Untersuchung von elektrochemischen Prozessen an der Grenzfläche zwischen geladenen Elektroden und ionischen Flüssigkeiten

Der Inhalt dieser kumulativen Dissertation kann prinzipiell in zwei Themengebiete untergliedert werden: (i) Die Untersuchung der Doppelschichtstruktur und deren Dynamik an der Grenzfläche zwischen ionischen Flüssigkeiten und Metallelektroden, und (ii) die Untersuchung der Kinetik von elektrochemisch...

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Main Author: Wallauer, Jens
Contributors: Roling, Bernhard (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2017
Subjects:
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Description
Summary:Der Inhalt dieser kumulativen Dissertation kann prinzipiell in zwei Themengebiete untergliedert werden: (i) Die Untersuchung der Doppelschichtstruktur und deren Dynamik an der Grenzfläche zwischen ionischen Flüssigkeiten und Metallelektroden, und (ii) die Untersuchung der Kinetik von elektrochemischen Reaktionen in ionischen Flüssigkeiten. Beide Themengebiete sind von großer Bedeutung für technische Anwendungen auf Basis ionischer Flüssigkeiten, wobei hier etwa die Metallabscheidung, Batterien und Superkondensatoren oder auch Farbstoffsolarzellen als Beispiele genannt werden können. Die Themengebiete wurden experimentell vor allem mit der Zyklovoltammetrie (CV) und der elektrochemischen Impedanzspektroskopie (EIS) untersucht. Die Grundlagen beider Methoden werden zunächst ausführlich vorgestellt. Die CV wurde hauptsächlich verwendet, um die elektrochemischen Stabilitätsfenster ionischer Flüssigkeiten zu bestimmen, um Quasi- und Pseudoreferenzelektroden zu kalibrieren, sowie um Diffusionskoeffizienten zu bestimmen. Letzteres wurde dadurch erreicht, dass die Faltung des CVs mit t^(-0,5) berechnet wurde. Hier ist keine Korrektur der Daten aufgrund der kinetischen Hemmung der untersuchten langsamen Reaktionen notwendig, um genaue Diffusionskoeffizienten bestimmen zu können. Die Impedanzspektroskopie wurde zum einen verwendet um die differentielle Doppelschichtkapazität der IL | Metallgrenzfläche zu messen. Hierzu wurden potentialabhängige Impedanzspektren gemessen und in der komplexen Kapazitätsebene mittels der Cole-Cole-Gleichung ausgewertet. Dies erlaubte neben der korrekten Bestimmung des kapazitiven Beitrages unterschiedlicher Prozesse auch die Bestimmung von deren Zeitkonstanten. Weiterhin wurde die EIS verwendet, um die heterogene Geschwindigkeitskonstante von Reaktionen zu bestimmen. Hierzu wurden wiederum potentialabhängige Impedanzspektren im Bereich der Gleichgewichtspotentiale der Reaktionen gemessen und diese Spektren in einem Multi-Spektrum-Fit an einen gemeinsamen Satz von Parametern angepasst. Sämtliche Auswertungen wurden mit einer im Verlauf dieser Doktorarbeit neu entwickelten Software namens RelaxIS durchgeführt. Die Eigenentwicklung erlaubte die Implementierung neuer Algorithmen, um auch die komplizierten Multi-Spektrum-Fitmodelle anwenden zu können. Die Entwicklungsgeschichte und Features der Software werden in einem Teil der Dissertation kurz beschrieben. In diesem Rahmen wird auch die allgemeine Methodik der Auswertung von Impedanzspektren beschrieben. Nach der Vorstellung der experimentellen Grundlagen wird ein Überblick über den Stand der Forschung der beiden Hauptthemengebiete gegeben. Im Bereich der Untersuchung der Grenzflächenstruktur und Dynamik werden hier zunächst klassische Doppelschichtmodelle, sowie deren Weiterentwicklungen für ionische Flüssigkeiten beschrieben. Durch die hohe Ionendichte in ILs und die komplexen Wechselwirkungen zwischen den Ionen versagen klassische Modelle und ein allgemeingültiges Doppelschichtmodell für ILs ist bis heute Gegenstand der Forschung. Experimentelle Arbeiten sowie Arbeiten mit Simulationsmethoden zeigten hier vor allem die Tendenz von ILs auf, eine potentialabhängige Multilagenstruktur an der Grenzfläche auszubilden. Die Multilagenstruktur wurde etwa durch die Messung von Kraft-Abstandskurven mittels in-situ-AFM, oder auch in Molekulardynamiksimulationen gezeigt. Die differentielle Doppelschichtkapazität zeigt nur eine geringe Potentialabhängigkeit, wobei im Bereich des Nulladungspotentials weder eine deutlich ausgeprägte Parabel-, Kamelhöcker- oder Glockenform gefunden wird. Interessanterweise zeigt sich bei manchen ILs neben der Aufladung der Doppelschichtkapazität noch ein weiterer stark potentialabhängiger kapazitiver Prozess mit einer Zeitkonstanten im Bereich von Sekunden. Dieser kann etwa mit der Restrukturierung der Goldoberfläche oder der Reorientierung von Ionenlagen in Verbindung gebracht werden. Die Arbeiten zur Temperaturabhängigkeit der differentiellen Kapazität sind nicht zuletzt aufgrund der Uneinigkeit in Bezug auf die korrekte Ausführung und Auswertung der Messungen bis heute kontrovers. Manche Arbeiten zeigen eine Erhöhung der Kapazität mit steigender Temperatur, andere Arbeiten aber nur eine geringe Abhängigkeit, oder leichtes Sinken mit steigender Temperatur. Zwei Publikationen, die Teil des kumulativen Teils dieser Dissertation sind, beschäftigen sich mit den Grenzflächeneigenschaften. Die erste diskutiert hier direkt die potentialabhängige differentielle Kapazität verschiedener ILs in Kontakt mit Au(111)-Elektroden. Durch die Variation sowohl der Kationen als auch der Anionen konnten hier allgemeine Trends in Bezug auf die Größe der Ionen aufgezeigt werden. Es zeigte sich, dass die Doppelschichtkapazität im kathodischen Bereich mit steigender Kationengröße steigt, was kontraintuitiv ist. Im anodischen Bereich zeigte sich hingegen die erwartete Abhängigkeit, indem mit steigender Anionengröße die Doppelschichtkapazität sank. Weiterhin wurde der bereits erwähnte langsame kapazitive Prozesses genauer studiert. Es ergab sich, dass er vor allem bei ILs mit Pyrrolidinium-Kation auftrat, während er bei ILs mit Imidazolium-Kationen nicht zu finden war. Die zweite Publikation untersucht den Einfluss der Rauigkeit der Metallelektrode auf die Idealität der Doppelschichtaufladung. Typischerweise wird nicht-ideales Verhalten mit einer erhöhten Rauigkeit in Verbindung gebracht. Diese Studie konnte zeigen, dass die Doppelschichtaufladung selbst aber unabhängig von der Rauigkeit ein ideales Verhalten zeigt und die scheinbare Nichtidealität stattdessen durch langsame kapazitive und faradaysche Prozesse verursacht wird, die in der Auswertung oft nicht korrekt behandelt werden. Im Bereich der Untersuchung faradayscher Prozesse in ionischen Flüssigkeiten wurde hier in erster Linie die einfache heterogene 1-Elektronen-Umsetzung elektrochemisch aktiver Teilchen an einer Metallelektrode behandelt. Der Theorieteil beschreibt hier zunächst grundlegende Herleitungen kinetischer Formulierung nach dem Butler-Volmer- und Marcus-Ansatz. Im Folgenden werden diese dann in Bezug auf impedanzspektroskopische Messungen diskutiert, wobei das Verhältnis aus Warburg-Koeffizient und Ladungstransferwiderstand als zentrale Größe Φ_f eingeführt wird. Diese eliminiert den Einfluss der Oberflächenkonzentrationen und findet Verwendung in einer zugehörigen Publikation. Frühere Forschungsarbeiten zu Ladungstransferreaktionen zeigten, dass sowohl die Diffusionskoeffizienten als auch die heterogenen Geschwindigkeitskonstanten in ILs deutlich geringer sind als die äquivalenten Werte in klassischen Elektrolyten auf Basis organischer Lösungsmittel mit Leitsalz. Weiterhin scheinen Zusammenhänge etwa zwischen dem hydrodynamischen Stokes-Einstein-Radius und der Geschwindigkeitskonstante in ILs keine Gültigkeit zu haben. In einer entsprechenden Studie, die Teil dieser kumulativen Dissertation ist, wurden sowohl die Diffusionskoeffizienten als auch die Geschwindigkeitskonstanten der Umsetzung von vier auf Ferrocen basierenden, redoxaktiven ionischen Flüssigkeiten in Lösung der inerten IL [EMIm]TFSI gemessen. Zur Bestimmung der heterogenen Geschwindigkeitskonstanten aus Impedanzspektren war die Entwicklung eines auf Φ_f basierenden Verfahrens notwendig, da die geringen Werte für k_0 und der Diffusionskoeffizienten zur einer starken Überlagerung des Ladungstransferhalbkreises und des Diffusionsastes führten und die korrekte Bestimmung von R_ct unmöglich machten. Die Messungen konnten die früher beobachteten Trends bestätigen, da auch die Redox-ILs geringe k_0-Werte zeigten. Erstaunlicherweise zeigten sich trotz unterschiedlicher Gleichgewichtspotentiale aber nur geringe Unterschiede in k_0 zwischen den verschiedenen Redox-ILs. Dies wurde in Hinblick auf zusätzliche, durch die Doppelschichtstruktur verursachte Barrieren für die Annäherung der geladenen Teilchen an die Elektrode diskutiert. Im Rahmen der Arbeit zu faradayschen Prozessen in ILs war die Einarbeitung in die Methode der Finite-Elemente-Simulationen erforderlich. Dies ermöglichte einen Beitrag zu einer weiteren Forschungsarbeit über Anodenmaterialien für Lithium-Ionen-Batterien. Diese Forschungsarbeit wird abschließend als letzte wissenschaftliche Publikation, neben zwei Buchkapiteln vorgestellt. Die Buchkapitel stellen Übersichtsartikel über die Impedanzspektroskopie und komplementäre Methoden zur Untersuchung von Grenzflächenprozessen zwischen ILs und Metallelektroden dar.
Physical Description:241 Pages
DOI:10.17192/z2017.0771