Analyse der internen Validität der Leitlinienempfehlungen

Die interne Validität ist eine Voraussetzung für die Akzeptanz und Implementierung von Leitlinien. Die interne Validität beinhaltet die methodische und inhaltliche Qualität. Die methodische Qualität besteht aus zwei Kernelementen (systematische Evidenzbasierung und strukturierte Konsensfindung durch...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Eltahir, Husam
Beteiligte: Kopp, Ina (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2015
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Die interne Validität ist eine Voraussetzung für die Akzeptanz und Implementierung von Leitlinien. Die interne Validität beinhaltet die methodische und inhaltliche Qualität. Die methodische Qualität besteht aus zwei Kernelementen (systematische Evidenzbasierung und strukturierte Konsensfindung durch ein für den Adressatenkreis repräsentatives Gremium). Die inhaltliche Qualität besteht ebenfalls aus zwei Kernelementen (Berücksichtigung aktueller Entwicklungen und Fehlen unerklärter Widersprüche zu anderen Quellen). Leitlinien werden in Deutschland in 3 Klassen S1, S2, und S3 eingestuft, in Anlehnung an die zugrundeliegende methodische Qualität. Die S1-Klasse steht für Handlungsempfehlungen von Expertengruppen. S2- Leitlinien charakterisieren sich durch formalen Konsensus mit Beteiligung der potenziellen Leitliniennutzer. Die höchste Entwicklungsstufe stellen die S3-Leitlinien dar, die zumindest 5 Kriterien der systematischen Entwicklung erfüllen sollen: Konsens, Logik (klinischer Algorithmus), Evidenzbasierung, Outcome-Analyse, Entscheidungsanalyse. Bei den konsensbasierten Leitlinien (S2) fehlt definitionsgemäß die systematische Evidenzbasierung. Daher ist die Fragestellung: Wirkt sich das Fehlen der systematischen Evidenzbasierung in der Erstellung der Leitlinienempfehlungen auf die inhaltliche Qualität aus? Die Fragestellung wurde durch inhaltliche Vergleiche zwischen systematisch ausgewählten internationalen Leitlinien und Systemtischen Reviews der Chochrane Library operationalisiert. 12 S2-Leitlinien im AWMF-Register (308 Schlüsselempfehlungen), 8 GIN-Leitlinien (78 Schlüsselempfehlungen) und 18 Systematic Reviews (18 Schlussfolgerungen) wurden eingeschlossen. Die Bewertung der methodischen Qualität der Konsensfindung nach DELBI- Kriterium 10 zeigte insgesamt bessere Ergebnisse in den S2-Leitlinien als in GIN-Leitlinien. Die Bewertung der methodischen Qualität der Systematic Reviews nach Oxman-Guyatt-Index zeigte insgesamt gute Ergebnisse, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese eine sehr solide Evidenzgrundlage für die inhaltlichen Vergleiche darstellen. Potentielle inhaltliche Widersprüche mit den Schlüsselempfehlungen der S2-Leitlinien wurden in 2 GIN-Leitlinien (4 Schlüsselempfehlungen) und in 5 systematischen Übersichtsarbeiten (5 Schlussfolgerungen) gefunden. Dieses Ergebnis ist nicht beunruhigend, zumal unter Betrachtung der Gesamtzahl der Schlüsselempfehlungen der S2 Leitlinien und der qualitativ niedrigen Relevanz einiger Widersprüche. Unterschiedliche Inhalte fanden sich vor allem in Bereichen unsicherer Evidenz (z.B. Sicherheitsabstände bei Melanomexzision, photodynamische Therapie bei superfiziellem Basalzellkarzinom) oder unterschiedliche Wertungen der Evidenz (z.B. Einsatz von Immunglobulinen oder Kortikosteroide bei Sepsis). Die möglichen Ursachen für die Unterschiede können auch auf einem höheren Einfluss der klinischen Erfahrungen in konsensbasierten Leitlinien beruhen. Allerdings war die Stichprobe relativ klein mit engem Einschlusszeitraum. Dadurch war die Repräsentativität der Studie eingeschränkt. Des Weiteren war die Recherche auf Sekundärliteraturen limitiert. Die Analyse der internen Validität der Leitlinien in speziellem Bezug auf die Evidenzbasierung ist machbar aber sehr aufwendig. Für eine Gesamtbewertung der Leitlinien müssen methodische und inhaltliche Aspekte berücksichtigt werden. Gerade Leitlinienentwickler sollten doch mit dem Standard der methodischen und inhaltlichen Qualität vertraut sein! Sie sollten dafür gefördert und befragt werden. Peer Review und Experteninterviews als alternative Möglichkeiten zur Einschätzung der inhaltlichen Qualität von Leitlinien z.B. auf Grundlage externer Begutachtungen, Praxistests oder öffentlicher Konsultation, sollten in Studien überprüft werden. Kliniker und Fachleute für evidenzbasierte Medizin sollten bei der Leitlinienentwicklung Hand in Hand arbeiten. So könnte die Gratwanderung zwischen inhaltlichen und methodischen Schwerpunkten bei der Leitlinienentwicklung gelingen. In diesem Zusammenhang sei auch der Aspekt der „Globalisierung“ der Leitlinienentwicklung erwähnt. Im gleichen Masse, wie auf internationale Studien zurückgegriffen wird, sollte man auch bei der Entwicklung von Leitlinien einen internationalen Konsens finden. Dabei muss ein gewisser Grad an Flexibilität möglich sein, bzw. müssen in Teilbereichen Alternativen eingeräumt werden, um landes- oder bevölkerungsspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen.
DOI:10.17192/z2015.0587