Beeinflussung der Mivacurium-induzierten Muskelrelaxation durch S(+)-Ketamin

Die Allgemeinanästhesie setzt sich aus einem Medikamentencocktail zusammen, das aus einem Hypnotikum, einem Muskelrelaxans sowie einem Analgetikum besteht. Die Analgetika sind der Opioidgruppe zugeordnet (z. B. Fentanyl oder Sufentanil). Alternativ kann das Opioid auch durch das Nicht-Opioid S(+)-Ke...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Hescher-Jost, Ilona
Beteiligte: Eberhart, Leopold (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2019
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die Allgemeinanästhesie setzt sich aus einem Medikamentencocktail zusammen, das aus einem Hypnotikum, einem Muskelrelaxans sowie einem Analgetikum besteht. Die Analgetika sind der Opioidgruppe zugeordnet (z. B. Fentanyl oder Sufentanil). Alternativ kann das Opioid auch durch das Nicht-Opioid S(+)-Ketamin ersetzt werden. Studien der letzten Jahre verweisen allerdings auf mögliche unerwünschte Interaktionen zwischen Ketamin und einem Muskelrelaxans im Sinne einer verlängerten neuromuskulären Restblockade. Ziel der Studie war es daher, die Wirkung des Muskelrelaxans Mivacurium in Kombination mit S(+)-Ketamin versus Sufentanil auf die Muskelrelaxation zu evaluieren. Eingeschlossen wurden 120 Patienten, welche sich unfallchirurgischen oder orthopädischen Eingriffen unterzogen. Im Rahmen der operativen Eingriffe wurde eine total intravenöse Anästhesie durchgeführt, wobei in beiden Gruppen Propofol als Hypnotikum und Mivacurium als Muskelrelaxans verwendet wurden. Als Analgetikum wurde in Gruppe A (60 Patienten) S(+)-Ketamin und in Gruppe B (60 Patienten) Sufentanil verabreicht. Die Patienten wurden dabei randomisiert in die beiden Gruppen A und B aufgeteilt. Ein Patientenausschluss war im Rahmen der Studie nicht notwendig. Die beiden Patientengruppen unterschieden sich nicht bezüglich biometrischer Daten und der Aufteilung in die Kategorien nach ASA. Die mittlere Zeitspanne vom Injektionsende des Muskelrelaxans bis zur 25%igen Erholung der neuromuskulären Blockade (DUR25) betrug in der Ketamingruppe 22,1 Minuten und war damit statistisch signifikant verlängert im Vergleich zum Mittelwert in der Sufentanilgruppe mit 19,8 Minuten. Die Relaxationsmessung zur Kontrolle der neuromuskulären Reizübertragung an der motorischen Endplatte (Train-of-Four, TOF, -Stimulation) ergab ebenfalls statistisch verlängerte Erholungszeiten um durchschnittlich 11%. Die mittleren TOF50%-Werte (50%ige Erholung der neuromuskulären Relaxierung) errechneten sich zu 13,4 (Ketamingruppe) vs 11,9 Minuten (Sufentanilgruppe), die mittleren TOF70%-Werte (70%ige Erholung der neuromuskulären Relaxierung) zu 18,8 (Ketamingruppe) vs 16,7 Minuten (Sufentanilgruppe). Zuletzt wiesen auch die Mittelwerte für TOF80% (80%ige Erholung) in der Ketamingruppe mit 20,2 Minuten im Vergleich zur Sufentanilgruppe mit 18,2 Minuten eine statistisch signifikante Differenz auf. In der vorliegenden Studie konnte nachgewiesen werden, dass sich in vier der neun erhobenen Relaxationsgraden (DUR 25%, TOF50%, TOF70%, TOF80%) die Ketamin-Mivacurium-Gruppe statistisch signifikant von der Sufentanil-Mivacurium-Gruppe unterscheidet. Gleichzeitig ergab sich ein statistischer Trend (p  0,10) bezüglich der Relaxierungsgrade T1_5%-25%, T1_25%-75% (Erholungsindex), TOF90% und TOF100%. Die Resultate belegen somit die Hypothese eines verlängerten neuromuskulären Blocks durch Mivacurium in Gegenwart von S(+)-Ketamin. Als positiver Nebenbefund war unter S(+)-Ketamin eine stabile Kreislaufsituation zu verzeichnen, so dass hier möglicherweise ein Vorteil gegenüber anderen Therapieregimen erwächst. Wenngleich die hier präsentierten Befunde klinisch womöglich nicht als bedeutsam einzustufen sind, sollte dennoch auf das potentielle Risiko unerwünschter neuromuskulärer Restblockaden bzw. die damit assoziierten postoperativen Komplikationen verwiesen werden. Aus diesem Grund erscheint eine routinierte objektivierte Messung der Relaxierung im klinischen Alltag sinnvoll. Weiterführende Untersuchungen zur Vergleichbarkeit der muskelrelaxierenden Wirkung des Razemats Ketamin und seines Enantiomers S(+)-Ketamin sind wichtige zukünftige Projekte. Molekularbiologische Analysen sind zudem einzufordern, um die Wirkmechanismen der Mivacurium-Ketamin-Interaktion im Detail darzulegen.
Umfang:77 Seiten
DOI:10.17192/z2019.0406