Nutzung und Einfluss von Online-Netzwerken und Internetforen bei Patienten mit der Diagnose Schizophrenie

Das Internet nimmt im Gesundheitswesen eine immer wichtigere Rolle ein, wobei Online–Netzwerke und der Austausch in Foren zu den beliebtesten Anwendungen zählen. In der vorliegenden Arbeit ist erstmals das Internetverhalten von Patienten mit einer Schizophrenie untersucht. Der Schwerpunkt liegt auf...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Schneider, Ulrike
Beteiligte: Leube, D. (PD Dr. med.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2015
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Das Internet nimmt im Gesundheitswesen eine immer wichtigere Rolle ein, wobei Online–Netzwerke und der Austausch in Foren zu den beliebtesten Anwendungen zählen. In der vorliegenden Arbeit ist erstmals das Internetverhalten von Patienten mit einer Schizophrenie untersucht. Der Schwerpunkt liegt auf virtuellen Beziehungen in Online–Netzwerken und Online–Foren, um die Möglichkeiten zur Ergänzung der face-to-face–Therapie durch internetgestützte Therapieanwendungen zu untersuchen. Hierfür wurden acht Haupthypothesen und fünf Nebenhypothesen formuliert und mittels Befragung von 50 Patienten und 51 Kontrollpersonen im Alter zwischen 18–30 Jahren auf ihre Gültigkeit überprüft. Patienten mit der Diagnose Schizophrenie nutzen das Internet seltener als gesunde Personen und verbringen weniger Zeit in Foren. Sie folgen damit nicht dem Trend der stärkeren Internetnutzung sowie des krankheitsfokussierten Austausches in Foren und Chatrooms, wie es bei Patienten mit anderen psychiatrischen Erkrankungen (z.B. Depressionen) zu beobachten ist. In der gesunden Kontrollgruppe wurde das Internet vor allem zum Schreiben von Emails, zu Online–Recherchen und für Online–Communities genutzt. Die Patientengruppe nutzte das Internet lediglich zur Recherche und eher weniger als Kommunikationsmittel im Unterschied zur Kontrollgruppe. In der Arbeit ist gezeigt, dass Patienten Computerspiele signifikant häufiger nutzen als Personen der Kontrollgruppe, ein Ergebnis das für zukünftige Behandlungsansätze interessant sein könnte. Die Teilnahme in Foren ist in beiden Gruppen schwach ausgeprägt. Die Kontakte sowohl aus Foren als aus Online–Netzwerken werden von beiden Gruppen als unwichtig eingestuft. Foren stellen für die Patienten keine große Hilfe dar um eine neue Offenheit gegenüber nahestehende Menschen im realen Leben zu bekommen oder in dieses besser wieder hinein zu finden. Die Mehrzahl der Patienten erlebt, dass Freundschaften, die in Foren entstehen nicht so intensiv sind wie die im realen Leben. Darüber hinaus fällt es den Patienten leichter mit Menschen aus dem realen Umfeld über sich zu reden, als mit Dritten in Foren. Anders, als z.B. bei Patienten mit Essstörungen, hat der Austausch in Foren keinen Einfluss auf die Krankheitsbewältigung. Die virtuelle (indirekte) Kommunikation wurde von allen Teilnehmern der Studie nicht als Vorteil gegenüber der direkten Kommunikation betrachtet. Ein weiterer Schwerpunkt waren die Defizite im Bereich der Kommunikation (Kontextualisierung, Emotionserkennung und Theory-of-Mind-Fähigkeiten), welche Patienten mit einer Schizophrenie zusätzlich beeinträchtigen. Beim Gruppenvergleich konnten bei den Patienten Defizite im Bereich der Theory-of-Mind-Fähigkeiten belegt werden. Innerhalb der Gruppen ist kein signifikanter Unterschied im Vergleich der Kommunikation auf virtueller Ebene vs. face-to-face-Situationen festzustellen. Die Mehrheit der Patienten hält eine Online–Therapie für nicht vorstellbar und würde bei krankheitsbezogenen Problemen das direkte Therapeutengespräch dem Online–Beratungsangebot vorziehen. Im Fall einer Online–Therapie ist ihnen Anonymität sehr wichtig. Der Umgang mit dem Internet als zunehmend dominierendes Kommunikationsmedium und die Verlagerung von Kontakten auf die virtuelle Ebene stellt für Patienten mit einer Schizophrenie keine Chance für verbesserte soziale Integration dar, da diese das Internet weniger nutzen und wie im realen Leben auch auf virtueller Ebene keine Beziehungen pflegen. Zukünftige Forschung zum Thema Online-Therapie sollte die aktuellen Ergebnisse berücksichtigen und nach Lösungen suchen, Schizophrenie-Patienten trotz der Defizite im Bereich der (virtuellen) Kommunikation gesellschaftlich zu integrieren.
DOI:10.17192/z2015.0308