Verbessert perioperative Musikdarbietung das Wohlbefinden bei Patientinnen nach gynäkologischen Eingriffen? Eine randomisiert kontrollierte Studie mit systematischer Literaturrecherche
Kruse, Christina
Die letzten Jahre haben signifikante Fortschritte sowohl in der Erforschung als auch in der therapeutischen Anwendung von Musik in der Medizin erbracht. Klinisch hat sich hier der routinemäßige Einsatz einer "musikalischen" Angst- und Schmerzbekämpfung bewährt. Musik scheint als emotional verknüpftes Kommunikationsmittel für den perioperativen Einsatz prädestiniert zu sein, da diese Phase oft durch emotionalen Stress, Angst und oftmals Schmerzen gekennzeichnet ist.
Zudem rückt das Thema Patientenzufriedenheit und Qualitätsoptimierung durch sozioökonomisch veränderte Rahmenbedingungen immer mehr in den Fokus der klinischen Forschung. Vor dem Hintergrund, dass während einer Allgemeinanästhesie die Möglichkeit einer impliziten Informationsverarbeitung postuliert wird, scheint Musik als kostengünstige Intervention ein geeignetes Mittel zu sein um das Wohlbefinden zu steigern.
In der vorliegenden Arbeit wurde die therapeutische Wirkung von perioperativer Entspannungsmusik auf das postoperative Wohlbefinden von 80 Patientinnen, welche sich mamma-chirurgischen Eingriffen oder einer gynäkologischen Laparoskopie unterziehen mussten, untersucht. Zudem wurden die Auswirkungen auf postoperative Schmerzen erfasst. Hierzu wurden durch eine randomisiert kontrollierte Studie zwei Interventionsgruppen (prä- und intraoperative Musikintervention) mit einer Kontrollgruppe verglichen, wobei eine Teilverblindung gewährleistet war. Unter Verwendung des BSKE (EWL)-Fragebogens wurde das perioperative Wohlbefinden an drei unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst (präoperativ, sechs und 24 Stunden postoperativ). Zusätzlich operationalisierten wir die allgemeine Zufriedenheit der Patientinnen mit dem PPP-33 Fragebogen. Zum Ausschluss einer die Ergebnisse verfälschenden Depression erfolgte ein präoperatives Depressionsscreening durch das Becks-Depressions-Inventar. Postoperative Schmerzen und Wohlbefinden wurden zusätzlich mittels einer visuellen Analogskala (VAS) von 1-10 erhoben. Unter Bispektral-Index (BIS)-Monitoring legten wir besonderes Augenmerk auf die intraoperative Darbietung von Entspannungsmusik und analysierten die Ergebnisse im Kontext zur aktuellen Literatur hinsichtlich ihrer Bedeutung für eine intraoperative Informationsverarbeitung.
Lediglich 24 Stunden nach der Operation zeigten sich im BSKE (EWL)-Summenscore signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Der PPP-33 Fragebogen deckte, wenn auch nur in der Dimension Angst, Unterschiede zwischen den Interventionsgruppen und der Kontrollgruppe auf. Die bewusst gehörte Musik wirkte
78
sich nur in der präoperativen Musikgruppe positiv auf das perioperative Befinden (VAS Wohlbefinden) aus.
Basierend auf der systematischen Literaturrecherche und unseren Ergebnisse lässt sich ein positiver Nutzen von präoperativer Musikdarbietung bezüglich des perioperativen Wohlbefindens und perioperativer Ängstlichkeit ableiten. Zudem wird Musik als angenehm empfunden und von den meisten Patienten gerne angenommen. Durch eine intraoperative Musikintervention scheint keine zusätzliche Verbesserung erzielt werden zu können. Bezüglich der intraoperativen Informationsverarbeitung akustischer Reize liefert unsere Studie keine neuen Erkenntnisse.
Routinemäßig werden heute Monitoringsysteme zur verbesserten Kontrolle der Narkosetiefe eingesetzt. Dabei zeigen Studien, dass auch unter einer adäquaten Narkosetiefe unter BIS-Monitoring eine akustische Informationsverarbeitung stattfinden kann. So bleibt weiterhin anzunehmen, dass die Verarbeitung akustischer Reize während einer Allgemeinanästhesie potentiell möglich ist. Aus der Studienlage geht dabei hervor, dass die Vermittlung von expliziten Inhalten während einer Allgemeinanästhesie nicht möglich erscheint. Inwiefern die implizite Informationsverarbeitung in der klinischen Praxis genutzt werden kann ist noch nicht abschließend geklärt. Aktuell kann kein Benefit einer intraoperativen Musiktherapie abgeleitet werden. Diese Tendenz wird durch unsere Ergebnisse bestätigt.
Zukünftige Arbeiten sollten den Aspekt der impliziten Informationsverarbeitung weiter verfolgen und dabei die zugrunde liegenden neurophysiologischen Prozesse in den Fokus rücken, um mögliche klinische Ansatzpunkte zur positiven Nutzung impliziter Erinnerung aufzudecken.
Klinisches Fazit:
Der Einsatz von Entspannungsmusik ist als kostengünstiger und nebenwirkungsarmer additiver Therapieansatz zur Steigerung des perioperativen Wohlbefindens präoperativ zu empfehlen. Patienten sollten deshalb vor einer anstehenden Operation die Möglichkeit erhalten Entspannungsmusik zu hören. Eine Empfehlung zur Anwendung intraoperativer Musik kann nicht gegeben werden, jedoch muss der Aspekt einer potentiellen akustischen intraoperativen Informationsverarbeitung mit möglicher impliziter Erinnerung berücksichtigt werden.
Philipps-Universität Marburg
Medical sciences Medicine
urn:nbn:de:hebis:04-z2014-06456
https://doi.org/10.17192/z2014.0645
opus:5697
Publikationsserver der Universitätsbibliothek Marburg
Universitätsbibliothek Marburg
Verbessert perioperative Musikdarbietung das Wohlbefinden bei Patientinnen nach gynäkologischen Eingriffen? Eine randomisiert kontrollierte Studie mit systematischer Literaturrecherche
intraoperative Informationsverarbeitung
Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie
application/pdf
music intervention
doctoralThesis
intraoperative Informationsverarbeitung
Allgemeinanästhesie
general anasthesia
German
Die letzten Jahre haben signifikante Fortschritte sowohl in der Erforschung als auch in der therapeutischen Anwendung von Musik in der Medizin erbracht. Klinisch hat sich hier der routinemäßige Einsatz einer "musikalischen" Angst- und Schmerzbekämpfung bewährt. Musik scheint als emotional verknüpftes Kommunikationsmittel für den perioperativen Einsatz prädestiniert zu sein, da diese Phase oft durch emotionalen Stress, Angst und oftmals Schmerzen gekennzeichnet ist.
Zudem rückt das Thema Patientenzufriedenheit und Qualitätsoptimierung durch sozioökonomisch veränderte Rahmenbedingungen immer mehr in den Fokus der klinischen Forschung. Vor dem Hintergrund, dass während einer Allgemeinanästhesie die Möglichkeit einer impliziten Informationsverarbeitung postuliert wird, scheint Musik als kostengünstige Intervention ein geeignetes Mittel zu sein um das Wohlbefinden zu steigern.
In der vorliegenden Arbeit wurde die therapeutische Wirkung von perioperativer Entspannungsmusik auf das postoperative Wohlbefinden von 80 Patientinnen, welche sich mamma-chirurgischen Eingriffen oder einer gynäkologischen Laparoskopie unterziehen mussten, untersucht. Zudem wurden die Auswirkungen auf postoperative Schmerzen erfasst. Hierzu wurden durch eine randomisiert kontrollierte Studie zwei Interventionsgruppen (prä- und intraoperative Musikintervention) mit einer Kontrollgruppe verglichen, wobei eine Teilverblindung gewährleistet war. Unter Verwendung des BSKE (EWL)-Fragebogens wurde das perioperative Wohlbefinden an drei unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst (präoperativ, sechs und 24 Stunden postoperativ). Zusätzlich operationalisierten wir die allgemeine Zufriedenheit der Patientinnen mit dem PPP-33 Fragebogen. Zum Ausschluss einer die Ergebnisse verfälschenden Depression erfolgte ein präoperatives Depressionsscreening durch das Becks-Depressions-Inventar. Postoperative Schmerzen und Wohlbefinden wurden zusätzlich mittels einer visuellen Analogskala (VAS) von 1-10 erhoben. Unter Bispektral-Index (BIS)-Monitoring legten wir besonderes Augenmerk auf die intraoperative Darbietung von Entspannungsmusik und analysierten die Ergebnisse im Kontext zur aktuellen Literatur hinsichtlich ihrer Bedeutung für eine intraoperative Informationsverarbeitung.
Lediglich 24 Stunden nach der Operation zeigten sich im BSKE (EWL)-Summenscore signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Der PPP-33 Fragebogen deckte, wenn auch nur in der Dimension Angst, Unterschiede zwischen den Interventionsgruppen und der Kontrollgruppe auf. Die bewusst gehörte Musik wirkte
78
sich nur in der präoperativen Musikgruppe positiv auf das perioperative Befinden (VAS Wohlbefinden) aus.
Basierend auf der systematischen Literaturrecherche und unseren Ergebnisse lässt sich ein positiver Nutzen von präoperativer Musikdarbietung bezüglich des perioperativen Wohlbefindens und perioperativer Ängstlichkeit ableiten. Zudem wird Musik als angenehm empfunden und von den meisten Patienten gerne angenommen. Durch eine intraoperative Musikintervention scheint keine zusätzliche Verbesserung erzielt werden zu können. Bezüglich der intraoperativen Informationsverarbeitung akustischer Reize liefert unsere Studie keine neuen Erkenntnisse.
Routinemäßig werden heute Monitoringsysteme zur verbesserten Kontrolle der Narkosetiefe eingesetzt. Dabei zeigen Studien, dass auch unter einer adäquaten Narkosetiefe unter BIS-Monitoring eine akustische Informationsverarbeitung stattfinden kann. So bleibt weiterhin anzunehmen, dass die Verarbeitung akustischer Reize während einer Allgemeinanästhesie potentiell möglich ist. Aus der Studienlage geht dabei hervor, dass die Vermittlung von expliziten Inhalten während einer Allgemeinanästhesie nicht möglich erscheint. Inwiefern die implizite Informationsverarbeitung in der klinischen Praxis genutzt werden kann ist noch nicht abschließend geklärt. Aktuell kann kein Benefit einer intraoperativen Musiktherapie abgeleitet werden. Diese Tendenz wird durch unsere Ergebnisse bestätigt.
Zukünftige Arbeiten sollten den Aspekt der impliziten Informationsverarbeitung weiter verfolgen und dabei die zugrunde liegenden neurophysiologischen Prozesse in den Fokus rücken, um mögliche klinische Ansatzpunkte zur positiven Nutzung impliziter Erinnerung aufzudecken.
Klinisches Fazit:
Der Einsatz von Entspannungsmusik ist als kostengünstiger und nebenwirkungsarmer additiver Therapieansatz zur Steigerung des perioperativen Wohlbefindens präoperativ zu empfehlen. Patienten sollten deshalb vor einer anstehenden Operation die Möglichkeit erhalten Entspannungsmusik zu hören. Eine Empfehlung zur Anwendung intraoperativer Musik kann nicht gegeben werden, jedoch muss der Aspekt einer potentiellen akustischen intraoperativen Informationsverarbeitung mit möglicher impliziter Erinnerung berücksichtigt werden.
Musikintervention
Well-being
Musikintervention
ppn:348413084
urn:nbn:de:hebis:04-z2014-06456
Perioperatives Wohlbefinden
https://doi.org/10.17192/z2014.0645
Patient comfort and satisfaction of the perioperative period is more and more important to clinical research. This is due to changing social requirements that can be recognized in the healthcare system. Music as a cheap and easy to establish tool seems to be applicable to improve patients’ satisfaction in a perioperative setting. In this trial we tried to answer the question if pre- and intraoperative music is suitable to influence the perioperative well-being of patients that had to undergo breast surgery or a gynecological laparoscopy. To do this we did a randomized controlled trail that was partly blinded and discussed the results on basis of a systematic review of the literature. Therefore we examined 80 female patients that had to undergo a gynecological operation. They answer the BSKE (EWL)-questionnaire at three times. Before the BDI was done to exclude a depression that could possibly influence the results. In addition the PPP-33 questionnaire was used to get secondary information concerning the perioperative satisfaction. Postoperative pain and well-being was also measured by a VAS. BIS-Monitoring was used to measure depth of anesthesia during the whole procedure.
It is known that audible information can be processed during general anesthesia, even in a state of narcosis that is widely accepted as adequate and monitored by BIS. We therefore tried to focus on the intraoperative effect of music intervention.
Our results and the results of the literatures’ review showed that there is a benefit of preoperative music concerning perioperative well-being. It has also a positive effect on operation related anxiety. No further benefit could be accomplished by intraoperative music. These results are similar to the results found in the literature. It can safely be concluded that the placing of explicit information during a general anesthesia does not seem to be possible. In what way implicit memory due to process of acoustic information during general anesthesia influence the perioperative well-being is not definitively answered. Further studies should investigate the neurophysiological mechanisms of implicit memory to detect further possibilities to interact clinical in a beneficial way.
Clinical implication: Music in a perioperative setting seems to be the right tool to improve postoperative well-being and reduce operation related anxiety in patients undergoing gynecological surgery. Relaxing music should be given as additional therapy in the preoperative period. Intraoperative music therapy does not seem to have any additional benefit. Nevertheless the chance of implicit memory during general anesthesia should be considered.
2014-10-14
Kruse, Christina
Kruse
Christina
2014-10-06
https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2014/0645/cover.png
Does music improve perioperative well-being of patients undergoing gynecological surgery? A randomised controlled study with systematic review of the literature
opus:5697
Medizin
Philipps-Universität Marburg
Medical sciences Medicine
Medizin
2014-10-14
Perioperatives Wohlbefinden
ths
Prof. Dr.
Eberhart
Leopold
Eberhart, Leopold (Prof. Dr.)
Allgemeinanästhesie
2014
monograph
PRESERVATION_MASTER
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PRESERVATION_MASTER