Erforschung von Risikofaktoren für ungünstiges Essverhalten in der Schwangerschaft und die Auswirkung des ungünstigen Essverhaltens auf die Gewichtsentwicklung des Kindes

Die Prävalenz der Adipositas ist nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen weltweit hoch und in vielen Teilen der Welt immer noch ansteigend. Das Störungsbild bringt bereits im Kindesalter gravierende negative Konsequenzen im gesundheitlichen und psychosozialen Bereich mit...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Tabibzadeh, Pantea
Beteiligte: Rief, Winfried (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2019
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die Prävalenz der Adipositas ist nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen weltweit hoch und in vielen Teilen der Welt immer noch ansteigend. Das Störungsbild bringt bereits im Kindesalter gravierende negative Konsequenzen im gesundheitlichen und psychosozialen Bereich mit sich. Die Erforschung von frühen Entstehungsfaktoren der Adipositas ist eine Möglichkeit, die bisher wenig verfügbaren Präventionsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zu erweitern. Hieran knüpft die vorliegende Dissertation an. Ziel der vorliegenden publikationsbasierten Dissertation war es daher zum einen, einen allgemeinen Überblick über bisher untersuchte Risikofaktoren zu frühkindlicher Adipositas zu geben und zum anderen, die Forschungsliteratur um den noch unzureichend erforschten Risikofaktor Essverhalten während der Schwangerschaft zu ergänzen. Der erste Artikel der Dissertation ist eine Übersichtsarbeit über pränatale Risikofaktoren zur Genese von kindlichem Übergewicht und Adipositas. Die Übersichtsarbeit konnte zeigen, dass Risikofaktoren, wie mütterlicher BMI, Gewichtszunahme in der Schwangerschaft, Schwangerschaftsdiabetes, Rauchen in der Schwangerschaft, bereits gut in der Forschungsliteratur belegt sind. Ungünstiges Essverhalten (restriktives Essverhalten und Essverhalten das mit Überessen assoziiert ist) in der Schwangerschaft zwar in tierexperimentellen Studien als relevanter Risikofaktor für Adipositas gefunden worden ist, jedoch am Menschen bisher unzureichend untersucht ist. Während es zu Überernährung in der Schwangerschaft ein paar Studien am Menschen gibt, die einen Zusammenhang zu Übergewicht beim Nachwuchs beobachten konnten, ist die Datenlage zu Unterernährung unzureichend. Die zwei vorliegenden Studien, die sich mit Unterernährung (durch Krieg und Hungerkatastrophe ausgelöst) während der Schwangerschaft beschäftigt haben, deuten darauf hin, dass eine Mangelernährung in der fötalen Phase mit Adipositas beim Nachwuchs assoziiert ist. Die Übersichtsarbeit zeigt damit eine Forschungslücke auf, die geschlossen werden sollte. Der zweite Artikel der Dissertation ging daher der Frage nach, ob es auch unabhängig von extremen äußerlichen Faktoren wie Krieg oder Naturkatastrophen, Faktoren gibt, die dazu führen, dass Mütter in der Schwangerschaft ein restriktives Essverhalten zeigen. Das westliche Schlankheitsideal kann als so ein denkbarer Faktor angesehen werden. Unter diesem strengen Ideal unterliegen auch werdende Mütter zunehmend dem Druck zur Gewichtskontrolle, welches restriktives Essverhalten oder Kompensationsverhalten nach der Nahrungsaufnahme in der Schwangerschaft zur Folge haben kann und zur Mangelernährung führen könnte. Da in Tierstudien sowohl Überernährung (z.B. durch Essverhalten, das mit Überessen assoziiert ist), als auch Mangelernährung (restriktives Essverhalten) mit Adipositas beim Nachwuchs assoziiert sind, verfolgte Artikel zwei die Zielsetzung, Risikofaktoren für beide Facetten ungünstiger Ernährung in der Schwangerschaft zu untersuchen. Als Prädiktoren für das ungünstige Essverhalten und Kompensationsverhalten wurden dabei Risikofaktoren, die mit Essstörungspathologie in der Forschungsliteratur in Verbindung gebracht werden (u.a. Schlankheitsstreben, Unzufriedenheit mit dem Körper, niedriger Selbstwert) und schwangerschaftsbedingte Sorgen, sowie chronischer Stress herangezogen. Neben soziodemografischen Variablen (u.a. Alter, Abschluss) wurden auch der Einfluss von schwangerschaftsbedingten Faktoren (BMI, Diabetes) und die psychische Gesundheit betrachtet. Die Ergebnisse zeigten, dass insbesondere Schlankheitsstreben und schwangerschaftsbezogene Sorgen mit ungünstigem Essverhalten und Kompensationsverhalten (selbstinduziertes Erbrechen, exzessiver Sport) assoziiert sind. Diese Verhaltensweisen könnten sich auf die gesundheitliche Entwicklung des Nachwuchses auswirken und einen Risikofaktor für Übergewicht und Adipositas bilden. Praktiker sind gefragt, werdende Mütter über die Konsequenzen von inadäquatem Ess- und Kompensationsverhalten in der Schwangerschaft aufzuklären. Um die Fragestellungen in Artikel zwei bearbeiten zu können, musste vorab die Passung zweier Instrumente für die vorliegende Stichprobe überprüft werden. Bislang gibt es kein wissenschaftlich fundiertes Instrument zur Erfassung von ungünstigem Essverhalten während der Schwangerschaft, und auch Risikofaktoren für Essstörungspathologien sind noch nicht an einer Stichprobe von Schwangeren untersucht worden. Die zwei am häufigsten verwendeten und gängigen Instrumente an nicht-schwangeren Stichproben wurden hierfür herangezogen. Im Bereich Essverhalten wurde die deutsche Version des Three Factor Eating Questionnaire (TFEQ) (Stunkard & Messick, 1985) und im Bereich Essstörungspathologie die deutsche Version des Eating-Disorder-Invertory-2 (EDI-2) (Thiel et al., 1997), explorativ und konfirmatorisch auf deren Passung für die vorliegende Stichprobe überprüft. Die Analysen zeigten eine geeignete Passung und es konnte die Faktorenstruktur der Originalinstrumente größtenteils bestätigt werden (siehe Abschnitt 5). Aufbauend auf den Erkenntnissen der ersten beiden Artikel, adressierte der dritte Artikel den Zusammenhang zwischen ungünstigem Essverhalten (restriktives Essverhalten und Essverhalten, das mit Überessen assoziiert ist) in der Schwangerschaft auf die Gewichtsentwicklung des Kindes. Hierbei sollten die Befunde aus den tierexperimentellen Studien, welche sowohl Überernährung, als auch Unterernährung in der Schwangerschaft mit Adipositas beim Nachwuchs in Zusammenhang bringen, an einer nicht-klinischen Stichprobe von Schwangeren überprüft werden. Zu diesem Zweck wurde das ungünstige Essverhalten (Essverhalten, das mit Überessen assoziiert ist und restriktives Essverhalten) während der Schwangerschaft, mit dem Risiko für Übergewicht beim Nachwuchs zum Zeitpunkt der Geburt, sowie sechs Monate, ein Jahr und zwei Jahre nach der Geburt, in Verbindung gebracht. Des Weiteren folgte die Überprüfung, ob der Verlauf der Gewichtsentwicklung über die Zeit bei Säuglingen anders ist, wenn ihre Mütter restriktives Essverhalten oder ein Essverhalten in der Schwangerschaft gezeigt haben, welches mit Überessen einhergeht. Die Ergebnisse zeigten, dass der Verlauf der Gewichtsentwicklung der Kinder nicht mit dem Essverhalten der Mutter in Verbindung stand. Für das Risiko Übergewicht zu entwickeln, zeigte sich Essverhalten, das mit Überessen assoziiert ist, als positiver Prädiktor für Übergewicht beim Nachwuchs im Alter von sechs Monaten. Für restriktives Essverhalten zeigten sich, entgegen der Erwartung, keine Zusammenhänge. Als Präventionsmöglichkeit wäre Aufklärung für werdende Mütter zum Thema gesundes Essverhalten in der Schwangerschaft wichtig und könnte, z.B. im Rahmen der regelmäßig vorgesehenen Untersuchungen, beim Frauenarzt angeboten werden. Die vorliegende Dissertation zeigt auf, dass eine Forschungslücke darin besteht, dass der Einfluss von ungünstigem Essverhaltens auf die Gewichtsentwicklung des Kindes noch unzureichend erforscht ist. Des Weiteren werden zwei quantitativ-empirische Arbeiten präsentiert, die diese Forschungslücke zu schließen beginnen. Zum einen adressiert die vorliegende Arbeit diese Forschungslücke in einer Querschnittstudie, in der Risikofaktoren für ungünstiges Ess- und Kompensationsverhalten ermittelt werden. Zum anderen wird in einer prospektiven Längsschnittstudie der Einfluss von ungünstigem Essverhalten auf die Gewichtsentwicklung des Kindes, sowie auf das Risiko für Übergewicht beim Nachwuchs überprüft.
Umfang:176 Seiten
DOI:10.17192/z2019.0475