Morphologische und molekularbiologische Veränderungen der Skelettmuskulatur beim experimentellen Fibromyalgie-Mausmodell

Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) gehört zu den chronischen Schmerzsyndromen, dessen Ätiologie bisher unklar ist. Es zeichnet sich v.a. durch Muskelschmerzen in verschiedenen Körperregionen aus und tritt häufig mit weiteren unspezifischen Symptomen auf. In den USA leiden ca. 2 % der Bevölkerung an FMS,...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Then, Hanna
Beteiligte: Kinscherf, Ralf (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2017
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) gehört zu den chronischen Schmerzsyndromen, dessen Ätiologie bisher unklar ist. Es zeichnet sich v.a. durch Muskelschmerzen in verschiedenen Körperregionen aus und tritt häufig mit weiteren unspezifischen Symptomen auf. In den USA leiden ca. 2 % der Bevölkerung an FMS, wobei das weibliche Geschlecht dominiert. Es gibt verschiedene Ansätze zur Klärung der Ätiopathogenese des FMS. Strukturelle, morphologische und metabolische Veränderungen der Skelettmuskulatur werden diskutiert. Daneben existieren Hypothesen, nach denen ein Ungleichgewicht an pro- und antiinflammatorischen Zytokinen, oxidativer Stress, mitochondriale Dysfunktion oder eine abnorme zentrale Schmerzverarbeitung Ursache sein könnten. In der vorliegenden Arbeit wurde mit Hilfe des intermittierenden Kältestressmodells (ICS-Modell) geprüft, wie sich ICS auf die Skelettmuskulatur (M. gastrocnemius/M. soleus) männlicher und weiblicher Mäuse auswirkt. Dazu wurden mittels (immun)histochemischer Färbungen, molekularbiologischer Untersuchungen und Elektronenmikroskopie die Morphologie, Kapillarisierung/Angiogenese, der Glykogengehalt, inflammatorische, Atrophie- und Apoptose-relevante Parameter, Innervation und intramuskuläre Mitochondrien der Muskulatur von ICS- und Kontrolltieren analysiert. Durch ICS war die Muskelfaserquerschnittsfläche (engl. „fiber cross sectional area“ [FCSA]) männlicher Tiere im M. gastrocnemius bzw. M. soleus um 21,6 % bzw. 33,2 % kleiner. Die Faserdichte männlicher ICS-Tiere war hingegen im M. gastrocnemius um 22,9 % und im M. soleus um 9,4 % erhöht. Die Kapillarkontakte/Muskelfaser im M. gastrocnemius bzw. M. soleus männlicher ICS-Tiere waren signifikant um 12,5 % bzw. 11,8 % erniedrigt. Zudem war bei männlichen ICS-Tieren die relative Expression Angiogenese-relevanter (VEGF-A, VEGF-B, Notch-1, Notch-3) Gene in beiden Muskeln vermindert. Die Dichte MuRF1+-Zellen in männlichen ICS-Tieren stieg im M. gastrocnemius bzw. M. soleus um 14,7 % bzw. 29,7 % an. Die Dichte Fbxo32+-Zellen in männlichen ICS-Tieren war im M. gastrocnemius signifikant um 17,7 % und im M. soleus um 8,9 % erhöht. In weiblichen ICS-Tieren war die relative Expression des MuRF1- bzw. Fbxo32-Gens in beiden Skelettmuskeln erhöht, die Dichte an MuRF1+- und Fbxo32+-Zellen jedoch nicht. Es fanden sich Hinweise, dass im M. gastrocnemius männlicher ICS-Tiere inflammatorische und/oder Atrophie-relevante Proteine mit der Regulation der Faserdichte und/oder der FCSA verknüpft sind. Apoptotische oder die Innervation betreffende Veränderungen der Muskulatur scheinen nicht durch ICS beeinflusst zu werden. Auch war durch ICS die Mitochondriendichte im M. gastrocnemius bzw. M. soleus männlicher Tiere um 17,6 % bzw. 7,9 % verringert. In männlichen ICS-Tieren nahm der Anteil morphologisch „defekter“ Mitochondrien im M. gastrocnemius bzw. M. soleus um 30,7 % bzw. 16,9 % zu. In weiblichen ICS-Tieren nahm der Anteil morphologisch „defekter“ Mitochondrien im M. gastrocnemius bzw. im M. soleus um 22,5 % bzw. 31,1 % zu. In männlichen ICS-Tieren nahm die Mitochondriengröße im M. gastrocnemius um 63,5 % und im M. soleus um 26,8 % zu. Diese Ergebnisse bestätigen bereits beschriebene Veränderungen in der Skelettmuskulatur von FMS-Patienten und deuten darauf hin, dass durch ICS v.a. im M. gastrocnemius männlicher Tiere atrophische Prozesse einsetzen, die zu einer verminderten FCSA führen. Hieran scheinen die beiden Ligasen MuRF1 und Fbxo32 beteiligt zu sein. Diese Prozesse scheinen bei weiblichen Tieren erst später ein zu setzen. Die Verringerung der Kapillarisierung der Muskulatur männlicher ICS-Tiere weist darauf hin, dass ICS die Verteilung von Sauerstoff/Nährstoffen zu den Muskelfasern und den Abtransport von Stoffwechselprodukten reduziert. Dies könnte das Auftreten von Schmerzen/Fatigue nach Belastung beim FMS erklären. Durch die zahlenmäßigen und morphologischen Veränderungen der Mitochondrien könnte es zu einem Funktionsverlust der Mitochondrien kommen. Dieser könnte zu einer Verminderung der oxidativen Kapazität der Skelettmuskulatur und zur Atrophie von Muskelfasern führen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass in künftigen Untersuchungen zum FMS mittels ICS-Mausmodell v.a. der M. gastrocnemius männlicher Tiere analysiert werden sollte, da hier die ICS-induzierten Veränderungen früher und deutlicher als bei Weibchen eingesetzt haben. Zur weiteren Evaluation mitochondrialer Funktionsstörungen sollte der Metabolismus, im Speziellen die Energieträger ATP und Kreatinphosphat wie auch der Lactat- und Pyruvatgehalt, in der Sklettmuskulatur von ICS-Tieren untersucht werden. Auch sollten oxidative und antioxidative Parameter sowie die Proteinexpression von IL-6 und TNF und die Invasion von CD68+-Zellen in der Skelettmuskulatur von ICS-Tieren bestimmt werden. Ferner sollte der Zusammenhang von proinflammatorischen bzw. Atrophie-relevanten Markern und der FCSA bzw. der Faserdichte in der Skelettmuskulatur von FMS-Patienten untersucht werden. Bei entsprechender klinischer Datenlage könnten die in dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse zu neuen therapeutischen Interventionsmöglichkeiten führen.
DOI:10.17192/z2017.0307