Demographische Transformationsprozesse und Nahversorgung in ländlichen Räumen - Entwicklungsperspektiven in Deutschland und Finnland

Seit den 1970er Jahren sind Bevölkerungsveränderungen in Europa festzustellen, die auf einen Werte- und Normenwandel zurückgeführt werden können und in den postindustriellen Gesellschaften sukzessive zu einer strukturellen Änderung der Bevölkerungszusammensetzung führen. Diese Entwicklungen werden a...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Warburg, Florian
Beteiligte: Hassler, Markus (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2015
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Seit den 1970er Jahren sind Bevölkerungsveränderungen in Europa festzustellen, die auf einen Werte- und Normenwandel zurückgeführt werden können und in den postindustriellen Gesellschaften sukzessive zu einer strukturellen Änderung der Bevölkerungszusammensetzung führen. Diese Entwicklungen werden als zweiter demographischer Übergang bezeichnet. Grundsätzlich festzustellen ist, dass die Fertilitätsraten in allen europäischen Staaten unter dem Reproduktionsniveau anzusiedeln sind. Eine steigende Lebenserwartung ist zudem in den postindustriellen Gesellschaften zu beobachten. Trotz dieser Entwicklungen nimmt die Bevölkerungszahl in der Europäischen Union zu, wobei sich aktuelle Bevölkerungsdynamiken sehr heterogen darstellen. Veränderungen müssen demnach vorrangig auf eine höhere Zuwanderung zurückgeführt werden. Dabei variiert die Quantität und Qualität der Zuwanderung in regionaler und zeitlicher Differenzierung. Auf nationalstaatlicher Ebene sind Strukturen und Prozesse festzustellen, die sich auf kleinräumlicher Ebene erheblich unterscheiden. Vor allem die ländlichen Räume innerhalb der Staaten profitieren nur wenig von den Zuwanderungsgewinnen und weisen gleichzeitig eine zusätzliche Abwanderung bestimmter Bevölkerungsgruppen auf, was ausschlaggebend für die Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung ist. Die Fallstudien zeigen anschaulich die Auswirkungen der negativen Bevölkerungsentwicklung ländlicher Räume sowohl in Nordhessen als auch in Süd-Savo, die die Nachfrage nach Versorgungsstrukturen in erheblichem Maße beeinflussen. Dies stellt vor allem die ältere Bevölkerung vor Fragen der künftigen Versorgungssicherung. Besondere Beachtung fanden dabei die Nahversorgung sowie die Gesundheits- und Pflegeversorgung, die sich als existenzielle Bedürfnisse der Bevölkerung darstellen (Partzsch 1964), gleichzeitig eine erhebliche Raumwirksamkeit aufweisen und von Moseley & Owen (2008) als wesentliche Problemfelder in der Debatte um die Sicherung ländlicher Versorgungsstrukturen in Zukunft identifiziert werden. Den demographischen Wandel zu integrieren, detailliertes Wissen über die Dynamiken in Bezug auf Angebots- und Nachfrageveränderungen zu generieren und gleichzeitig fördernde und hindernde Faktoren in Bezug auf den Zugang zu bestehenden Versorgungsstrukturen zu identifizieren, waren wesentliche Aspekte bei der Entwicklung des vorliegenden Analyserahmens. Aus den Ergebnissen der ersten Fallstudie wurde der konzeptionelle Analyserahmen für die weiteren Fallstudien angepasst. Auffällig dabei war das Aufkommen verschiedener Hürden und Förderer, welche sich aus den Reaktionen der ländlichen Akteure in Nordhessen herausstellten. Hierbei zeigten sich Charakteristika, die in Bezug auf die Einstellungen der Bevölkerung einerseits, sowie Kostenaspekte, Erreichbarkeit, Qualität und Quantität der Nahversorgungseinrichtungen auf der anderen Seite herausgestellt werden konnten. Der Beitrag dieser Arbeit zur Debatte über die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Versorgungsstrukturen ländlicher Räume Europas hat inhaltliche, konzeptionelle und praktische Relevanz. Zunächst konnten die Dynamiken der Bevölkerungsentwicklung, deren Ursachen und Auswirkungen in unterschiedlichen sozio-kulturellen Räumen aufgegriffen werden, um den demographischen Wandel als Phänomen postindustrieller Gesellschaften des 21. Jahrhunderts besser zu verstehen. Da es sich bei diesen Prozessen um eine individuelle aber gleichzeitig gesamtgesellschaftliche Entwicklung in den ländlichen Räumen handelt, konnten zudem Anpassungsstrategien der verschiedenen Akteure im Rahmen der Versorgungsdebatte aufgezeigt werden. Welche Wege die Akteure dabei beschreiten und in welcher Konstellation sie zusammenarbeiten, konnte die Debatte um die Kommunikation und Kooperation im Rahmen der Versorgungsdebatte ergänzen (Born 2009). Die inhaltliche Annäherung der verschiedenen, hier dargestellten Versorgungsbereiche erlaubt durch die Einführung eines synthetischen Ansatzes die Analyse von vormals separat untersuchten Versorgungsbereichen. Konzeptionell konnten durch die Analyse der Bedeutungen der einzelnen im Zugangskonzept verwendeten Dimensionen entlang der Fallstudien Forschungsdefizite abgebaut werden. Überdies können diese Erkenntnisse für die weitere Forschung im Bereich des Zugangs zu Versorgungsstrukturen von Nutzen sein und bestehende Diskurse aus konzeptioneller Perspektive ergänzen (Ricketts & Goldsmith 2005; Goddard & Smith 2001). Für die Planung künftiger Versorgungseinrichtungen in ländlichen Räumen kann das aufgezeigte Konzept dienlich sein, wenn die Kompatibilität zwischen Angebot und Nachfrage geschaffen werden soll (vgl. Ricketts & Goldsmith 2005). Dieser konzeptionelle Ansatz kann auch als praxis-orientierter Grundstein im Rahmen der nachhaltigen Regionalentwicklung Anwendung finden.
DOI:10.17192/z2015.0357