Das Nutzungsverhalten im Internet von Patienten mit Anorexia nervosa und Bulimia nervosa und der Einfluss von Internetforen und sozialen Netzwerken auf die Erkrankung und die Krankheitsbewältigung
Ziel der Studie ist es, das Internetverhalten von Patienten mit Anorexia und Bulimia nervosa zu untersuchen. Dabei soll vor allem auf die kommunikative Nutzung des Internets sowie auf die in Internetforen und sozialen Netzwerken erfahrene soziale Unterstützung und die Qualität der Beziehungen eingeg...
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Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2017
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Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
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Summary: | Ziel der Studie ist es, das Internetverhalten von Patienten mit Anorexia und Bulimia nervosa zu untersuchen. Dabei soll vor allem auf die kommunikative Nutzung des Internets sowie auf die in Internetforen und sozialen Netzwerken erfahrene soziale Unterstützung und die Qualität der Beziehungen eingegangen werden. Weiterhin wird die Auswirkung von Foren auf den Krankheitsverlauf und die Bekanntheit und Nutzung von proanorektischen Foren, die Essstörungen nicht als Krankheit, sondern als Lebensstil deklarieren, erforscht. Außerdem soll die Bekanntheit und Akzeptanz von internetbasierten Therapien im Sinne von E-Mental-Health erfragt werden. E-Mental-Health beschreibt die Nutzung von neuen Technologien wie dem Internet oder Mobiltelefonen für Prävention, Früherkennung, Therapie und Rückfallprophylaxe von psychiatrischen Erkrankungen.
Methoden: Die Daten wurden mithilfe eines anonym auszufüllenden Fragebogens von 81 in ambulanter und stationärer Behandlung befindlichen Patienten mit Anorexia und Bulimia nervosa zwischen 18 und 35 Jahren (MW 23,99 Jahre ± 3,97 SD) erhoben. Die Patienten wurden 2012 multizentrisch innerhalb Deutschlands rekrutiert und ihre Antworten wurden mit denen von 81 Kontrollpersonen verglichen. 93,8 % der Teilnehmer waren weiblich und 6,2 % männlich.
Ergebnisse: Die wöchentliche Zeit, die Patienten mit Anorexia und Bulimia nervosa im Internet und in Gesprächsforen verbringen, unterscheidet sich nicht signifikant von der von Kontrollpersonen. In erster Linie werden im Internet E-Mails und Suchmaschinen genutzt. Patienten nutzen im Internet mehr Foren (p = 0,030) und soziale Netzwerke (p = 0,019) als Kontrollpersonen. Forennutzende Patienten sind in Foren signifikant aktiver als Kontrollpersonen (p = 0,004). Darüber hinaus besuchen Patienten mit Essstörung, welche Foren nutzen, diese signifikant häufiger aus emotionalen Gründen, darunter vor allem aufgrund von negativen Gefühlen (p < 0,001) und zur Ablenkung von einer Schwierigkeit (p = 0,001). Foren können aus Sicht der Patienten sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf deren Krankheitsverlauf haben. Proanorektische Websites sind bei mehr als der Hälfte der Patienten bekannt, wobei ein Fünftel angibt, diese regelmäßig genutzt zu haben. Internetbasierte Therapien sind bei weniger als 20 % der Patienten bekannt und es besteht diesbezüglich eine eher skeptische Haltung. Beziehungen in Foren und sozialen Netzwerken werden von den Probanden als weniger wichtig angesehen und sind außerhalb des Internets stärker. Dennoch erfahren forennutzende Patienten mit Anorexia und Bulimia nervosa emotionale Aspekte wie Verständnis, Gruppenzugehörigkeit und Respekt in ihren Beziehungen in Foren signifikant häufiger als Kontrollpersonen (p < 0,001). Forennutzende Patienten erhalten in Foren signifikant mehr soziale Unterstützung als Kontrollpersonen (p < 0,001) und es können aus Sicht der Patienten auch persönliche und soziale Kompetenzen wie Selbstbewusstsein und Offenheit gestärkt werden (p = 0,044).
Diskussion: Es gibt bereits einige erfolgversprechende Ergebnisse bezüglich E-Mental-Health im Bereich von Essstörungen. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass Internetforen für Patienten mit Anorexia und Bulimia nervosa wichtiger sind als für gesunde Kontrollpersonen. Patienten nutzen das Internet stärker als Kommunikationsmedium und sie erfahren mehr soziale Unterstützung in Foren als Kontrollpersonen. Trotz teilweise hoch sensitiver Ergebnisse ist die Aussagekraft der forenspezifischen Ergebnisse aufgrund der geringen Stichprobenzahl eingeschränkt. Mithilfe eines breiteren Wissens um das Internetverhalten von Patienten mit Anorexia und Bulimia nervosa können Therapien effizienter gestaltet werden. Zukünftige Studien sollten untersuchen, welche Foren sich gesundheitsfördernd und welche sich eher gesundheitsschädigend auswirken. Außerdem sollte zukünftige Forschung untersuchen, wie man E-Mental-Health effektiv in die Therapie von Essstörungen integrieren kann.
Fazit: Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass E-Mental-Health bei vielen Patienten mit Anorexia und Bulimia nervosa eine gute Ergänzung der bisherigen Therapie darstellen könnte. |
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Physical Description: | 157 Pages |
DOI: | 10.17192/z2017.0615 |