird diese phänomenologische Perspektive wiederkehrend mit Ergebnissen der empirisch dominierten Musikermedizin. Aus den gewonnenen Erkenntnissen wird abschließend ein 'Polaritätenmodell der Bewegung' generiert. Dieses bietet praxisorientierte Eckpunkte für eine motologische Gesundheitsförderung, welche organisationale Merkmale aufgreift und sie zum Thema des Bewegungsangebotes macht. So erfasst das Modell z.B. das ambivalente Verhältnis von feinmotorischer Funktionalität und subjektiver Bedeutung, von automatisierter Stabilität und möglicher Variabilität tätigkeitsbezogener Bewegungsabläufe. Organisationale Bedingungen werden dadurch in der Körper- und Bewegungsarbeit subjektiv erfahrbar bzw. partiell im Sinne der individuellen Gesundheit beeinflussbar. Perspektivisch bietet dieser Ansatz somit das Potenzial, die Gesundheitsthematik mit Lern- und Entwicklungsprozessen gesamter Organisationen zu verbinden, da das Bewegungsangebot die implizite Kultur des jeweiligen Adressaten einbezieht.
Umfang:293 Seiten
DOI:10.17192/z2020.0223