Untersuchung des Patientenbenefits bei Entlassung von Arzneimitteln aus der Verschreibungspflicht am Beispiel von Triptanen

Der Leidensdruck eines Patienten, der an dem Krankheitsbild Migräne leidet, ist hoch. Fast eine Million Menschen in Deutschland leiden täglich an einem Migräneanfall. Dies entspricht rund 38 % aller Personen mit Kopfschmerzen. Davon können 100.000 Personen ihrer täglichen Arbeit nicht mehr nachgehen...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Lippert, Andreas
Beteiligte: Morck, Hartmut (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2016
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Der Leidensdruck eines Patienten, der an dem Krankheitsbild Migräne leidet, ist hoch. Fast eine Million Menschen in Deutschland leiden täglich an einem Migräneanfall. Dies entspricht rund 38 % aller Personen mit Kopfschmerzen. Davon können 100.000 Personen ihrer täglichen Arbeit nicht mehr nachgehen. Wirtschaftlich betrachtet entstehen in Europa jährlich Kosten von rund 43 Milliarden Euro (Göbel, 2014). Die Migräne ist gekennzeichnet durch anfallartige Kopfschmerzen, die wiederholt, meist hemikranisch und schon in den frühen Morgenstunden auftreten. Die Dauer eines Migräneanfalls beträgt Stunden oder mehrere Tagen. Zusätzlich können Symptome wie Photo- oder Phonophobie, neurologische Ausfälle, Übelkeit oder Erbrechen auftreten (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch online). Es wird im Wesentlichen zwischen einer Migräne mit und ohne Aura unterschieden (Pietrobon & Moskowitz, 2013), deren Auftreten episodisch bis hin zu chronisch sein kann (Yamane, 2014). Seit der Einführung des Wirkstoffes Sumatriptan 1993 stellen die Triptane eine selektive Therapie dar. Mittlerweile umfasst ihre Gruppe insgesamt sieben Arzneistoffe, die sich pharmakokinetisch unterscheiden und als First-Line-Medikation bei akuten Migräneattacken eingesetzt werden. Mit Naratriptan wurde 2006 das erste Triptan aus der Verschreibungspflicht entlassen (Tfelt-Hansen & Steiner, 2007). Mit Almotriptan folgte 2011 ein weiteres (Pues, 2011). Damit steht mittlerweile den Patienten, die den Besuch beim Arzt meiden oder ihn nicht aufsuchen können, eine adäquate Therapieoption zur Verfügung. Nach wie vor bleibt eine vorausgehende Diagnose des Arztes essentiell für die Selbstmedikation mit Triptanten. Daten im Zeitraum von 2005 bis 2014, dass der Gesamtmarkt an Triptanen rückläufig ist (Abnahme des Umsatzes um 32 %) und 2014 bei ca. 56 Mio. Euro lag. Der OTC-Markt dagegen pendelt sich konstant bei ca. zehn Mio. Euro ein. Bei der Anzahl der Packungseinheiten herrscht eine Parität zwischen dem Rx- und dem OTC-Bereich (ca. 2,5 Mio. PE). Somit spielt das OTC-Segment sowohl aus ökonomischer als auch aus patientenindividueller Sicht eine wichtige Rolle. Triptane sind in der klinischen Praxis sehr gut untersucht. Von ähnlich großer Bedeutung sind der Selbstmedikationsbereich bzw. OTC-Patienten in Apotheken, die bisher nicht oder nur unzureichend untersucht wurden. Ziel dieser Arbeit war es, diese Lücke zu schließen. Dazu wurde eine prospektive Studie zur Charakterisierung von OTC-Triptanpatienten durchgeführt, an der sich im Zeitraum von September 2013 bis März 2015 insgesamt 84 Apotheken beteiligten. Die Apothekenrekrutierung stellte sich als schwierig heraus: Sie wurde hauptsächlich persönlich vor Ort in ganz Deutschland durchgeführt. Bei Kauf eines OTC-Triptans wurden Patienten auf diese Studie angesprochen und ihnen wurde ein Fragebogen mit frankiertem Rückumschlag ausgehändigt. 105 Fragebögen (10,6 %) wurden zurückgeschickt, von denen 84 auswertbar waren. Der Fragebogen bestand aus drei Themenblöcken und beruhte auf der Methodik des Treatment Satisfaction Questionnaire for Medication (Atkinson et al., 2005). Bezogen auf die Gesamtanzahl an Patienten (n=84) beträgt der Anteil an Frauen 87 % (n=73) und der Männeranteil 13 % (n=11). Somit nutzten 6,6-mal mehr Frauen als Männer den Selbstmedikationsbereich. Bei der Inzidenz der Migräne im Allgemeinen liegt der Frauenanteil dreimal höher als bei den Männern. Das Häufigkeitsmaximum bei Migräne liegt im dritten Lebensjahrzehnt (Egle et al., 2003). Im Selbstmedikationsbereich liegt es eine Dekade später, nämlich im vierten Lebensjahrzehnt. 85 % der Patienten sind Nichtraucher (n=71), 68 % nehmen regelmäßig Medikamente ein (n=57) und bei 76 % wurde die Diagnose Migräne von einem Arzt festgestellt (n=64). Die Untersuchung zeigte eine höhere Zufriedenheit (90 % vs. 75 %; n=76 vs. n=63) und Compliance (57 % vs. 40 %; n=48 vs. n=34) im Selbstmedikationsbereich als im ver-schreibungspflichtigen Bereich der Triptane. Die Lebensqualität bei einem Rx-OTC-Switch blieb gleich oder verbesserte sich bei 82 % (n=69) der Teilnehmer. Im OTC-Bereich haben 75 % der Patienten (n=63) Erfahrungen mit Naratriptan gesammelt. Die Studie charakterisiert den OTC-Triptanpatienten detaillierter und zeigt eine gute Be-treuung sowie Vertrauen in das pharmazeutische Personal einer Apotheke. Zur Verbesserung der Beratung sollte stets darauf geachtet werden, ob die Diagnose Migräne von einem Arzt gestellt wurde und mögliche Kontraindikationen oder Anwendungseinschränkungen vorliegen. Zur Sicherheit des Patienten ist im Zweifel – unabhängig von einer nicht mehr vorliegenden Verschreibungspflicht – ein Arztbesuch anzuraten. Daneben besitzen die OTC-Triptane ein geringes Nebenwirkungspotential basierend auf den Verdachtsfällen. Letztendlich profitiert der Patient von der Selbstmedikation.
DOI:10.17192/z2016.0092