Patienten beim Hausarzt: Kulturelle Unterschiede bezüglich der Erwartungen und Erfahrungen

Ausgangslage: In Deutschland lebten 2013 ca. 3,2Millionen Bundesbürger, mit Migrationshintergrund aus der ehemaligen Sowjetunion, bzw. den GUS-Staaten. Diese Bevölkerungsgruppe ist in einer Weise medizinisch sozialisiert worden, welche sich von der einheimischen Bevölkerung unterscheidet. In Forschu...

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Main Author: Völkner, Michael
Contributors: Bösner, Stefan PD Dr. (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2015
Subjects:
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Description
Summary:Ausgangslage: In Deutschland lebten 2013 ca. 3,2Millionen Bundesbürger, mit Migrationshintergrund aus der ehemaligen Sowjetunion, bzw. den GUS-Staaten. Diese Bevölkerungsgruppe ist in einer Weise medizinisch sozialisiert worden, welche sich von der einheimischen Bevölkerung unterscheidet. In Forschungsarbeiten zu dem Gesundheitszustand der Bevölkerung war diese Bevölkerungsgruppe bisher jedoch unterrepräsentiert. Die vorliegende Arbeit sollte ein Teil dazu beitragen, den vorhandenen Forschungsbedarf zu decken, indem die Erwartungen und Erfahrungen von Patienten mit Migrationshintergrund und ohne Migrationshintergrund in Bezug auf ihren Hausarzt verglichen wurden. Methode: Methodisch geschah dieser Vergleich in Form einer qualitativen Arbeit. Als Stichprobe dienten die Interviews von 24 Deutschen und 25 Migranten. Die Interviews der Migranten wurden hierbei auf Russisch geführt, um eine etwaige Sprachbarriere zu minimieren. Nach Transkription und ggf. Übersetzung ins Deutsche erfolgte die weitere Auswertung mittels der Software MAXQDA nach den Regeln der qualitativen Inhaltsanalyse. Ergebnis: In Bezug auf die einzeln ausgewerteten Punkte präsentierte sich folgende Sicht: Im direkten Vergleich waren die deutschen Patienten zufriedener mit ihrem Hausarzt, wobei sich der Unterschied in der Bewertung zwischen „sehr gut“ und „gut“ bewegte. In puncto der Schwierigkeiten mit dem Hausarzt gaben die Migranten häufiger Barrieren im Umgang mit ihrem Arzt an. Als Hauptbarriere wurde dabei die mangelnde Sprachkenntnis angeführt. Aber auch der Vorwurf einer „Unnahbarkeit“ oder unpersönlichen Arbeitsweise stand auf Seiten der Patienten mit Migrationshintergrund im Raum. Bei Beachtung der Häufigkeiten und Begründungen von Arztwechseln erschienen weitere Unterschiede zwischen den Patientengruppen. Zwar waren die Anzahl der Arztwechsel in beiden Gruppen gleich und auch die genannten Argumente in beiden Gruppen ähnlich, die Häufigkeitsverteilung war jedoch gegensätzlich. Bei den Deutschen wurden hauptsächlich „nicht-modifizierbare Gründe“ angeführt, wie Arztwechsel auf Grund von Ortswechseln. Migranten erwähnten in ihrer Begründung im Gegensatz dazu häufig „modifizierbare Gründe“, die im Arzt-Patienten-Verhältnis begründet waren. Des Weiteren zeigte sich bei den Migranten ein passiverer Lebensstil was das Bemühen um die eigene Gesundheit betraf. Analog dazu ergab sich auch im Bereich der Informationsbeschaffung in der Gruppe der Migranten das Bild des passiveren Patienten, wobei beide Patientengruppen sich schlecht informiert fühlten. Deutlich trat dabei hervor, dass zwischen den Gruppen ein unterschiedliches Verständnis dafür vorlag, wer für die Informationsbeschaffung zuständig sei. In Bezug auf das Bild des idealen Arztes, die Anzahl der Arztkontakte pro Jahr und die Überlegungen zur ärztlichen Behandlung im Ausland unterschieden sich beide Patientengruppen allenfalls marginal. Diskussion: Auf Grund der vorhandenen Ausgangslage und dem bisherigen Mangel an Forschungsarbeiten zur Betrachtung der Patienten mit Migrationshintergrund aus der ehemaligen Sowjetunion und den GUS-Staaten, stand in der vorliegenden Arbeit klar die Hypothesenbildung vorrangig vor der Quantifizierung oder Falsifizierung aufgestellter Hypothesen. Daher war das qualitative Vorgehen das Mittel der Wahl. Insgesamt waren die aufgezeigten Ergebnisse mit der gefundenen Literatur vereinbar; allerdings immer unter dem Hinblick darauf, dass zur konkreten Fragestellung keine vergleichbaren Arbeiten vorliegen. Die zu vergleichenden Studien der gegenwärtigen Forschung in Deutschland hatten als Gegenstand entweder die Migrantenpopulation im Allgemeinen, mit besonderem Augenmerk auf die türkischstämmige Bevölkerung oder die psychische Gesundheit der Migranten. Als besondere Unterschiede zwischen den beiden Patientengruppen konnte ein unterschiedliches Verantwortungsbewusstsein für die eigene Gesundheit und eine geringere emotionale Bindung der Patienten an ihren Hausarzt herausgearbeitet werden. Dabei erschien die Schlussfolgerung zulässig, dass dies durch die medizinische Sozialisation hinreichend erklärt werden kann. Des Weiteren wurden die Sprachschwierigkeiten als immer wiederkehrende Ursachen dieser Unterschiede in der Bewertung des Gesundheitssystems angeführt. Um eine weitere Verbesserung und ein besseres Verständnis für die Behandlung russischsprachiger Migranten in Deutschland zu entwickeln wird weitere Forschung mit unterschiedlichen Ansätzen und Blickwinkeln von Nöten sein. Die hier aufgezeigten Hypothesen sollten auf ihrer Übertragbarkeit für die Gesamtbevölkerung hin untersucht und bewertet werden.
DOI:10.17192/z2015.0130