Die Auswirkungen eines vom Apotheker durchgeführten Medikationsassessments und der anschließenden Einleitung daraus resultierender Maßnahmen auf die Versorgungssituation von Typ-2-Diabetikern

Diabetes mellitus Typ 2 ist eine chronische Erkrankung, die in den meisten Fällen mit patientenbezogenen Störfaktoren, zahlreichen Co-Diagnosen und schwerwiegenden Folgeerkrankungen in Verbindung steht. Aufgrund der hohen und weiter steigenden Anzahl Betroffener ist diese Erkrankung von enormer gese...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Treutle, Anne-Kathrin
Beteiligte: Morck, Hartmut (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2015
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Diabetes mellitus Typ 2 ist eine chronische Erkrankung, die in den meisten Fällen mit patientenbezogenen Störfaktoren, zahlreichen Co-Diagnosen und schwerwiegenden Folgeerkrankungen in Verbindung steht. Aufgrund der hohen und weiter steigenden Anzahl Betroffener ist diese Erkrankung von enormer gesellschaftlicher und gesundheitspolitischer Bedeutung. Die Versorgung dieser Patienten kann sehr komplex sein und stellt für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar. Zudem verursacht die Stoffwechselerkrankung hohe Kosten, wobei ein hoher Prozentsatz durch die Folgekomplikationen des Diabetes entsteht. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen dieser Arbeit untersucht, ob und inwieweit der Apotheker mit der Durchführung eines umfassenden Medikationsassessments sowie der anschließenden Überwachung relevanter Behandlungsparameter und der ggf. erforderlichen Einleitung geeigneter Maßnahmen Einfluss auf die Versorgungssituation von Typ-2-Diabetikern haben kann. Das in der öffentlichen Apotheke durchgeführte Medikationsassessment zeigt, dass der Versorgungsalltag bei einem bestimmten Prozentsatz der untersuchten Diabetespatienten tatsächlich nicht die Anforderungen erfüllt, die an eine kardiometabolische Therapiekonzeption gestellt werden. Nach wie vor werden zum Zeitpunkt der Datenauswertung im Jahr 2013 bei über der Hälfte (53,66%) der insgesamt 382 analysierten Typ-2- Diabetiker insulinotrope Antidiabetika wie Insuline, Sulfonylharnstoffe oder Glinide zumindest zeitweise eingesetzt. Diese Substanzen sind mit einem erhöhten Hypoglykämierisiko verbunden und sollten, nach Erkenntnissen aus den in diese Arbeit einbezogenen kardiovaskulären Endpunktstudien, kritisch diskutiert werden. Hypoglykämien steigern aktuellen Daten zufolge das kardiovaskuläre Risiko erheblich und sollten daher, insbesondere bei jungen (nach WHO < 65 Jahre), neu diagnostizierten Typ-2-Diabetikern ohne vaskuläre Vorschädigungen und noch hoher Lebenserwartung, nicht bzw. nur nach ausgiebiger Nutzen-Risiko-Bewertung zum Einsatz kommen. Nur insgesamt 77 (20%) und damit ein kleiner Prozentsatz der 382 untersuchten Typ-2-Diabeteiker sind jünger als 65 Jahre. Diese Patienten sollten bei der Durchführung eines Assessments im Hinblick auf die Vermeidung kardiovaskulärer Folgekomplikationen jedoch im Fokus stehen. Da der Diabetes mellitus Typ 2 in den meisten Fällen mit Begleiterkrankungen wie Hypertonie, Dyslipidämie und Adipositas einhergeht, wird im Rahmen des Medikationsassessments zudem die verschreibungspflichtige Komedikation analysiert. Hier sollte der Apotheker insbesondere die Arzneimittel berücksichtigen, die aufgrund von pharmakodynamischen Interaktionen das Hypoglykämierisiko zusätzlich erhöhen. Zudem kann der Apotheker (kardio-)vaskuläre Risikofaktoren ableiten, die es ermöglichen, kardiovaskulär gefährdete Diabetespatienten zu identifizieren. Mit dieser Vorgehensweise ist es gelungen, zehn Typ-2-Diabetiker, die jünger als 65 Jahre sind, bereits zum jetzigen Zeitpunkt jedoch schon fünf kardiovaskuläre Risikofaktoren aufweisen, zu identifizieren. Speziell bei dieser gefäßgefährdeten Patientengruppe trägt eine sich dem Medikationsassessment anschließende patientenindividuelle Intervention im Sinne des „Case Managements“ dazu bei, die Versorgungssituation zu verbessern. Grundsätzlich ist ein "Case Management" bei einer Zielpopulation, die folgende Kriterien erfüllt, sinnvoll: Typ-2-Diabetiker jünger als 65 Jahre, Hypoglykämie durch Antidiabetika und Co-Medikation, (kardio-) vaskuläres Risiko, anhand der Medikation ableitbar und mittels Patientenbefragung erfassbar. Zur Verbesserung der Versorgungssituation von Typ-2-Diabetikern ist ein patientenindividuelles „Case Management“ insbesondere für jüngere, kardiovaskulär gefährdete Typ-2-Diabetiker sowie die Abkehr von rein blutzuckerzentrierten Therapieansätzen mit insulinotropen Substanzen bei speziell diesen Patienten sinnvoll. Das individuelle „managen“ und die richtige medikamentöse Therapie des kleinen Prozentsatzes an denjenigen Diabetespatienten, deren Risiko, in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren eine Folgekomplikation zu erleiden, groß ist sowie multimodale Therapieansätze und der Einsatz neuerer innovativer Antidiabetika sind notwendig. Wie sich die Komplikationsrate bei speziell diesen Patienten über mehrere Jahre unter einem neuen Therapieansatz ohne Hypoglykämierisiko im Vergleich zur Regelversorgung entwickeln würde, könnte der Apotheker mittels Diabetesregister überprüfen. Mit dieser Vorgehensweise kann der Apotheker seinen Versorgungsauftrag neu interpretieren, einen wichtigen Beitrag zur Versorgungsforschung und damit zur Verbesserung der Versorgungsqualität von Typ-2-Diabetikern leisten sowie die zu Beginn dieser Arbeit aufgestellte Hypothese endgültig beweisen.
DOI:10.17192/z2015.0374