Identifizierung von Stoffwechselwegen in humanen Ovarialkarzinomzellen mit potentiell therapeutischer Relevanz

Ein typisches Merkmal von Tumorzellen ist ihr veränderter Intermediärstoffwechsel. Tumor¬zellen sind häufig gekennzeichnet durch eine gesteigerte Glukoseaufnahme sowie die Bildung von Laktat auch in Anwesenheit von Sauerstoff (aerobe Glykolyse, "Warburg-Effekt"). Als weitere verstärkt abla...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Obert, Julia
Beteiligte: Müller, Rolf (Prof Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2017
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Ein typisches Merkmal von Tumorzellen ist ihr veränderter Intermediärstoffwechsel. Tumor¬zellen sind häufig gekennzeichnet durch eine gesteigerte Glukoseaufnahme sowie die Bildung von Laktat auch in Anwesenheit von Sauerstoff (aerobe Glykolyse, "Warburg-Effekt"). Als weitere verstärkt ablaufende Stoffwechselwege rücken zunehmend der Abbau von Glutamin als anaplerotische Reaktion des Citratzyklus ("Glutaminolyse"), die de novo Fettsäuresynthese und der Fettsäureabbau über die β-Oxidation in den Mittelpunkt der Forschung. Die Inhibition dieser Stoffwechselwege könnte eine geeignete Angriffsstelle für künftige Krebstherapien sein. Das Ovarialkarzinom ist die gynäkologische Krebserkrankung mit der höchsten Letalität und weist häufig die Bildung von Aszites als besonderes Charakteristikum auf. Die Isolierung primärer Tumorzellen aus Aszites bietet eine einzigartige Möglichkeit zur Erforschung metabolischer Aberrationen in dieser Tumorentität. Ziel dieser Arbeit war die Identifizierung tumorspezifischer Stoffwechselwege als mögliche Angriffspunkte neuer Therapieansätze. Hierzu wurden patientenabgeleitete Ovarialkarzinomzellen im Vergleich zu einer Reihe etablierter Tumorzelllinien und der nicht-transformierten Brustepithelzelllinie MCF 10A eingesetzt. Voraussetzung dafür war die genaue Charakterisierung des metabolischen Phänotyps mit Hilfe von Expressionsanalysen und "metabolic profiling" mittels des Seahorse XFe Analyzers. Dafür wurden die metabolischen Parameter OCR (oxygen consumption rate) und ECAR (extracellular acidification rate) sowie die entsprechenden Kapazitäten unter Normalbedingungen und unter Anwendung von metabolischem Druck, vor allem durch den Einsatz von metabolischen Inhibitoren, gemessen. Im Zuge dieser Arbeit fiel eine Besonderheit im Stoffwechsel der Ovarialkarzinomzelllinie SKOV-3 auf. Die ATP-Produktion aus Glukose mittels oxidativer Phosphorylierung (OXPHOS) ist in diesen Zellen blockiert. Vermutet wurde zunächst ein Defekt im Citratzyklus. Dies ist jedoch nicht kompatibel mit dem Befund, dass SKOV-3 Zellen die ATP-Gewinnung mittels OXPHOS über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten können. Deshalb wurde ein "fatty acid cycle" (FAC) als alternativer Stoffwechselweg postuliert, der aus dem zyklischen Auf- und Abbau von Fettsäuren besteht. Die Vorteile des FAC für die Tumorzelle könnten in einer Unabhängigkeit von externer Substratzufuhr bei einer geleichzeitig gesteigerten anabolen Kapazität aufgrund der Verlagerung des Glukosestoffwechsels in Richtung Pentosephosphatweg sein. Aufgrund der potentiellen Vorteile des FAC für proliferierende Zellen ist es wahrscheinlich, dass dieser Zyklus auch in anderen Zellen operativ ist. Die Ursache für die Besonderheiten des SKOV-3 Stoffwechsels ist möglicherweise ein verminderter Transport von Pyruvat in die Mitochondrienmatrix aufgrund einer verringerten Expression des Gens für den Mitochondrial Pyruvate Carrier 1 (MPC1). Ein weiterer wichtiger Befund war die Feststellung einer gesteigerten aeroben Glykolyse und β-Oxidation in allen patientenabgeleiteten Ovarialkarzinomzellen. Durch den Einsatz von Inhibitoren für Tumorzellen relevante Stoffwechselwege wurde die Möglichkeit einer Interferenz mit der Proliferation bzw. dem Überleben dieser Zellen mit Hilfe des xCELLigence RTCA untersucht. Dabei zeigte sich, dass einzelne Inhibitoren nur in exzessiv hohen Konzentrationen die Proliferation (wahrscheinlich unspezifisch) hemmten, dass aber die Kombination verschiedener Stoffwechselmodulatoren in Konzentrationen, in denen sie als einzelner Wirkstoff wirkungslos waren, zu deutlichen synergistischen Effekten führte. Vor allem die Kombination von Oxamat (Laktat-Dehydrogenase-Inhibitor) mit den Inhibitoren DCA (Inhibitor der Pyruvat-Dehydrogenase-Kinasen; PDKs), AOA (Inhibitor der Aspartat-Transaminase und damit des Malat-Aspartat-Shuttles) sowie SB204990 (Inhibitor der ATP-Citrat-Lyase) verursachte eine deutliche Proliferationsinhibition, bis hin zum Absterben der Zellen. Dennoch unterscheiden sich Ovarialkarzinomzellen von verschiedenen Patientinnen zum Teil deutlich hinsichtlich ihres Metabolismus bzw. der Auswirkungen von Inhibitoren auf die Proliferation. Beispiele hierfür sind Unterschiede bei (i) der Nutzung von Glutamin und Pyruvat als alleinigem Substrat, (ii) der Abhängigkeit von PDKs, Laktat-Dehydrogenase und Aspartat-Transaminase (iii) der Korrelation metabolischer Reaktionen auf Inhibitoren mit Effekten auf die Proliferation. Dies zeigt, dass eine potentielle Anwendung metabolischer Inhibitoren eine personalisierte Tumordiagnostik notwendig macht, um individuell optimale Kombinationen von Wirkstoffen zu identifizieren. Zudem könnte die Untersuchung dieser Hemmstoffe in Kombination mit Chemotherapeutika oder Modulatoren von Signalwegen ggf. zu optimierten Therapiekonzepten führen.
Umfang:194 Seiten
DOI:10.17192/z2017.0200