Spermienparameter und Reproduktionsbiographie als interagierende Prädiktoren männlicher Lebensspanne: Eine medizinsoziologisch-andrologische Studie an 2294 Patienten der Kinderwunschsprechstunde der Marburger Universitätshautklinik 1949-1994

In der vorliegenden Arbeit wurde der Zusammenhang zwischen biologischer Fruchtbarkeit und der Lebensspanne von Männern unter Berücksichtigung der Reproduktionsbiographie untersucht. Es wurde in einem früheren Projektabschnitt festgestellt, dass schlechte Spermienparameter eine höhere Mortalität v...

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Main Author: Belting, Katharina Anna
Contributors: Mueller, Ulrich (Prof. Dr.Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2013
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
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Description
Summary:In der vorliegenden Arbeit wurde der Zusammenhang zwischen biologischer Fruchtbarkeit und der Lebensspanne von Männern unter Berücksichtigung der Reproduktionsbiographie untersucht. Es wurde in einem früheren Projektabschnitt festgestellt, dass schlechte Spermienparameter eine höhere Mortalität vorhersagen (Groos et al. 2006, Seydel 2010). Dies kann ein direkter Effekt sein. Spermatogenese ist ein Marker gewisser Vitalprozesse. Dies kann ein indirekter Effekt sein. Männer mit schlechten Spermienparametern sind seltener Vater und haben deshalb eine höhere Mortalität. Um diese beiden Effekte gegeneinander abgrenzen bzw. untersuchen zu können, wurde nach Spermienparametern und leiblicher Vaterschaft differenziert. Datengrundlage waren Spermiogramme von Patienten der Kinderwunschsprechstunde der Universitätshautklinik in Marburg der Geburtsjahrgänge 1892 bis 1941 aus den Untersuchungsjahren von 1949 bis 1994. Es liegt ein Untersuchungsbrutto von 2294 Fällen vor. Die Vitalstatuserhebung erfolgte über Einwohnermeldeämter. Zum 31.12.2010 konnte für 1417 ehemalige Patienten der Vitalstatus ermittelt werden. Zusätzlich wurde eine Befragung durchgeführt, um Daten zur Reproduktionsbiographie zu erheben, die in den Akten der Kinderwunschsprechstunde teilweise oder ganz fehlen. Bei den bereits verstorbenen Patienten wurde eine Proxy Befragung mit den Ehefrauen durchgeführt. Für 631 ehemalige Patienten liegen Informationen zur Anzahl leiblicher Kinder und damit Angaben zur leiblicher Vaterschaft vor. Die Fertilitätsbestimmung erfolgte aufgrund der Angaben zur Spermienkonzentration. Gemäß den WHO Kriterien (2010) wurde zwischen fertilen (≥15×10⁶/ml) und subfertilen (<15×10⁶/ml) Fällen kategorisiert. Spermienkonzentration und Gesamtfertilität wurden ebenfalls als stetige Variablen in die Analyse des Zusammenhangs zwischen Fertilität und Mortalität einbezogen. Bei der Betrachtung der gesamten Studienpopulation, d.h. von Fällen mit bekanntem Vitalstatus zum 31.12.2010 und Angaben zur Spermienkonzentration (n=1417) konnte mittels semi-parametrischer und parametrischer Verfahren durchgehend ein erhöhtes Mortalitätsrisiko subfertiler Fälle im Vergleich zu fertilen Fällen ab Geburt und ab Untersuchungszeitpunkt ermittelt werden. Die Ergebnisse der Vorgängerstudien von Groos et al. (2006) und Seydel (2010) konnten damit am erweiterten Mortality Follow-Up zum 31.12.2010 nicht nur für die frühe Geburtskohorte, sondern darüber hinaus für alle Altersklassen, auch unter Einschluss azoospermer Fälle in die Analyse und ab Untersuchungszeitpunkt repliziert werden. Im Gegensatz zur Studie von Seydel (2010) konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen der Gesamtfertilität und der Überlebenszeit ab Geburt und ab Untersuchung ermittelt werden. In der Befragungspopulation (n=631) konnte unter statistischer Kontrolle auf die Kovariate Fekundität kein Zusammenhang zwischen Fertilität und Mortalität nachgewiesen werden, weder bei der Betrachtung der Überlebenszeit ab Geburt noch bei der Betrachtung der Überlebenszeit ab Untersuchung. In einer nach Fekundität stratifizierten Analyse konnten im Gesamtvergleich nur mittels eines vollparametrischen Verfahrens bei der Betrachtung der Überlebenszeit ab Untersuchung Unterschiede in der Sterblichkeit zwischen kinderlosen Männern und Vätern in Abhängigkeit vom Fertilitätsstatus und von Spermienkonzentration nachgewiesen werden. Bei der gruppenspezifischen Betrachtung der Überlebenszeit ab Geburt und ab Untersuchung konnte für kinderlose Männer bei gleich guten Werten der Gesamtfertilität und der Spermienkonzentration wie bei leiblichen Vätern ein erhöhtes Mortalitätsrisiko ermittelt werden. Kein erhöhtes Mortalitätsrisiko konnte dagegen für subfertile kinderlose Männer im Vergleich zu subfertilen Vätern ermittelt werden. Es konnten jeweils signifikante Interaktionseffekte der Spermienkonzentration und der Gesamtfertilität mit der Fekundität auf die Sterblichkeit ermittelt werden. Allerdings nur bei der Aufnahme der Interaktionsterme in die Analyse ohne die jeweiligen Haupteffekte. Die vorliegende Studie liefert einen Hinweis, dass ein indirekter (protektiver) Effekt der Fekundität auf die Sterblichkeit nur bei guten Spermienparametern wirksam ist, bei schlechten Spermienparametern kinderlose Männer im Vergleich zu Vätern keine erhöhte Sterblichkeit haben. Dieser Befund steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Studie von Jensen et al. (2009) als der Einzigen, die bis jetzt zwischen biologischer Fruchtbarkeit und Vaterschaft differenziert und unabhängig von der Kinderzahl ein geringeres Mortalitätsrisiko für Männer mit guten Spermienparametern nachgewiesen hat. Die Studienergebnisse von Jensen et al. (2009) liefern damit einen Hinweis, dass ein direkter Effekt wirksam sein könnte, d.h. die Spermatogenese ein Marker des allgemeinen Gesundheitszustands ist. Es ist wünschenswert, dass die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung an einem größeren Datensatz repliziert werden. Denn die vorliegende Studie verfügt über eine sehr kleine Stichprobe und die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu interpretieren.
DOI:10.17192/z2013.0743