"To jest nasza Polska!" Identitätsstiftung und Identitätssicherung in der polnischen Exilgemeinde in Großbritannien während und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die polnische Exilgemeinde in Großbritannien entwickelte sich im Rahmen unterschiedlicher Migrationswellen: Emigranten, die vor dem Zweiten Weltkrieg sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen nach Großbritannien emigrierten; Exilanten, die Polen infolge des Zweiten Weltkrieges ver...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Blaski, Gabriele Marianne
Beteiligte: Becker, Siegfried (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2014
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die polnische Exilgemeinde in Großbritannien entwickelte sich im Rahmen unterschiedlicher Migrationswellen: Emigranten, die vor dem Zweiten Weltkrieg sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen nach Großbritannien emigrierten; Exilanten, die Polen infolge des Zweiten Weltkrieges verlassen mussten, sowie die Gruppe der Emigranten, die nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren, ins Land kam. Mit dem Beitritt Polens in die Europäische Union im Jahr 2004 vergrößerte sich die polnische Gemeinde im Vereinigten Königreich durch den Zuzug vorwiegend junger Polen ein weiteres Mal. Hauptaugenmerk der Dissertation ist die Gruppe der Exilanten, die infolge des Zweiten Weltkrieges auf unterschiedlichen Wegen nach Großbritannien kam und nach 1945 entschied, im Exil zu verbleiben. Zu dieser Gruppe gehören vor allem ehemalige Angehörige der polnischen Exilarmee und Zivilisten, die Polen infolge des Krieges verlassen mussten. Die Arbeit beschäftigt sich dabei mit der Frage, welche Maßnahmen von der Exilgemeinde und einzelnen Exilanten ergriffen wurden, um die eigene Identität und die Identität der Gruppe im Ankunftsland zu stabilisieren und zu sichern. Um dieser Fragestellung nachzugehen wurden drei Quellenarten herangezogen: Die Berichterstattung der schottischen Tageszeitung „The Scotsman“ zeigte sich als eine wichtige Quelle, mit deren Hilfe herausgearbeitet wurde, in welchem Maße die Anwesenheit der polnischen Streitkräfte im Exil Auswirkungen auf den Alltag der Schotten und die öffentliche Meinung in Schottland hatte. Die Auswertung von Berichten und Leserbriefen der Jahrgänge 1943 und 1945 zeigte, dass die zu Beginn exotisch anmutenden Exil-Truppen bald zu einem akzeptierten und angesehenen Teil des schottischen Alltags geworden waren. Im Laufe des Krieges bauten Schotten und Polen ein gutes Verhältnis zueinander auf, auf persönlicher wie auch auf institutioneller Ebene. Im Jahr 1943 kann demnach auch die Mehrzahl der Berichte und Leserbriefe als positiv gewertet werden. Im Verlaufe des Jahres 1945 veränderte sich dieses Bild, insbesondere ausgelöst durch die Frage der Einbürgerung polnischer Truppenangehöriger und die Frage nach den Grenzen Nachkriegspolens. Dies führte zu einer leichten Verschlechterung der öffentlichen Meinung gegenüber den Polen in Schottland und Großbritannien. Speziell in Leserbriefen hatte sich das Bild der Polen nun verändert: Aus den vormaligen „Alliierten“ waren „Ausländer“ geworden. Mit Blick auf die sich verschlechternde öffentliche Meinung und den vermehrten Rufen nach Repatriierung mussten die Polen über die Rückkehr in ein nunmehr kommunistisches Polen oder den Verbleib in Großbritannien entscheiden. Eine große Anzahl entschied sich für das Leben im Exil und musste sich in einem fremden Land ein neues Leben aufbauen. Im Rahmen der Ausarbeitung wurde Zeitzeugen die Möglichkeit gegeben, über ihre Ankunft und ihr Leben in Großbritannien zu sprechen. Die durchgeführten Interviews zeigen dabei, wie die Exilanten mit dem Leben im Exil zurechtkamen und wie sie mit dem Wissen umgingen, nicht nach Polen zurückkehren zu können. 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat ein weiterer Ort an Bedeutung gewonnen. Polnische Sektionen britischer Friedhöfe zeigen, dass Maßnahmen zur Stabilisierung und Sicherung von Identität sich nunmehr auch auf den Friedhof ausweiten. Eine Vielzahl an religiösen, militärischen und nationalen Symbolen sowie Inschriften, die auf Grabsteinen polnischer Exilanten zu finden sind, zeigen deutlich den Wunsch, auch nach dem Tod die Identität als Pole, Veteran der polnischen Streitkräfte etc. aufzuzeigen. Damit sind Grabsteine und Denkmäler zu wichtigen Instrumenten geworden, um Identität zu sichern und zu stabilisieren. Darüber hinaus übernehmen sie die Funktion als Träger von Gruppenzugehörigkeit und als Denk- und Mahnmale zur Erinnerung an die polnische Exilgemeinde und die Hintergründe ihrer Entstehung. Das letzte Kapitel der Ausarbeitung spannt den Bogen zu den neuesten Entwicklungen innerhalb der polnischen Gemeinde in Großbritannien, dem Zuzug einer großen Anzahl junger Polen, und wirft die Frage auf, inwieweit diese Entwicklungen Auswirkungen auf die Gruppe der Exilanten und ihre Erinnerung haben könnte.
DOI:10.17192/z2015.0056