Charakterisierung der RNA-Bindungsaktivität von VP30 im Hinblick auf die virale Transkriptionsregulation des Ebolavirus

Das Ebolavirus ist ein humanpathogenes RNA-Virus, das bei Menschen und Primaten hämorrhagisches Fieber mit Letalitätsraten von bis zu 90% auslösen kann. Das Virus tritt in Form von unvorhersehbaren, sporadischen Ausbrüchen v.a. in Afrika auf und rückte aufgrund des bisher dramatischsten Ausbruches...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Schlereth, Julia
Beteiligte: Hartmann, Roland (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2015
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Das Ebolavirus ist ein humanpathogenes RNA-Virus, das bei Menschen und Primaten hämorrhagisches Fieber mit Letalitätsraten von bis zu 90% auslösen kann. Das Virus tritt in Form von unvorhersehbaren, sporadischen Ausbrüchen v.a. in Afrika auf und rückte aufgrund des bisher dramatischsten Ausbruches (seit 2013/2014) mit bisher über 28 000 Fällen (davon ca. 11 000 Todesfälle) stärker in das öffentliche Interesse.Das Virus besteht aus einem negativ orientierten Einzelstrang-RNA-Genom mit sieben proteinkodierenden Genen. Für die Replikation des viralen Genoms sind drei dieser Proteine notwendig: die RNA-abhängige RNA-Polymerase (L), das virale Protein 35 (VP35) und das Nukleoprotein (NP). Für die Transkription wird zusätzlich das virale Protein 30 (VP30) benötigt. Über Phosphorylierung von zwei Serin-Clustern in der N-proximalen Region von VP30 wird dessen Aktivität als Transkriptionsfaktor maßgeblich reguliert; im dephosphorylierten Zustand fungiert es als Transkriptionsfaktor und geht eine Interaktion mit VP35 ein, während es im phosphorylierten Status als inaktiver Transkriptionsfaktor den Kontakt zu VP35 verliert und mit dem Nukleoprotein interagiert. Als Folge wechselt die RNA-Polymerase in den replikativen Modus. Die strikte VP30-Abhängigkeit der Transkription wird durch eine stabile Haarnadelstruktur auf dem Genom/Antigenom (nt 56-78) vermittelt und kann durch eine eingeführte strukturelle Schwächung aufgehoben werden. VP30 ist ein RNA-bindendes Protein, das als Hexamer, bestehend aus drei Dimeren, vorliegt und ein unkonventionelles Zinkfinger-Motiv (Cys3His) besitzt. Außerdem fungiert es neben VP35 und VP40 als suppressor of RNA silencing. Zentraler Ansatzpunkt dieser Arbeit war es die RNA-Bindungsfähigkeit von VP30 im Hinblick auf seine Funktion als Transkriptionsfaktor zu untersuchen. Daraus ergaben sich vier Teilprojekte: (i) die Etablierung eines in vitro Assays zu Analyse von RNA:VP30-Komplexen,(ii) die Charakterisierung der RNA-Bindungseigenschaften von VP30, (iii) der Nachweis eines möglichen Zusammenhangs zwischen Transkriptionsaktivierung und RNA-Bindung von VP30 und (iv) eine Transkriptomanalyse zum Verständnis der transkriptionellen Regulation durch VP30. Die Untersuchungen der RNA:VP30-Bindung basierten in erster Linie auf einer modifizierten Variante des EMSA (Electrophoretic Mobility Shift Assay), anhand derer unter nativen Bedingungen Affinitäten (in Form von apparenten Kd-Werten) und verschiedene Komplexpopulationen untersucht werden konnten. Die Ergebnisse der Untersuchungen zu den RNA-Bindungseigenschaften von VP30 ließen darauf schließen, dass die VP30:RNA-Wechselwirkung stark elektrostatisch geprägt ist und vornehmlich mit einzelsträngigen RNASubstraten stattfindet. Einen erheblichen Einfluss auf die Bindungsaffinitäten hatte die Länge der einzelsträngigen Bereiche, wobei ein Affinitätsoptimum bei ca. 37 Nukleotiden beobachtet wurde. Im viralen Kontext wurden die 3´-terminalen ca. 150 Nukleotide des Genoms sowie die entsprechend komplementäre Sequenz des Antigenoms zunächst auf potenzielle Strukturelemente hin untersucht und anschließend einer Deletionsanalyse unterzogen. Hierbei bestätigte sich die Präferenz für ungepaarte RNA-Bereiche, wobei der Haarnadelstruktur (nt 56-78) eine affinitätssteigernde Wirkung zugewiesen werden konnte. Zusätzlich wurde gezeigt, dass eine 5´-Kappe am viralen mRNA-Substrat die Bindungsaffinität deutlich im Vergleich zu 5´-Mono- und 5´-Triphosphat-Enden verschlechterte. Um einen möglichen Zusammenhang zwischen RNA-Bindung und Transkriptionsaktivierung von VP30 nachzuweisen, wurden die transkriptionsinaktiven Varianten VP30_DD (imitiert phosphoryliertes VP30), VP30_5LA (Hexamerisierungs-defekt) und VP30_C72S (mutiertes Zinkfinger-Motiv) sowie die transkriptionsaktive Variante VP30_AA (imitiert dephosphoryliertes VP30) und der Wildtyp von VP30 rekombinant hergestellt und mittels EMSA auf ihre RNA-Bindungsfähigkeit getestet. Hierbei konnte für die Varianten VP30_5LA und VP30_C72S - im Einklang mit ihrer Transkriptionsinaktivität - nur noch eine basale RNA:VP30-Komplexbildung nachgewiesen werden. Auch die beiden Gegenstücke VP30_AA und VP30_DD zeigten RNA-Bindungsaffinitäten, die sich schlüssig zu ihren Transkriptionsdaten verhielten: VP30_AA (transkriptionsaktiv) bindet die RNA 4.3-fach affiner als VP30_DD (transkriptionsinaktiv). Das die beiden Serin-Cluster überlagernde Arginin-Cluster wurde anhand von drei Einzelmutanten (VP30_R26A, _R28A und _R40A) sowie einer Tripelmutante (VP30_3RA) bezüglich RNA-Bindungsfähigkeit und Transkriptionsaktivierung untersucht. Hierbei wurde beobachtet, dass die Einzelmutanten weder RNA-Bindung noch Transkriptionsaktivierung signifikant beeinflussten. Lediglich die Tripelmutante zeigte eine 2-fache Verschlechterung der RNA-Bindung, einen veränderten Bindungsmodus sowie eine erhebliche Beeinträchtigung der Transkriptionsfähigkeit. Zudem konnte gezeigt werden, dass die bereits nachgewiesene Interaktion zwischen VP30 und VP35 RNA-abhängig ist. Zusammenfassend wurde im Rahmen dieser Arbeit eine starke Korrelation zwischen RNA-Bindung und Transkriptionsaktivierung gezeigt und damit erstmals die RNA-Bindungsfähigkeit von VP30 in einen physiologischen Kontext gestellt. Im Zuge einer Transkriptomanalyse mittels Next Generation Sequencing (NGS) konnten kurze Abbruchtranskripte im Bereich der mRNA-Starts der verschiedenen Gene detektiert werden, die genau mit den vorhergesagten Haarnadelstrukturen in diesen Regionen korrelierten. Zusätzlich konnte ein leader-Transkript und zwei Transkripte innerhalb der intergenischen Region zwischen VP30 und VP24 gefunden werden. Das leader-Transkript wurde anschließend experimentell durch Northern Blot bestätigt und sein Verhältnis zur mRNA (NP) durch RT-qPCR bestimmt (mRNA/leader-Transkript: ca. 8.7:1). Damit konnte erstmals die Existenz eines leader-Transkriptes für das Ebolavirus nachgewiesen werden, dessen potenzielle Funktion möglicherweise - analog zu leader-Transkripten anderer Viren - im Bereich der Regulation von Transkription vs. Replikation liegt.
Umfang:165 Seiten
DOI:10.17192/z2015.0419